MEINUNG

„Ohne Helm und mit Alkohol“ – E-Scooter sind ungesund: Ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Elektroroller und für das Fahrradfahren

Prof. Dr. Stephan Martin

Interessenkonflikte

31. Oktober 2022

Transkript des Videos von Prof. Dr. Stephan Martin, Düsseldorf

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

In Sonntagsreden zur ökologischen Wende spielt das Fahrrad eine ganz wichtige Rolle. Gerade in Großstädten, wie meiner Heimatstadt Düsseldorf, kann es eine wirkliche Alternative zum Auto sein. Doch ist Fahrradfahren überhaupt gesund?

Ende letzten Jahres ist eine Analyse von über 7.400 Teilnehmern einer europäischen Beobachtungsstudie publiziert worden, die schon bei 1 Stunde Fahrradfahren pro Woche eine über 20%ige Reduktion der Sterblichkeit zeigen konnte [1].

Diese Ergebnisse werden durch eine ganz aktuelle amerikanische Studie bestätigt, bei der gezeigt werden konnte, dass schon eine geringe körperliche Fitness die Sterblichkeit reduziert [2].

Der Hype um E-Scooter

Doch seit der Steinzeit meidet der Mensch jegliche Form der körperlichen Anstrengung, so dass aktuell in Großstädten wie Düsseldorf, Köln, Hamburg oder Berlin so genannte E-Scooter einen richtigen Hype ausgelöst haben. Von ökologischer Seite werden sie als ein wichtiger Baustein in der Verkehrswende gesehen. Man kann diese ganz einfach mieten und mit Geschwindigkeiten von bis zu 20 km/h durch die Städte fahren.

Der kritische Beobachter fragt sich jedoch, ob die nächtlichen Fahrten von Diesel-fressenden Transportern zum Einsammeln der verstreuten E-Scooter und deren kurze Nutzungsdauer wirklich einer ökologischen Analyse standhalten.

Auch wird zunehmend ordnungspolitisch diskutiert, ob die an den unmöglichsten Orten abgestellten E-Scooter zu akzeptieren sind. Als passionierter Fahrradfahrer – ich habe mir sogar kein 9-Euro-Ticket gekauft, da ich es sowieso nicht genutzt hätte – ärgere ich mich häufig, dass solche Geräte an unübersichtlichen Stellen auf Fahrradwegen abgestellt werden und richtige Gefahrenquellen für Fahrradfahrer darstellen.

Nach meinen persönlichen Erfahrungen in Düsseldorf fühlen sich weder Polizei noch Ordnungsamt berufen, solche Gefahrenstellen zu entschärfen. Das Ordnungsamt ist bei uns bis in die Nacht beschäftigt, sogar in Seitenstraßen gefahrlos abgestellte Autos, die z.B. nur mit den Reifen auf dem Bordstein von Bürgersteinen stehen, mit Strafprotokollen zu versehen. Da bleibt keine Zeit für E-Scooter.

E-Scooter-Fahrer: Wenige tragen Helm, viele konsumieren Alkohol

Schauen wir uns doch einmal die gesundheitspolitische Seite von E-Scootern an: Diese konterkarieren die eingangs geforderte vermehrte körperliche Aktivität, die wenigen Meter vom Parkplatz oder vom öffentlichen Verkehrsmittel werden in schlichter Bewegungslosigkeit zurückgelegt. Wenn man sich die Nutzer von E-Scootern betrachtet, stellt man fest, dass ein großer Teil von einem Spaziergang sicher profitieren würde.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass im Vergleich zu E-Scooter die Verletzungen durch Fahrradfahren signifikant geringer sind [3]. Die Gründe dafür sind zum einen, dass Fahrradfahrer häufiger einen Helm tragen und E-Scooter-Fahrer dagegen häufig alkoholisiert durch die Landschaft fahren.

Diese Ergebnisse werden in einer weiteren ganz aktuellen Publikation von Unfallchirurgen der Universitätskliniken München und Köln bestätigt [4]. Dabei wurden die Verletzungen von Patienten in den jeweiligen Notfallambulanzen, die bei Segway-Touristentouren und der E-Scooter-Nutzung entstanden sind, retrospektiv analysiert.

Bei den Segway-Touren erhalten die Benutzer eine kurze Einführung und werden angehalten, einen Helm zu tragen. Insgesamt wurden 171 Unfälle erfasst, von denen 56 bei Segway-Touren und 115 bei E-Scooter-Nutzung entstanden.

Während das mittlere Alter der Segway-Fahrer bei 48 Jahren lag und keiner unter Alkoholeinfluss stand, waren die E-Scooter-Fahrer mit knapp 34 Jahren deutlich jünger und ein Drittel hatte Alkohol getrunken.

Von den Segway-Fahrern hatten 34% Kopfverletzungen, bei den E-Scootern lagen diese mit 52% signifikant höher. Die Rate an Helmnutzung war mit 48% in der Segway- und 1,7% in der E-Scooter-Gruppe ebenfalls signifikant unterschiedlich. Daher werden von vielen Ärzten bei der Nutzung von E-Scootern ein komplettes Alkoholverbot und eine Helmpflicht gefordert.

Schauen wir uns noch einmal die Realität an. Trotz dieser ökologischen, ordnungspolitischen und gesundheitlichen Bedenken werden in vielen Städten E-Scooter gehyped. In Düsseldorf werden Fahrradfahrer sogar systematisch diskriminiert.

Auf der neu gestalteten Schadowstraße – unserer Haupteinkaufsstraße - wurde ein Fahrradweg so unscheinbar mitten in der Fußgängerzone eingerichtet, dass Fußgängern ihn überhaupt nicht bemerken. Nun hat sogar eine Partei – die sonst Liberalität auf Ihre Fahnen geschrieben hat – in diesem Bereich sogar eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Fahrradfahrer von 10 km/h vorgeschlagen. Man versucht städtebauliches Fehlversagen mit Verboten zu kaschieren.

Zusätzlich werden bei uns in Düsseldorf viele Kilometer Fahrradwege auf Fußgängerwegen, die zum Teil seit 30 Jahren bestehen, über Nacht beseitigt. Die Fahrradfahrer sollen in diesen 30er Zonen vermutlich lebende Geschwindigkeitsbegrenzer sein. Die ahnungslosen Fahrradfahrer werden auf dem Bürgersteig von Fußgängern beschimpft, wenn man auf der Straße fährt von Autofahrern angehupt, da immer noch alle glauben, dass es einen Fahrradweg gibt.

Fahrradfahrer müssten aufgrund der ökologischen und gesundheitlichen Vorteile eigentlich politisch höchste Wertschätzung erfahren! Die Realität – zumindest in Düsseldorf - sieht aber etwas anders aus!

Das waren einige persönliche Worte von mir als Fahrrad-Fahrer und ich hoffe, es geht Ihnen genauso.

Alles Gute

Ihr Stephan Martin

 

Kommentar

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