Transkript des Videos von PD Dr. Martin Hartmann, Heidelberg
Schönen guten Tag,
hier ist Martin Hartmann aus der Hautklinik der Universität Heidelberg.
Es geht heute um die Affenpocken.
Vom 2.9.-3.9.2022 fand in Köln das jährliche Treffen der niedergelassenen HIV-Ärzte statt (DAGNÄ), die besonders stark von den Affenpocken betroffen sind.
Univ.-Prof. Dr. med. Leif Erik Sander, Leiter der Infektiologie an der Charité, Berlin, gab einen aktuellen Überblick über die Affenpocken, insbesondere die Impfung.
Das Affenpocken-Virus ist seit 1958 bekannt, erstmals bei Primaten nachgewiesen, deswegen erhielt es den unglücklichen Namen Affenpocken, der von der WHO geändert werden soll.
1970 kam es zum ersten Auftreten beim Menschen. Es kristallisierten sich 2 Cluster heraus, ein zentralafrikanisches mit einer etwas höheren Rate an schwerwiegendem Verlauf und Tod und eine benignere Variante in Westafrika.
Von dieser verbreiteten sich auch ab Mitte des Jahres die Affenpocken über UK, Portugal in Europa und Amerika. Die Verbreitung erfolgte über sexuelle intensive Kontakte. Das Virus scheint nicht grundlegend mutiert zu sein.
Es ist allerdings auch bei asymptomatischen Patienten oft im Sperma nachweisbar.
3.500 Infektionen in Deutschland
Wir haben über 50.000 Infektionen weltweit und knapp 3.600 (Stand 22.9.22) in Deutschland. Auf der RKI-Seite können die aktuellen Zahlen abgerufen werden. Wir haben einen leichten Knick seit Mitte Juli. Es ist nicht ganz klar, warum es zum Rückgang kommt. Eventuell liegt es vielleicht daran, dass die 3-wöchige Quarantäne von vielen nicht eingehalten werden kann. Sie ist ja relativ lang und es stellt sich die Frage, ob dies notwendig ist. Der normale Verlauf erfährt keine ärztliche Behandlung. Es ist offen, wie viele Patienten zur Diagnosestellung letztendlich zum Arzt gehen.
Klinik
Die Klinik ist inzwischen bekannt, sie erinnert an die Windpocken und wie ein viraler Infekt mit bekannten Prodromi verlaufen, muss aber nicht. Sie kann auch asymptomatisch verlaufen. Die Bläschen treten häufig im Genitalbereich, bei orogenitalem Sex auch oral auf.
Es gibt eine schöne aktuelle Publikation im New England Journal of Medicine . Wer nicht so gut vertraut ist mit der Klinik kann dort, vor allem im Appendix, sich die Fälle nochmal anschauen. Wie gesagt, sie erinnern am ehesten an die Windpocken und sollten mit diesen nicht verwechselt werden.
Selten Therapie erforderlich
Die Therapie ist selten notwendig, nur in schweren Fällen. Es gibt einige Todesfälle und es ist nicht ganz klar, was diese charakterisiert. Dies gilt auch für die schweren Verläufe. Es gibt Hinweise, dass bei einer Augenbeteiligung oder einer Proktitis nach New Yorker Daten eine virostatische Therapie notwendig ist.
Impfung
Der Schwerpunkt liegt auf der Prophylaxe. Es gibt eine aktuelle STIKO-Empfehlung, die sowohl für die PEP als auch für die Impfung bei Risikopersonen klare Empfehlungen gibt. Der Impfstoff Imvanex ist seit einigen Monaten auch in der EU zugelassen. Es ist ein nicht replizierender Impfstoff, der zweimal gegeben werden soll im Abstand von 4 Wochen.
Derzeit haben wir nicht genug Impfstoff, eine einmalige Gabe des Impfstoffs soll ausreichend sein. Die 2. Impfung ist nur notwendig, dass das Ganze länger wirkt. Sander sagte, dass es Daten gibt, dass letztendlich im Vergleich zu den replizierbaren Affenpockenvirus-Impfstoffen eine einmalige Gabe oft nicht ausreichend sei.
Da diese Personen nach der 1. Impfung oft auch wieder ein riskanteres Verhalten an den Tag legen, ist die Frage, ob die Impfdurchbrüche vielleicht auf einer Kombination dieser beiden Faktoren beruhen. Insofern sollte man doch soweit wie möglich versuchen, 2 Impfungen zu geben.

Nicht ganz klar ist, wieweit man den Abstand auseinander ziehen kann. Daten zeigen, dass Patienten, die vor 1974 geboren und gegen Pocken geimpft worden sind, bei einer einmaligen Impfung ausreichende Titer aufweisen.
Erste Daten aus einer Studie der Charité zeigen, dass die Impfung durchaus gut verträglich ist.
Es sind also noch einige Fragen offen, aber die werden sich in Zukunft auch lösen.
Vielen Dank fürs Zuhören. Viele Grüße aus Heidelberg.
Medscape © 2022 WebMD, LLC
Die dargestellte Meinung entspricht der des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von WebMD oder Medscape wider.
Diesen Artikel so zitieren: Update Affenpocken: „Therapie selten notwendig“, die Zahlen sind seit August eher rückläufig, Impfschutz aber wichtig - Medscape - 4. Okt 2022.
Kommentar