Der Diabetologe Prof. Dr. Stephan Martin stellt 2 Studien vor, die Ärzte und ihre Patienten kennen sollten. Sie erklären: Wie schluckt man am besten seine Pillen, damit sie auch optimal wirken.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Stephan Martin, Düsseldorf
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir verordnen täglich viele Tabletten, die die Patienten dann schlucken müssen. In der Diabetologie haben wir wohl mit Metformin die dicksten Tabletten überhaupt, diese täglich 2x zu nehmen ist schon eine gewisse Herausforderung. Welchen Ratschlag kann man unseren Patienten – diesen armen Schluckern - geben?
Vorwärts-Neige-Technik besser zum Schlucken
Dieser wichtigen Frage haben sich vor einigen Jahren – Im Jahr 2014 - Wissenschaftler der Universität Heidelberg gewidmet [1]. Sie haben festgestellt, dass der „Klassiker“ mit dem Kopf im Nacken ein ungünstiger Weg ist, weil dabei die Speiseröhre eingeengt wird. Das ist eigentlich klar, denn wenn wir einen Patienten intubieren, überstrecken wir den Kopf, um besser in die Trachea zu kommen.
Daher wurden 2 andere Techniken miteinander verglichen. Bei der „Pop-Bottle-Technik“ legt man die Tablette auf die Zunge und saugt die Flüssigkeit aus einer Flasche ein.
Bei der „Vorwärtsneige-Technik“ schluckt man die auf der Zunge liegende Tablette mit Flüssigkeit und dem Richtung Brust geneigten Kopf. Im Vergleich zur klassischen Methode – also Kopf-in-den Nacken- fanden etwa 60%die „Pop-Bottle-Technik“ günstiger zur Tabletteneinnahme, während dies bei der „Vorwärtsneige-Technik“ fast 90% waren.
Liegen auf der rechten Körperseite begünstigt Aufnahme der Wirkstoffe
Eine ganz aktuelle Arbeit hat nun mit Hilfe der Computersimulation untersucht, in welcher Körperhaltung – Stehen oder Liegen auf der rechten oder Liegen auf der linken Körperseite – Medikamente am schnellsten vom Darm aufgenommen werden [2].
Problem bei der Aufnahme stellt der Magen dar, denn der liegt quer im Bauchraum. Die beste Körperhaltung zur schnellen Passage des Magens ist daher nicht das Stehen, sondern das Liegen auf der rechten Körperseite. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass so die Wirkstoffe 2-fach schneller aufgenommen werden.
Die schlechteste Variante ist die Einnahme auf der linken Körperhälfte liegend, denn hier muss die Tablette gegen die Schwerkraft nach oben transportiert werden. Das kann 10 mal länger dauern als die Aufnahme auf der rechten Seite liegend.
Anders ausgedrückt kann das bedeuten, dass der Wirkstoff bis zu einer Stunde später im Blut nachweisbar ist. Gerade bei Schmerztabletten möchte man, dass diese schnell wirken, so dass man nach der Tabletteneinnahme sich besser kurz auf der rechten Seite liegend etwas ausruht.
Die Publikation aus dem Jahr 2014 ist eine Erstbeschreibung, es ist doch interessant, dass sich bisher noch kein Wissenschaftler dieser zwar banalen, aber für die tägliche Behandlung von Patienten so wichtigen Frage gewidmet hat.
Wenn wir uns in Deutschland die Forschungslandschaft anschauen, sehen wir sehr häufig Grundlagenarbeiten zum molekularen Verständnis von Erkrankungen. Grund dafür ist, dass solche Arbeiten mehr Impact-Faktoren bringen und das sind die Qualitätskriterien für Wissenschaftler.
Früher wurde in nicht-universitären Abteilungen z.B. in akademischen Lehrkrankenhäusern parallel zur klinischen Arbeit klinische Forschung betrieben. Das ist heute im Zeitalter der DRGs und der Ökonomisierung der Medizin kaum noch möglich. Zurück bleiben Patienten, die im wahrsten Sinne des Wortes arme Schlucker sind ….
Ich hoffe, das waren gute Ratschläge für die tägliche Praxis.
Ich verbleibe
Ihr Stephan Martin
Medscape © 2022 WebMD, LLC
Die dargestellte Meinung entspricht der des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von WebMD oder Medscape wider.
Diesen Artikel so zitieren: „Unsere Patienten sind arme Schlucker“: Tipps für eine sanft gleitende und wirkungsvollere Einnahme von Tabletten - Medscape - 10. Okt 2022.
Kommentar