MEINUNG

Neuro-Talk: „Tiefschlag für die Parkinsonforschung“, das „Ende des Stentings von intrakraniellen Stenosen“, positive News beim Schmerz

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Interessenkonflikte

9. September 2022

Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Duisburg-Essen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Ich stelle Ihnen heute 5 Studien vor, die im August 2022 publiziert worden sind.

Tiefschlag für die Parkinson-Forschung

Ich möchte mit 2 sehr traurigen Studien beginnen. Es geht um den Morbus Parkinson. Seit einigen Jahren weiß man, dass das wesentlichste pathogene Agens wahrscheinlich die Akkumulation von Alpha-Synuclein ist.

Die Erkrankung beginnt möglicherweise im Darm, wo dann durch eine Veränderung der Darmflora vermehrt Alpha-Synuclein gebildet wird, das durch die Darmschleimhaut wandert und dann retrograd über den Nervus vagus ins Gehirn transportiert wird. Dort breitet sich Alpha-Synuclein wie ein infektiöses Agens aus, ähnlich wie bei den Prionen-Erkrankungen.

Deshalb lag es natürlich nahe, monoklonale Antikörper gegen diese Alpha-Synuclein-Aggregate zu entwickeln. Jetzt sind die beiden ersten großen Studien bei Patienten mit beginnendem Parkinson-Syndrom im New England Journal of Medicine publiziert worden [1, 2].

Die erste Studie (PASADENA) untersuchte Prasinezumab [1]. Der Antikörper wurde in 2 verschiedenen Dosen alle 4 Wochen über 52 Wochen gegeben (1.500 mg – n = 105, 4.500 mg – n = 106) und mit Placebo verglichen (n = 105). Primärer Endpunkt war die Movement Disorder Society-sponsored revision of the Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS).

Leider fand sich weder für den primären noch für die sekundären Endpunkte eine Wirkung.

Nun könnte man sagen, dass war Pech, aber parallel dazu war die 2. Studie (SPARK) ebenfalls negativ, in der Cinpanemab untersucht worden ist [2]. Hier wurde der Antikörper in 3 verschiedenen Dosierungen alle 4 Wochen gegeben über 52 Wochen. Auch in dieser Studie zeigten sich im primären und den sekundären Endpunkten keine Effekte.

Diese Studie hatte zusätzlich noch SPECT-Imaging, womit sich ebenfalls kein Hinweis auf eine Wirkung zeigte.

Das ist ein Tiefschlag für die Parkinson-Forschung, weil wir alle gehofft hatten, dass diese monoklonalen Antikörper möglicherweise die Krankheit verlangsamen können.

Aus für Stenting von intrakraniellen Stenosen

Auch im Bereich des Schlaganfalls gab es eine negative Studie, die CASSISS-Studie aus China [3].

Es gab bisher 2 Studien zum Stenting von symptomatischen intrakraniellen Stenosen, eine in den USA und eine in Europa, die beide negativ waren. Aber die Kritik an diesen Studien war, dass möglicherweise die Patienten nicht optimal ausgewählt waren und die Neuroradiologen vielleicht noch nicht so viel Erfahrung hatten. Deswegen wurde diese Studie nochmals in China mit 380 Patienten mit symptomatischen intrakraniellen Stenosen wiederholt. Randomisiert erhielten sie zur medikamentösen Therapie eine Ballondilatation plus Stenting oder nur medikamentöse Therapie.

Primäre Endpunkte waren Schlaganfall und Tod innerhalb von 30 Tagen oder ipsilateraler Schlaganfall nach Tag 30 bis zu 1 Jahr. Diese Studie war negativ, kein Unterschied, kein Nutzen des Stentings konnte gezeigt werden. Auch die Sterblichkeit war nicht beeinflusst.

Das ist m.E. das endgültige Ende des Stentings von intrakraniellen Stenosen.

OPTION-DM: Therapie diabetischer neuropathischer Schmerzen

Ein weiteres Problem in der klinischen Praxis sind Polyneuropathien im Rahmen eines Diabetes mellitus, die sehr häufig mit neuropathischen Schmerzen einhergehen. Hier gab es mit der OPTION-DM eine wirklich tolle Studie aus England [4].

Sie haben Patienten mit schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie initial 16 Wochen lang mit einer Monotherapie aus Pregabalin oder Amitriptylin oder Duloxetin behandelt. Nach den 16 Wochen kam jeweils eine 2. Substanz hinzu. Die Patienten erhielten dann eine duale Therapie mit Amitriptylin plus Pregabalin, Pregabalin plus Amitriptylin oder Duloxetin plus Pregabalin. Die Dosierung richtete sich nach der Verträglichkeit.

Insgesamt dauerte die Studie 1 Jahr, was unglaublich ist, dass es gelungen ist, die Patienten bei der Stange zu halten. Primärer Endpunkt war die mittlere Schmerzintensität über 7 Tage nach 1 Jahr.

Es zeigte sich, dass alle Therapien gleich wirksam sind. Es zeigte sich aber auch, wenn eine Monotherapie nicht ausreichend wirksam ist, ist die Zugabe einer 2. Substanz wirksam, d.h. die Schmerztherapie wird verbessert.

INVICTUS: Antikoagulation bei VHF und rheumatischer Herzerkrankung

Mein letztes Thema kommt aus der Kardiologie, betrifft uns aber auch, weil wir ja Patienten sehen, die Vorhofflimmern haben und antikoaguliert werden. Standard sind heute die NOAKs, weil sie weniger Blutungskomplikationen auslösen als z.B. Marcumar oder Warfarin.

Ungeklärt war bisher, was mit Patienten ist, die Vorhofflimmern im Rahmen einer rheumatischen Herzerkrankung haben, also eine Klappenerkrankung, in der Regel eine hochgradige Mitralklappen-Stenose.

Hier ist jetzt eine große randomisierte Studie mit rund 4.500 Patienten gemacht worden, die entweder Rivaroxaban oder einen Vitamin-K-Antagonisten bekamen und über 3 Jahre beobachtet wurden [5]. Primärer Endpunkt war die Kombination aus Schlaganfall, Embolie, Herzinfarkt und Tod.

Zur Überraschung gab es eine signifikante Überlegenheit der Vitamin-K-Antagonisten nicht nur für die Endpunkte, sondern auch für die Sterblichkeit. Die Blutungskomplikationen waren ähnlich.

Das bedeutet, dass genauso wie Patienten mit mechanischen Herzklappen Patienten mit rheumatischer Herzerkrankung und Vorhofflimmern nicht mit einem NOAK behandelt werden sollen, sondern mit einem Vitamin-K-Antagonisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

leider in diesem Monat 3 neutrale oder negative Studien, die Auswirkungen auf die betroffenen Patienten haben.

Ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und bedanke mich fürs Zuschauen und fürs Zuhören.

 

Kommentar

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