Fall: Kenne Sie die Folgen einer exzessiven Supplementierung mit Vitaminen und Mineralien? 

Marie Fahrenhold

Interessenkonflikte

22. August 2022

Ein Patient mittleren Alters aus England wurde von seinem Hausarzt ins Krankenhaus eingewiesen, nachdem er über wiederkehrendes Erbrechen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Beinkrämpfe, Tinnitus, Mundtrockenheit, vermehrten Durst, Durchfall und Gewichtsverlust von fast 13 Kilogramm geklagt hatte. Dies geht aus einem Fallbericht des Diabetologen und Endokrinologen Dr. Alamin Alkundi und Kollegen von der East Kent Hospitals University in Canterbury (UK) hervor.

Eingesetzt hatten diese kurz nach Beginn einer – auf Anraten eines privaten Ernährungsberaters durchgeführten – „Vitamintherapie“ mit einer täglichen Ration von über 20 Nahrungsergänzungsmitteln [1,2,3].

Anamnese

Der Patient gab an, seit etwa 3 Monaten und auf Anraten eines privaten Ernährungsberaters täglich folgende Präparate eingenommen zu haben:

  • Vitamin D 150.000 IE (Tagesbedarf: 400 IE pro Tag)

  • Vitamin K2 100 µg (Tagesbedarf: 100–300 μg)

  • Vitamin C

  • Vitamin B9 (Folsäure) 1000 µg (Tagesbedarf: 400 μg)

  • Vitamin B2 (Riboflavin)

  • Vitamin B6

  • Omega-3 2000 mg zweimal täglich (Tagesbedarf: 200–500 mg)

  • Selen

  • Zinkpicolinat 15 mg (Tagesbedarf: 11 mg)

  • Vitamin B3 50 mg (Tagesbedarf: 16 mg)

  • Super-B12-Komplex 1000 µg

  • 15%ige Lugolsche Lösung-Pillen

  • Borax-Pulver (Natriumtetraborat-Decahydrat)

  • L-Lysin-Pulver 500 µg (Tagesbedarf an L-Lysin: 1000-1500 μg) mit N-Acetyl-Cystein 600 mg (Tagesbedarf: 600-1800 mg)

  • Wobenzym N 400

  • Astaxanthin-Gel 18 mg

  • Magnesiummalat 1000 mg

  • Magnesiumcitrat 1480 mg

  • reines Taurin 1–2 g

  • Glycin-Pulver 1 g

  • Cholin (+ Inositol) 100 mg

  • Kalziumorotat 1000 mg

  • Probiotika

  • Glukosamin- und Chondroitin-Komplex

  • Natriumchlorid

Als die oben genannten Symptome auftraten, setzte der Patient die Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel selbstständig ab – die Symptome blieben aber bestehen.

Klinische Untersuchung

Klinisch imponierten wenige Auffälligkeiten. Er machte einen leicht kachektischen Eindruck mit einer leichten diffusen Druckempfindlichkeit des Abdomens. Die Vitalzeichen waren unauffällig.

Eine Reihe von Bluttests, die vom Hausarzt des Patienten durchgeführt wurden, ergaben erhöhte Serumkalziumwerte (3,9 mmol/l) sowie Kreatinin- und Harnstoffspiegel, die deutlich über der Norm (166 µmol/l, 13,4 mmol/l) lagen. Die Magnesiumserumkonzentration lag bei 1,04 mmol/l, die Vitamin-D-Konzentration bei > 400 nmol/l.

Die bakteriologischen und parasitologischen Untersuchungen des Stuhls ergaben keine positiven Befunde, ebenso die Evaluation der Schild- und Nebenschilddrüse sowie das Zöliakie-Screening. Die morgendlichen Kortisolspiegel waren ebenfalls unauffällig. Mithilfe radiologischer Bildgebungsuntersuchungen (MRT Kopf, PET-Scan, CT von Brust, Abdomen, Becken) wurden maligne Erkrankungen ausgeschlossen, die für die Symptomatik verantwortlich hätten sein könnten.

Diagnose: Vitamin-D-Intoxikation und Hyperkalzämie

Alkundi und Kollegen diagnostizierten bei dem Mann eine Vitamin-D-Intoxikation und Hyperkalzämie infolge der exzessiven Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln. Die tägliche Ration beinhaltete mehr als 20 aktive Substanzen.

Der Patient wurde für 8 Tage stationär aufgenommen und durch eine intravenöse Flüssigkeitstherapie rehydriert. Neben täglichen Blutuntersuchungen, um den Fortschritt der Behandlung zu überwachen, wurde eine orale Bisphosphonattherapie eingeleitet. Nach ausführlichen Beratungsgesprächen wurde er schließlich entlassen mit dem Rat, seine Blutwerte weiterhin regelmäßig kontrollieren zu lassen. Die Therapie mit oralen Bisphosphonaten und Antiemetika hat der Mann auch nach Entlassung aus dem Krankenhaus fortgesetzt.

Zwei Monate nach Entlassung war der Serumkalziumspiegel des Patienten auf 2,6 mmol/l gesunken, während der Vitamin-D-Spiegel mit > 400 nmol/l weiterhin stark erhöht blieb. Er blieb bis zur Normalisierung der Spiegel unter engmaschiger Kontrolle.

Kommentar

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