Chikungunya, Dengue und Co: Klimawandel treibt Verbreitung vieler Infektionskrankheiten voran

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

22. August 2022

Über die Hälfte der bekannten Krankheiten, die von Erregern ausgelöst werden, können durch Extremwetter und Klimaveränderungen verstärkt auftreten. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer  Übersichtsarbeit, die vor wenigen Tagen im Fachjournal Nature Climate Change erschienen ist [1].

Das  Science Media Center  hat Dr. Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg um eine Einordnung und Beurteilung gebeten. Lühken ist Leiter der Arbeitsgruppe Arbovirus-Ökologie, Abteilung Arbovirologie und Entomologie.

Ausbreitung tropischer Erreger

In Deutschland bereitet der Klimawandel Jugendlichen mehr Sorgen als die COVID-19-Pandemie, wie eine aktuell veröffentliche repräsentative Umfrage   des neu gegründeten Liz Mohn Center der Bertelsmann Stiftung ergeben hat. Danach ist der globale Klimawandel vor allem für die Älteren sowie ganz jungen Kinder und Jugendlichen ein Thema: Knapp 48% der 16- bis 18-Jährigen und 46% der 12- bis 13-Jährigen geben an, dass sie sich hier sehr große Sorgen machen.

Die Sorgen wegen des Klimawandels sind berechtigt - nicht zuletzt, weil die globalen Erwärmung auch die weltweite Verbreitung von tropischen Erregern fördert. Die aktuelle   Nature-Publikation von Camilo Mora, University of Hawaiʻi, Mānoa, USA und seinen Kollegen bestätigt die bestehenden Sorgen.

Die systematische Auswertung von 830 Studien zeige einen expliziten Zusammenhang zwischen den durch die Klimaerwärmung beeinflussten Bedingungen – z.B. Temperatur oder Meeresanstieg – und dem Auftreten von Krankheitserregern, erklärt Lühken. Dabei werde eine sehr breite Definition für Krankheitserreger angewendet, die sowohl übertragbare Erreger – wie das West-Nil-Virus durch Stechmücken – als auch nicht übertragbare Erreger umfasse, beispielsweise Allergene von Pflanzen. 

Im Zuge der Klimaerwärmung verschärfe sich das Krankheitsrisiko durch den Großteil (58%) der betrachteten Erreger. Die Studie zeigt dem Wissenschaftler zufolge eindrücklich, dass viele unterschiedliche Übertragungspfade einen Einfluss auf diverse Krankheitserreger hätten. Diese Vielschichtigkeit mache eine gesellschaftliche Anpassung sehr schwierig, so dass die Reduzierung der Treibhausgasemissionen als wichtigste Gegenmaßnahme weiter im Fokus stehen müsse.

Eine große Rolle spielen Vektoren

Generell steigt laut Lühken durch höhere Temperaturen und veränderte Niederschlagsregime insbesondere das Risiko für durch sogenannte Vektoren – also beispielsweise Stechmücken oder Zecken – übertragene Krankheitserreger. Dies sei besorgniserregend, da nur für wenige dieser Erreger zugelassene Impfstoffe existierten. 

Interessanterweise könnten auf dieselben Krankheitserreger dieselben Prozesse jedoch einen unterschiedlichen Einfluss haben, so Lühken weiter. Dürreperioden könnten beispielsweise die Prävalenz von Malaria oder des Chikungunya-Fiebers durch die Verringerung der Brutstätten von Stechmücken reduzieren. Aber in anderen Fällen könne Dürre zu einer erhöhten Dichte an Stechmücken in weniger Brutplätzen führen.

In Deutschland und in Europa werde schon jetzt der Einfluss durch klimawandelbedingte Ereignisse auf Krankheitserreger beobachtet. Auch hier spielten durch Vektoren übertragene Krankheitserreger eine große Rolle. Exotische Stechmückenarten wie die Asiatische Tigermücke etablieren sich laut Lühken in weiten Teilen Europas. Die Asiatische Tigermücke sei insbesondere für Ausbrüche des Chikungunya-Virus und Dengue-Virus im Mittelmeerraum verantwortlich. 

Gleichzeitig breiten sich nach Angaben des Infektiologen durch einheimische Stechmückenarten übertragene Krankheitserreger wie der Hundehautwurm oder das West-Nil-Virus in Europa aus: „Im Hitzesommer 2018 kam es erstmals zu einem Ausbruch des West-Nil-Virus in Deutschland. Seitdem kommt es jährlich zu Krankheitsfällen bei Vögeln, Pferden und Menschen." Die Übertragungswahrscheinlichkeit dieses Virus steige bei zunehmenden Temperaturen.

Wie Lühken zufolge auch die Autoren des Beitrags in der Nature-Zeitschrift hervorheben, sind aggressive Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen notwendig, um die zukünftigen Risiken durch Krankheitserreger zu reduzieren. Zugleich müssten Überwachungssysteme etabliert werden, um Änderungen in der Prävalenz der Krankheitserreger frühzeitig erfassen zu können.

Außerdem müssten schon jetzt Szenarien zur Prävention entwickelt werden – beispielsweise zur Stechmückenbekämpfung. Lühken: „In Zentraleuropa können wir dabei insbesondere von den Ländern im Mittelmeerraum oder des globalen Südens lernen, die schon viele Jahre mit den sich aktuell ausbreitenden Krankheitserregern konfrontiert sind.“

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf  Univadis.de .

 

Kommentar

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