Lehren für eine Marsmission: Nach langen Aufenthalten im Weltraum altern Knochen um bis zu 10 Jahre

Carolyn Crist

Interessenkonflikte

19. August 2022

Neuen Daten zufolge kann ein längerer Weltraumflug die Knochenstruktur dauerhaft schädigen und Teile des Skeletts vorzeitig um bis zu 10 Jahre altern lassen [1].

Speziell angepasste Trainingsprogramme und bestimmte Medikamente könnten Astronauten bei künftigen Weltraummissionen besser schützen, insbesondere bei solchen, die über größere Entfernungen und längere Zeiträume als auf der Internationalen Raumstation (ISS) durchgeführt werden sollen.

 
Wir müssen wissen, ob eine Reise zum Mars, die mehr als 2 Jahre dauern könnte, zu Problemen für die Astronauten führen würde… Dr. Steven Boyd
 

„Da zukünftige Missionen zum Mond und zum Mars geplant sind, könnten wir bald über die typischen 6-monatigen Missionen auf der ISS hinausgehen. Wir müssen wissen, ob eine Reise zum Mars, die mehr als 2 Jahre dauern könnte, zu Problemen für die Astronauten führen würde, wenn sie zur Erde zurückkehren“, sagte der Hauptautor der Studie, Dr. Steven Boyd, Direktor des McCaig Institute for Bone and Joint Health an der Universität von Calgary, Alberta, gegenüber Medscape.

„Aber das Interesse an der Knochenerholung gilt nicht nur den Astronauten. Diese Daten zeigen auch Potenzial für das Knochenwachstum, was wiederum Auswirkungen auf Menschen mit Osteoporose hat“, fügte er hinzu. „Das Ausmaß der – wenn auch nicht vollständigen – Erholung bei diesen Astronauten ist beeindruckend und zeigt, was möglich wäre, wenn wir die 'perfekte' Therapie entwickeln könnten.“ Die Studie wurde am 30. Juni in Scientific Reports veröffentlicht.

 
Diese Daten zeigen auch Potenzial für das Knochenwachstum, was wiederum Auswirkungen auf Menschen mit Osteoporose hat. Dr. Steven Boyd
 

 

Langsame Erholung der Knochen

Zum Hintergrund: Im Weltraum kann die geringere mechanische Belastung in der Mikrogravitation zu einem erheblichen Verlust an Knochenmineraldichte und -festigkeit sowie zu einer Verschlechterung der trabekulären Mikroarchitektur führen. Die Erholung der Knochen nach der Rückkehr in die Schwerkraft der Erde nehme einige Zeit in Anspruch, schreiben die Autoren der Studie. Allerdings hätten sich die Knochen vieler Astronauten nach einer Mission nie vollständig erholt.

Boyd und Kollegen untersuchten die Knochenstärke, Knochendichte und Knochenmikroarchitektur von 17 Astronauten aus den Vereinigten Staaten, aus Kanada, Europa und Japan, darunter 14 Männer und 3 Frauen. Die Astronauten, deren Durchschnittsalter beim Start 47 Jahre betrug, hielten sich zwischen 4 und 7 Monaten auf der ISS auf. Für 14 Astronauten war es der erste Langzeitflug von mehr als 3 Monaten Dauer.

Mit Hilfe von hochauflösender peripherer Computertomographie nahmen die Forscher Bilder des Schienbeins und der Speiche vor dem Weltraumflug, bei der Rückkehr zur Erde und nach einer Erholungsphase von 6 Monaten und 1 Jahr auf.

Das Forschungsteam untersuchte auch Biomarker für den Knochenumsatz, um festzustellen, ob bei manchen Menschen ein höheres Risiko für eine unvollständige Knochenerholung besteht – was dazu beitragen könnte, die Durchführbarkeit künftiger Missionen jenseits der erdnahen Umlaufbahn zu bestimmen.

Ein Jahr nach dem Weltraumflug waren die mediane Knochenstärke des Schienbeins der Astronauten, die Knochendichte der kortikalen und trabekulären Knochen sowie der trabekuläre Knochenvolumenanteil und die Dicke im Vergleich zu den Messungen vor dem Flug um 0,9% bis 2,1% geringer.

Astronauten auf Weltraummissionen von mehr als 6 Monaten Dauer wiesen eine schlechtere Knochenerholung auf. So erholte sich die Bruchlast des Schienbeins bei Astronauten auf Missionen, die 6 oder weniger Monate dauerten, bis zur 12-Monats-Marke nach dem Flug. Bei denjenigen, die länger im Einsatz waren, war die Belastung des Schienbeins jedoch immer noch um 3,9% geringer.

Ähnliche Unterschiede wurden bei der gesamten, trabekulären und kortikalen Knochenmineraldichte festgestellt. Die Astronauten mit unvollständiger Erholung wiesen auch höhere Biomarker für den Knochenumsatz auf.

Vorbereitung auf längere Flüge

Bei 9 von 17 Astronauten erholte sich die Knochenmineraldichte des Schienbeins nach 12 Monaten nicht vollständig. Die unvollständige Erholung des gewichtstragenden Schienbeins war vergleichbar mit einem altersbedingten Knochenverlust von 10 Jahren oder mehr auf der Erde.

„Dies hat uns dazu veranlasst, zu untersuchen, ob längere Flüge (ein Jahr oder mehr Jahre) zu einem noch stärkeren Knochenabbau führen oder ob es möglich ist, dass das menschliche Skelett eine neue Homöostase entwickelt“, so Boyd. „Wenn ja, dann ist das eine gute Nachricht für Langzeitflüge zum Mars, wenn nicht, dann gibt es Grund zur Sorge und es müssen bessere Gegenmaßnahmen für Astronauten entwickelt werden.“

Die NASA hat eine neue Studie CIPHER (Complement of Integrated Protocols for Human Exploration Research) aufgelegt, um verschiedene Bereiche der menschlichen Gesundheit bis zu 12 Monate im Weltraum zu untersuchen. Boyd hofft, dass die Forschung Aufschluss darüber geben wird, ob sich der Körper während dieser Zeit stabilisiert und ob die Knochen weiterhin durch die Schwerelosigkeit beeinträchtigt werden.

„Eine große Herausforderung in der Weltraumforschung besteht darin, dass es lange dauert, bis genügend Astronauten entsprechende Messungen absolviert haben, weil wir normalerweise nicht allzu viele Flüge pro Jahr durchführen“, so Boyd. „Das wird sich ändern, wenn die kommerziellen Flüge häufiger werden.“

Die Forscher interessieren sich auch für Messungen an verschiedenen Knochenstellen. In dieser Studie untersuchten Boyd und Kollegen gewichtstragende Knochen der Beine und nicht gewichtstragende Knochen der Arme. Die Ergebnisse zeigten, dass das Handgelenk weniger betroffen war als der Knöchel, was darauf hindeuten könnte, dass die Auswirkungen der Mikrogravitation auf Knochen, die auf der Erde normalerweise Gewicht tragen, größer sind.

Lehren für Patienten auf der Erde

„Diese Studie ist die erste, die unsere Bedenken in Bezug auf die Raumfahrt, insbesondere bei längerer Dauer, bestätigt, was die Knochengesundheit betrifft“, sagte Dr. Angela Cheung, eine leitende Wissenschaftlerin am Toronto General Hospital Research Institute und am Schroeder Arthritis Institute in Ontario, gegenüber Medscape.

Cheung, der nicht an dieser Studie beteiligt war, war Mitglied der NASA-Arbeitsgruppe, die die Grenzwerte für die Skelettgesundheit von Astronauten in der Raumfahrt festgelegt hatte.

 
Diese Studie ist die erste, die unsere Bedenken in Bezug auf die Raumfahrt, insbesondere bei längerer Dauer, bestätigt, was die Knochengesundheit betrifft. Dr. Angela Cheung
 

„Diese Studie hat auch Auswirkungen auf die Menschen auf der Erde. Da wir immer mehr sitzende Tätigkeiten ausüben und virtuelle Meetings vor dem Computer abhalten, wird sich der Effekt der geringeren Gewichtsbelastung auf unsere Knochengesundheit auswirken“, sagte sie. „Die Mikrogravitation im Weltraum ist nur das Extrem. Das kann gesunden und sehr fitten Männern und Frauen passieren, also kann es jeden treffen.“

Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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