Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 18. August 2022
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 314,2 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 17. August lag der Wert noch bei 311,8.
Unsere Themen heute:
STIKO: Viertimpfung jetzt doch ab 60
Großbritannien genehmigt Omikron-Variantenvakzin von Moderna
BA.2.75: Neue Corona-Linie wirft viele Fragen auf
COVID-19: Therapien fördern die Entstehung neuer Varianten
BMG: Das RKI soll Betrüger bei Coronatests aufspüren
Paxlovid®: Größere Mengen drohen zu verfallen – was bringt das ärztliche Dispensierrecht?
Günstiger Corona-Infektionsschutz? BCG als Alternative gegen Varianten
STIKO: Viertimpfung jetzt doch ab 60
(Aktualisiert am Donnerstag 17.30 Uhr) Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter derzeit mehr als die Frage, wer im Herbst eine Viertimpfung bekommen sollte. Am späten Donnerstag Nachmittag legte die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut nun nach und empfiehlt einen 2. Booster schon für Menschen ab 60 Jahren.
Außerdem sollten Menschen in dieser Altersgruppe und im Alter ab fünf Jahren mit einem erhöhten Risiko für schwere Covid-19-Verläufe infolge einer Grunderkrankung einen weiteren Booster erhalten, hieß es in einer Mitteilung des Gremiums zur Aktualisierung der Impfempfehlung.
Die Bedingung für eine Drittimpfung: Die letzte Impfung oder Coronainfektion sollte mindestens 6 Monate zurückliegen. Nur in begründeten Einzelfällen könne der Abstand auf 4 Monate reduziert werden, so die STIKO. Die Ausweitung der Altersgruppe deckt sich mit Empfehlungen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).
Vorzugsweise solle der Booster mit einem mRNA-Impfstoff erfolgen, nach "drei immunologischen Ereignissen" - etwa nach Grundimmunisierung und erster Auffrischimpfung oder Grundimmunisierung und einer Sars-CoV-2-Infektion.
Großbritannien genehmigt Omikron-Variantenvakzin von Moderna
Moderna informiert in einer Pressemeldung, dass die britische Regulierungsbehörde für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency, MHRA) eine bedingte Zulassung für den bivalenten COVID-19-Booster-Impfstoff mRNA-1273.214 (Spikevax Bivalent Original/Omikron) erteilt hat. Das Vakzin soll bei Personen ab 18 Jahren als Booster zum Einsatz kommen. Es enthält eine mRNA gegen die Omikron-Variante BA.1 und gegen den Wildtyp.
Die Entscheidung basiert auf klinischen Daten aus einer Phase-2/3-Studie, in der mRNA-1273.214 alle primären Endpunkte erreichte, einschließlich einer überlegenen neutralisierenden Antikörperreaktion gegen Omikron (BA.1) im Vergleich zu einer 50-µg-Booster-Dosis von mRNA-1273 bei seronegativen Probanden.
Eine Booster-Dosis von mRNA-1273.214 erhöhte die neutralisierenden geometrischen mittleren Titer (GMT) gegen Omikron etwa um das 8-Fache über den Ausgangswerten. Darüber hinaus löste mRNA-1273.214 im Vergleich zum derzeit zugelassenen Booster von Moderna (mRNA-1273) starke neutralisierende Antikörperreaktionen gegen die Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 aus, und zwar unabhängig vom vorherigen Infektionsstatus oder Alter.
BA.2.75: Neue Corona-Linie wirft viele Fragen auf
Seit Juli beobachten Forscher die Sublinie BA.2.75 („Centaurus“). Das RKI hat bislang keine Fälle aus Deutschland erfasst. „Es ist durchaus möglich, dass BA.2.75 eine global erfolgreiche Variante wird, es ist aber zu früh, dies mit Sicherheit zu sagen“, erklärte Prof. Dr. Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel.
Neue Daten wurden jetzt als Preprint veröffentlicht. Die Forscher finden im Vergleich zur BA.2-Variante „alarmierende 9 zusätzliche Mutationen in ihrem Spike (S)-Protein“. Aber die neue Sublinie hat eine geringere Immunflucht als die derzeit zirkulierenden BA.4/5-Sublinie. Bei geimpften Personen war die neutralisierende Aktivität der Antikörper jedoch geringer als bei SARS-CoV-2 mit der Mutation D614G (ab der Variante B.1). Alles in allem sind nach der Studie viele Fragen offen, vor allem zur klinischen Relevanz von BA.2.75: Ändern sich die Morbidität und die Mortalität?
COVID-19: Therapien fördern die Entstehung neuer Varianten
Langanhaltende SARS-CoV-2-Infektionen – nicht mit Long-COVID zu verwechseln – treten vor allem bei immungeschwächten Patienten auf. Forscher des Leibniz-Instituts für Virologie haben im Rahmen einer Studie die genomische Vielfalt von SARS-CoV-2 bei 14 Patienten untersucht. Darunter waren immungeschwächte und immunkompetente Personen mit oder ohne antivirale Behandlung. Ihre virale Persistenz schwankte zwischen 30 und 146 Tagen.
„Insgesamt war das Virus in den allermeisten untersuchten Personen erstaunlich stabil“, sagt Prof. Dr. Adam Grundhoff vom Leibniz-Instituts für Virologie. „Allerdings konnten wir in einer Patientin, die mit Remdesivir behandelt wurde, beobachten, dass es unmittelbar nach Behandlungsbeginn zur Bildung einer hohen Anzahl von Mutationen kam – darunter auch mindestens eine Mutation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erhöhte Resistenz gegenüber Remdesivir vermittelt.“
Die Forschenden weisen darauf hin, dass nicht die Infektionsdauer entscheidend sei. Als deutlich wichtiger sei der „evolutionäre Flaschenhals“ der Pharmakotherapie. Ihre Arbeit verstehen sie auch als Warnung angesichts der mit Remdesivir behandelten hospitalisierten Hochrisiko-Patienten.
BMG: Das RKI soll Betrüger bei Coronatests aufspüren
Nicht nur Impfungen gehören zu den wesentlichen Säulen der Pandemie-Kontrolle, sondern auch Bürgertests. Der Aufschrei war groß, als mehrere Betrugsfälle aufgeflogen sind. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) übernahm das Problem fehlender Kontrollen von seinem Vorgänger Jens Spahn (CDU). Lauterbachs Plan war, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) einzubinden – nur weigerten sich Ärztevertreter standhaft, die Aufgabe zu übernehmen.
Der Minister plante daraufhin, das RKI einzubinden. Immerhin ist die Behörde weisungsgebunden, so die gute Nachricht. Ihr fehlen jedoch die Expertise und die technischen Voraussetzungen, um Betrügern auf die Schliche zu kommen. Bekanntlich arbeitet das RKI am Thema Seuchenbekämpfung, ist jedoch keine "Finanzpolizei". Zusätzliche Gelder für das Institut hat Lauterbach derzeit nicht eingeplant.
Der Minister wiederum argumentiert im Referentenentwurf, das RKI solle Abrechnungsdaten analysieren, um statistische Ausreißer zu identifizieren. Gebe es Unregelmäßigkeiten, seien die örtlichen Gesundheitsämter und die Kassenärztliche Vereinigung zu informieren.
Paxlovid®: Größere Mengen drohen zu verfallen – was bringt das ärztliche Dispensierrecht?
Bislang verordnen Ärzte zu selten Paxlovid®. Medien berichten jetzt, dass zirka 280.000 Packungen bis Februar 2023 verfallen. Die Regierung hatte im Februar 2022 größere Mengen erworben. Laut BMG müssten die Präparate dann entsorgt werden. Eine Verlängerung der Haltbarkeit werde geprüft, heißt es weiter.
Damit geben sich Gesundheitspolitiker nicht zufrieden. Lauterbach kann sich ein befristetes Dispensierrecht für Ärzte vorstellen, damit sie Patienten noch in der Praxis versorgen. Kritik kommt von der Apothekerschaft. Nicht die Verfügbarkeit und Abgabe sei das Problem, sondern die „fehlende Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte (aus welchen Gründen auch immer), diese Arzneimittel zu verschreiben“, schreibt die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
Günstiger Corona-Infektionsschutz? BCG als Alternative gegen Varianten
Forscher des Massachusetts General Hospital (MGH) haben herausgefunden, dass mehrerer Dosen des alten Bacillus-Calmette-Guerin (BCG)-Impfstoffs Risikopatienten auch gegen COVID-19 schützt.
Die 144 erwachsenen Typ-1-Diabetiker (96 mit BGC und 48 mit Placebo behandelt) waren Teil einer laufenden klinischen Phase-2b-Studie, in der BCG-Impfstoff als Behandlung für Erwachsene mit etabliertem Typ-1-Diabetes getestet wurde. Sie wurden 15 Monate lang hinsichtlich COVID-19-bezogener Ergebnisse nachbeobachtet.
Zu den Ergebnissen der COVID-19-Studie gehörten die COVID-19-Infektionsrate, COVID-19-bezogene Symptome, Reduzierung der Gesamtinfektionskrankheit und Vorhandensein und Intensität der SARS-CoV-2-Antikörperkonzentration.
Es zeigte sich, dass 12,5% der mit Placebo behandelten Personen und 1% der BCG-Gruppe an COVID-19 erkrankten. Daraus errechneten die Autoren eine Impfstoffwirksamkeit von 92%.
„Der breit angelegte Infektionsschutz von BCG legt nahe, dass es neben COVID-19 möglicherweise einen Schutz vor neuen SARS-CoV-2-Varianten und anderen Krankheitserregern bietet“, schreiben die Autoren. Genau hier sehen sie mögliches Potenzial für die Anwendung.
Zum Hintergrund: BCG gilt als äußerst sicher, steht auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation und wird jährlich weltweit etwa 100 Millionen Kindern verabreicht. Das Vakzin kostet in vielen Teilen der Welt weniger als 1 Dollar pro Dosis.
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Credits:
Photographer: © Wachiwit
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: STIKO: Viertimpfung jetzt doch ab 60; UK lässt Omikron-Variantenvakzin zu; Paxlovid® verfällt; erste Bewertungen der Sublinie BA.2.75 - Medscape - 18. Aug 2022.
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