Sonnencreme ein Umweltgift? Experten fordern Risikobewertung von UV-Filtern für Gewässer und die menschliche Gesundheit

Kathleen Doheny

Interessenkonflikte

16. August 2022

Die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) sollte eine ökologische Risikobewertung der in Sonnenschutzmitteln enthaltenen UV-Filter durchführen, um deren Auswirkungen auf Gewässer und auf die menschliche Gesundheit zu verstehen, fordert ein Expertengremium der National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (NAS).

Die Bewertung sei dringend erforderlich, so die Experten, und die Ergebnisse sollten der US Food and Drug Administration (FDA), die die Sonnenschutzmittel überwacht, mitgeteilt werden. Dies wird es ermöglichen, Entscheidungen über die Verwendung der Produkte zu treffen. Die Risiken für Wasserlebewesen müssen gegen die Notwendigkeit des Sonnenschutzes zur Verringerung des Hautkrebsrisikos abgewogen werden.

Gleichgewicht zwischen intakten Gewässern und menschlicher Gesundheit

Seit Jahren werden Bedenken hinsichtlich der potenziellen Toxizität von Sonnenschutzmitteln für viele Meeres- und Süßwasserorganismen, insbesondere Korallen, geäußert. Diese Bedenken müssen jedoch gegen die Vorteile von Sonnenschutzmitteln abgewogen werden, die bekanntermaßen vor Hautkrebs schützen.

 
Nur etwa ein Drittel der US-Bevölkerung verwendet regelmäßig Sonnenschutzmittel. Dr. Mark Cullen
 

In seinem 400-seitigen Bericht mit dem Titel „Überprüfung von Verbleib, Exposition und Wirkung von Sonnenschutzmitteln in Gewässern und Auswirkungen von Sonnenschutzmitteln auf die menschliche Gesundheit“ gibt das Gremium zwar noch keine Empfehlungen ab, bereitet aber „die entscheidenden Informationen vor, mit denen wir uns der Herausforderung der Risikobewertung stellen“, sagte Dr. Charles A. Menzie, Vorsitzender des Ausschusses. Den Bericht hatte er bei einer Pressekonferenz anlässlich der Veröffentlichung vorgestellt.

Eine EPA-Risiko-Bewertung, so Menzie, würde dazu beitragen, die Auswirkungen von UV-Filtern auf die Umwelt zu verstehen und einen Weg für den Umgang mit Sonnenschutzmitteln aufzuzeigen.

„Nur etwa ein Drittel der US-Bevölkerung verwendet regelmäßig Sonnenschutzmittel“, sagte Dr. Mark Cullen, stellvertretender Vorsitzender des NAS-Ausschusses und ehemaliger Direktor des Center for Population Health Sciences an der Stanford University. Er sprach ebenfalls auf der Informationsveranstaltung. Zwischen 70% und 80% der Menschen verwenden sie am Strand oder im Freien, sagte er.

Hintergrund

UV-Filter sind die Wirkstoffe in physikalischen wie auch in chemischen Sonnenschutzmitteln. Sie verringern die Menge der UV-Strahlung, die die Haut erreicht. Sie wurden in Wasser, Sedimenten und Meeresorganismen gefunden, sowohl in Salzwasser als auch in Süßwasser.

Derzeit werden in den USA 17 UV-Filter in Sonnenschutzmitteln verwendet:

  • 15 davon sind organisch, wie Oxybenzon und Avobenzon, und werden in chemischen Sonnenschutzmitteln eingesetzt. Sie absorbieren die Strahlen, bevor sie die Haut schädigen.

  • Darüber hinaus gibt es 2 anorganische Filter, die in physikalischen Sonnenschutzmitteln verwendet werden und sich auf die Haut setzen und als Schutzschild die Strahlen abblocken.

UV-Filter gelangen durch direkte Freisetzung in die Gewässer, z.B. wenn Sonnenschutzmittel beim Schwimmen oder bei anderen Wasseraktivitäten von den Menschen abgespült werden. Sie gelangen auch über Regenwasser und Abwasser in die Gewässer.

Toxizitätstests im Labor, die am häufigsten verwendet werden, liefern Daten zur Wirkung für die ökologische Risikobewertung. Die Tests werden eher für die Untersuchung der kurzfristigen als der langfristigen Exposition verwendet. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass einige UV-Filter in ausreichend hohen Konzentrationen für Algen, für wirbellose Arten und für Fische giftig sein können.

Es fehlen jedoch viele Informationen, so die Experten. So sind beispielsweise die Daten zur Toxizität für viele Arten begrenzt. Es gibt auch nur wenige Studien über die längerfristigen Umweltauswirkungen der UV-Filter. Über die Geschwindigkeit, mit der sich die Filter in der Umwelt abbauen, ist nicht genug bekannt. Die Filter reichern sich in verschiedenen Gebieten in höheren Mengen an. Erholungsgebiete weisen höhere Konzentrationen auf.

Die Empfehlungen der Experten

Das Gremium fordert die EPA auf, eine formelle Risikobewertung der UV-Filter „mit einer gewissen Dringlichkeit“ durchzuführen, so Cullen.

Die Experten gaben 2 Empfehlungen ab:

  • Die EPA sollte ökologische Risikobewertungen für alle derzeit auf dem Markt befindlichen UV-Filter und für alle neuen Filter durchführen. Dabei sollten sowohl die einzelnen Filter als auch das Risiko, das von gemeinsam verwendeten Filtern ausgeht, bewertet werden. Bei den Bewertungen sollten die verschiedenen Expositionsszenarien berücksichtigt werden.

  • Die EPA sollte zusammen mit Partnerbehörden und Herstellern von Sonnenschutzmitteln und UV-Filtern Forschungen finanzieren, unterstützen und durchführen sowie Daten austauschen. Die Forschung sollte auch die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit untersuchen, wenn sich die Verwendung und Verfügbarkeit von Sonnenschutzmitteln ändert.

Dermatologen sollten „weiterhin die Bedeutung des Schutzes vor UV-Strahlung auf jede erdenkliche Weise betonen“, so Cullen, einschließlich der Verwendung von Sonnenschutzmitteln sowie anderer Schutzmaßnahmen wie das Tragen langärmliger Kleidung und Hüte, der Aufenthalt im Schatten und das Vermeiden von Sonne in der Zeit der intensivsten Strahlung.

Die Sichtweise eines Dermatologen

„Ich begrüße die wissenschaftliche Neugier der Autoren herauszufinden, ob es sich um ein Problem handelt oder nicht“, sagte Prof. Dr. Adam Friedman, Professor für Dermatologie an der George Washington University in Washington, DC. „Ich begrüße diese Untersuchung."

 
Es ist sehr einfach, Sonnenschutzmittel zu verteufeln – aber die Fakten, die wir kennen, sind, dass UV-Licht Hautkrebs und Hautalterung verursacht, und Sonnenschutzmittel schützen uns davor. Prof. Dr. Adam Friedman
 

Die zahlreichen Studien, so Friedman, seien sich nicht immer einig darüber, ob die Filter eine Gefahr darstellen. Er wies darauf hin, dass die im Wasser nachgewiesene Konzentration von UV-Filtern häufig niedriger ist als die Konzentrationen, die sich in Laborversuchen als schädlich für Meereslebewesen, insbesondere für Korallen, erwiesen haben.

Diese Studien „sind jedoch nur Momentaufnahmen“, sagte er. Aus diesem Grund sei die Forderung nach einer umfassenderen Risikobewertung wünschenswert, so Friedman, aber „ich möchte sicher sein, dass die Forderung nach mehr Forschung kein Schuldeingeständnis ist. Es ist sehr einfach, Sonnenschutzmittel zu verteufeln – aber die Fakten, die wir kennen, sind, dass UV-Licht Hautkrebs und Hautalterung verursacht, und Sonnenschutzmittel schützen uns davor.“

Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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