Im Onko-Blog dieser Woche geht es um das Thema Lungenkrebs, der die Nr. 1. unter den krebsbedingten Todesursachen weltweit ist. Wir berichten über einige interessante Studien, die bei der World Conference on Lung Cancer vom 6. bis 9. August in Wien vorgestellt worden sind [1]. Dieser jährlich statt findende Kongress wird von der International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) ausgerichtet.
NSCLC Stadium IA: Sublobare Resektion einer Lobektomie nicht unterlegen
Reseziertes NSCLC: Adjuvantes Atezolizumab verlängert OS im Trend
NSCLC Stadium IIIA: Neoadjuvante Chemoimmuntherapie verlängert PFS und OS
Nicht operables Stadium-III-NSCLC: Sugemalimab als Konsolidierungstherapie
Lungenkrebs: Jüngere Patienten in späteren Stadien diagnostiziert
Luftverschmutzung als Auslöser von Lungenkrebs
NSCLC Stadium IA: Sublobare Resektion einer Lobektomie nicht unterlegen
Bei Patienten mit peripheren Tumoren ≤ 2 cm ist eine sublobare Resektion einer Lobektomie im primären Endpunkt krankheitsfreies Überleben (DFS) und im sekundären Endpunkt Gesamtüberleben (OS) nicht unterlegen. Dies ergab die multizentrische internationale Nichtunterlegenheitsstudie Alliance (CALGB140503) (Abstract 3051). Zusammen mit den Ergebnissen der JCOG-0802-Studie etablieren diese Daten die subpolare Resektion als Behandlungsstandard für Patienten mit peripherem cT1aN0-NSCLC (≤ 2 cm) ohne Metastasen.
In die Phase-3-Studie wurden zwischen Juni 2007 und März 2017 Patienten mit NSCLC im klinischen Stadium 1A aufgenommen. 697 Patienten wurden randomisiert entweder lobar (n = 357) oder sublobar (340 Patienten) reseziert. Bei 80% aller Resektionen wurden minimalinvasive Ansätze wie die videoassistierte Thorakoskopie verwendet.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 7 Jahren waren krankheitsfreies und Gesamtüberleben in der Gruppe mit subpolarer Resektion im Vergleich zu lobarer Resektion nicht unterlegen. Das 5-Jahres-DFS betrug 63,6% bzw. 64,1%, das 5-Jahres-OS 80,3% vs. 78,95%.
Bei etwa 30% der Patienten kam es zum Rezidiv ohne Unterschiede zwischen den beiden Armen in der Häufigkeit der Lokalisation.
Reseziertes NSCLC: Adjuvantes Atezolizumab verlängert OS im Trend
Patienten mit reseziertem NSCLC zeigten im Trend ein besseres Überleben bei adjuvanter Therapie mit dem PD-L1-Hemmer Atezolizumab im Vergleich zu Best Supportive Care (BSC). Dies ergab eine Interimsanalyse der Phase-3-Studie IMpower010 (Abstract 2332).
In der randomisierten multizentrischen offenen Phase-3-Studie waren je 495 Patienten mit komplett reseziertem NSCLC des Stadiums IB bis III nach 1-4 Zyklen adjuvanter Platin-basierter Chemotherapie adjuvant mit Atezolizumab oder BSC weiter behandelt worden. Nach einem medianen Follow-Up von 32,2 Monaten hatte Atezolizumab in den Stadien II-IIIA das PFS im Vergleich zu BSC signifikant verlängert ( Lancet 2021 ).
Eine Zwischenanalyse der Daten zum Gesamtüberleben nach einem Follow-Up von 45 Monaten im Median zeigte nun einen Trend zum besseren Gesamtüberleben mit Atezolizumab in der Population mit PD-L1-Expression > 1% in den Stadien II bis IIIA (Hazard Ratio: 0,71). Am deutlichsten verlängerte Atezolizumab das OS bei Patienten im Stadium II-IIIA mit einer PD-L1-Expresssion ≥ 50 % (HR: 0,43).
Die OS-Daten sind derzeit noch nicht reif, die Studie läuft bis zur finalen Analyse des OS und des krankheitsfreien Überlebens weiter.
NSCLC Stadium IIIA: Neoadjuvante Chemoimmuntherapie verlängert PFS und OS
Eine neoadjuvante Chemo-Immuntherapie erwies sich nach den Ergebnissen der offenen, randomisierten, multizentrischen spanischen Phase-2-Stude NADIM II bei Patienten mit resezierbarem NSCLC im Stadium IIIA als hochwirksam (Abstract 1988).
In der NADIM-II-Studie erhielten Patienten mit NSCLC im Stadium IIIA ohne EGFR/ALK-Veränderungen randomisiert neoadjuvant Nivolumab plus Paclitaxel/Carboplatin oder nur die Chemotherapie.
Patienten mit R0-Resektion erhielten innerhalb der 3. bis 8. Woche nach der Operation adjuvant Nivolumab (480 mg alle 4 Wochen) über 6 Monate.
Primärer Endpunkt war das vollständige pathologische Ansprechen (PCR), sekundäre Endpunkte waren u.a. progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS).
Die pCR-Rate war bei zusätzlicher Gabe von Nivolumab mit 36,2% versus 6,8% signifikant besser. Sie erwies sich als prädiktiv für das PFS und das OS.
Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 21,9 Monate. Das PFS war nach 12 Monaten mit 89,3% vs 60,7% (p = 0,001) und nach 24 Monaten mit 66,6% vs 42,3% (p = 0,012) mit Nivolumab signifikant besser. Dasselbe galt für den Effekt auf das OS. Nach 12 Monaten überlebten mit Nivolumab 98,2% vs. 82,1% (p= 0,007) und nach 24 Monaten 84,7% vs. 63,4% (p=0,014) der Patienten.
„NADIM II ist die erste klinische Studie mit einer neoadjuvanten Immun-Chemotherapie beim resezierbarem NSCLC im Stadium IIIA, die ein verbessertes OS gezeigt hat“, so das Fazit der Autoren.
Nicht operables Stadium-III-NSCLC: Sugemalimab als Konsolidierungstherapie
Der in China entwickelte PD-L1-Inhibitor Sugemalimab kann bei Patienten mit inoperablem NSCLC im Stadium III nach gleichzeitiger oder sequenzieller Chemoradiotherapie das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu Placebo signifikant verlängern. Dies ergab die finale PFS-Analyse der noch laufenden Phase-3-Studie GEMSTONE-301 (Abstract 968).
Bei rund 30% der Patienten mit NSCLC liegt ein meist nicht resezierbarer Tumor im Stadium III vor. Eine gleichzeitige Radio- und Chemotherapie (cCRT) gefolgt von einer Immuntherapie ist derzeit Therapiestandard. Weil ein Teil der Patienten die cCRT nicht verträgt, erhält er die Radio- und Chemotherapie sequenziert (sCRT). GEMSTONE-301 ist die erste Phase-3-Studie, in der eine Immuntherapie zur Konsolidierung bei cCRT und bei sCRT untersucht wurde.
Zwischen Oktober 2018 und Dezember 2020 erhielten 255 Patienten zusätzlich Sugemalimab und 126 Placebo. Eine Zwischenanalyse, publiziert in Lancet Oncology , hatte nach einem Follow-Up von ca. 14 Monaten im Median bereits eine signifikante Verbesserung des primären Endpunkts PFS gezeigt. In Wien präsentierte die chinesische Arbeitsgruppe nun die finalen Daten zum progressionsfreien Überleben.
Nach einem medianen Follow-Up von 27,1 Monaten in der Verum- und 23,5 Monaten in der Placebo-Gruppe betrug das PFS mit Sugemalimab 10,5 Monate, mit Placebo 6,2 Monate (Hazard Ratio: 0,65; p = 0,0012). Die PFS-Raten nach 24 und 36 Monaten lagen in der Sugemalimab-Gruppe bei 38,6% und 26,1%, in der Placebo-Gruppe bei 23,1% und 0%.
Das PFS besserte sich sowohl bei sCRT (HR: 0,57; mPFS: 8,1 vs. 4,1 Monate) als auch bei cCRT (HR: 0,71; mPFS: 15,7 vs. 8,3 Monate).
Das mediane Gesamtüberleben wurde mit Sugemalimab im Vergleich zu 25,9 Monaten mit Placebo noch nicht erreicht.
Nebenwirkungen vom Schweregrad von mindestens 3 traten bei 11,4% in der Sugemalimab-Gruppe und bei 5,6% unter Placebo auf.
Lungenkrebs: Jüngere Patienten in späteren Stadien diagnostiziert
Lungenkrebs wird bei jüngeren Patienten eher in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert, bei denen nach derzeitigen Empfehlungen kein Screening durchgeführt wird (Abstract 2534). Die amerikanischen Autoren empfehlen daher, Strategien für die Frühdiagnose von Lungenkrebs bei jüngeren Patienten zu entwickeln, bei denen noch nicht regelmäßig gescreent werden.
In den USA wird ein Screening auf Lungenkrebs bei Hochrisiko-Personen im Alter ab 50 Jahren empfohlen. In der letzten Dekade konnte damit bei Personen über 50 Jahren die Erkrankung in früheren Stadien erkannt werden.
Die amerikanischen Forscher analysierten Daten von Patienten mit NSCLC im Alter von 20-79 Jahren aus der United States Cancer Statistics Database und der National Cancer Database (NCDB). Zwischen 2010 und 2018 wurden in den USA schätzungsweise 1.328 Lungenkrebsfälle bei Personen im Alter von 20 bis 29 Jahren, 5.682 Fälle im Alter zwischen 30 und 39 Jahren und 39.323 Fälle im zwischen 40-49 Jahren diagnostiziert.
Während bei den jungen Patienten zwischen 20 und 29 Jahren in über 75% der Fälle bereits ein Stadium IV vorlag, war dies bei den 70- bis 79-Jährigen nur in 40% der Fall.
Der Anteil der Stadium-IV-Erkrankungen hat sich bei den Patienten unter 50 Jahren zwischen 2010 und 2018 nicht verändert, während er bei Patienten über 50 Jahren deutlich abnahm. Die deutliche Verschiebung hin zu früheren Krankheitsstadien dürfte vermutlich auf das Lungenkrebs-Screening zurückzuführen sein.
Luftverschmutzung als Auslöser von Lungenkrebs
Bei Frauen, die an Lungenkrebs erkranken, ist der Anteil der Nie-Raucherinnen höher als bei Männern. Zunehmend verdichten sich die Hinweise, dass die Luftverschmutzung ein wichtiger Risikofaktor für die Erkrankung ist, so eine Studie aus Vancouver (Abstract 2268).
Im Jahr 2013 ordnete die International Agency of Research on Cancer eine Luftverschmutzung im Freien und Feinstaub von 2,5 µg/m³ (PM 2,5) in der Außenluft als krebserregend für den Menschen ein. Es kann jedoch 15 bis 20 Jahre dauern, bis sich die Auswirkungen der Luftverschmutzung in der Inzidenzrate eines Lungenkarzinoms niederschlagen.
Die Arbeitsgruppe aus Kanada untersuchte den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Lungenkrebsdiagnose. Hierzu verglich sie die kumulative Dreijahres- mit der 20-jährigen Belastung bei Frauen mit neu diagnostiziertem Lungenkrebs, die nie geraucht hatten.
Von den 236 Frauen mit Lungenkrebs, die nie geraucht hatten, waren 190 (83,3%) im Ausland geboren; 71% waren Asiaten. Sie hatten durchschnittlich 37,3 Jahre im Ausland gelebt.
Bei den im Ausland geborenen Kanadierinnen hatten nur 4/190 (2%) eine kumulative 3-Jahres-PM2,5-Belastung von >10 µg/m³, während 38/190 (20%) eine kumulative 20-Jahres-PM2,5-Belastung von >10 µg/m³aufwiesen (p < 0,0001). Alle hatten eine PM2,5-Exposition von mehr als 5 µg/m³.
Die kumulative PM2,5-Belastung vor der Lungenkrebsdiagnose wird bei einer kürzeren Bewertung (3 Jahre) deutlich unterschätzt, insbesondere bei im Ausland geborenen Kanadiern.
Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, die langfristige kumulative Exposition gegenüber Luftschadstoffen in die Bewertung des individuellen Lungenkrebsrisikos in Kombination mit den traditionellen Risikofaktoren einzubeziehen. Außerdem muss beachtet werden, dass heutzutage viele Menschen ihre Wohnorte häufig wechseln. Insgesamt ist es also recht kompliziert, eine Assoziation zwischen Luftverschmutzung und Lungenkrebs-Risiko nachzuweisen.
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Diesen Artikel so zitieren: World Conference on Lung Cancer: Neues zur operativen, neoadjuvanten und adjuvanten Therapie von Lungenkrebs - Medscape - 16. Aug 2022.
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