Eine große Längsschnittstudie ermöglicht, zwischen einem Post-COVID-19-Syndrom und vorbestehenden Beschwerden zu unterscheiden [1]. Danach hat jeder 8. Patient nach mindestens 3 Monaten noch Symptome, die durch COVID-19 getriggert werden, entweder neue, oder bereits bekannte. Zu den COVID-19-spezifischen anhaltenden Beschwerden gehören Kribbeln in den Gliedmaßen und Brustschmerzen, Kopfschmerzen dagegen eher nicht.
Vergleichsweise rasch nach Beginn der COVID-19-Pandemie wurde klar, dass ein Teil der Patienten COVID-19-Symptome anhaltende Beschwerden hat, also Symptome über die Akutphase hinaus. Das Post-COVID-Syndrom, auch Long-COVID genannt, ist international definiert als Bestehen von Symptomen für mindestens 12 Wochen. Diese Definition ist auch in die deutsche S1-Leitlinie übernommen worden.
Zur Frage, wie häufig ein Post-COVID-Syndrom vorkommt, differieren die Daten erhelblich. Die Prävalenzen werden bei nicht hospitalisierten Patienten mit 2% bis 53% angegeben. Eine aktuelle, bevölkerungsbasierte retrospektive Kohortenstudie aus Deutschland fand eine Prävalenz von 46,2%. In dieser, aber auch in den anderen Untersuchungen gab es allerdings keine Daten zu vorbestehenden Symptomen und keine Kontrollgruppe. Diese Lücke füllt die erste große prospektive Längsschnittstudie aus den Niederlanden
23 somatische Kernsymptome erfragt
In der prospektiven, populationsbasierten Kohortenstudie mit Kontrollgruppe hatten 76.422 Patienten aus der Lifelines COVID-19-Kohorte der Niederlande 883.973 Fragebögen ausgefüllt hatten (Durchschnittsalter: 53,7 Jahre).
Erfragt wurden 23 somatische Kernsymptome wie Kopfschmerz, Schwindel, Muskel- und Rückenschmerzen, Übelkeit, allgemeine Angeschlagenheit oder Probleme beim Atmen. Befragungen fanden alle 2 Wochen statt. Untersuchungsperiode war März 2020 bis August 2021.
Die Analysekohorte umfasste 12.693 Teilnehmer, davon 4231 SARS-CoV-2 positiv und 8.462 gematchte Kontrollen ohne SARS-CoV-2-Infektion.
Bei jedem 8. neue oder sich verschlimmernde Symptome nach SARS-CoV-2-Infektion
21,4 % der SARS-CoV-2-positiven Teilnehmer hatten 90 bis 150 Tage nach Diagnose von COVID-19 mindestens ein auffälliges Kernsymptom von moderater Schwere, zugleich bestand bei 8,7 % der Teilnehmer aus der Kontrollgruppe ein solches Kernsymptom im Vergleichszeitraum. Damit ließen sich bei 12,7% der COVID-19-Patienten - also bei jedem 8. - neue oder sich verschlimmernde Symptome auf die SARS-CoV-2-Infektion zurückführen.
Am häufigsten waren Muskel-, Brust-, Rücken- und Kopfschmerzen, Geschmacks- oder Riechstörungen, allgemeine Abgeschlagenheit und Probleme beim Atmen. Ein Wechsel von Wärme- und Kältegefühl war ein Long COVID spezifisches Symptom, ebenso Kribbeln in den Extremitäten und Thoraxschmerz.
Die aktuelle Studie habe große Bedeutung, heißt es im Kommentar - zum einen wegen ihres Längsschnittcharakters und zum anderen, weil sie eine Kontrollgruppe habe mit Teilnehmern ohne SARS-CoV-2-Infektion, die ebenfalls während der Pandemie befragt wurden [2].
Diese große und methodisch gute Studie ermögliche damit eine realistische Abschätzung, wie häufig Symptome nach COVID-19 lange anhalten und welche der anhaltenden Beschwerden spezifisch durch COVID-19 ausgelöst werden. Zu den bei COVID-19 neu auftretenden Beschwerden gehören Kribbeln in den Gliedmaßen und Brustschmerzen, Kopfschmerzen dagegen eher nicht.
Die Prävalenz von Long COVID könne bei SARS-CoV-2-geimpften Teilnehmern durchaus geringer sein, so die Kommentatoren.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: Long-COVID: Was sind spezifisch neue Symptome, welche schon vorhandenen werden getriggert? - Medscape - 12. Aug 2022.
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