Von wegen „Generation Porno“: RKI-Forscher stellen Jugendlichen gute Noten für ihre Sexualität aus

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

12. August 2022

Die Verfügbarkeit der Pille und ein relativ freizügiger Umgang mit Sex und Sexualität insbesondere in den Medien hat immer wieder die Sorge aufkommen lassen, dass es mit Sitten und Sittsamkeit junger Menschen „bergab gehen“ könnte. Aktuelle Daten von Birte Hintzpeter und ihren Kolleginnen des Robert-Koch-Instituts sprechen nicht dafür. 

So zeigt ihre Auswertung der KiGGS-Welle 2 (KIGGS: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) unter anderem, dass Jugendliche immer später sexuell aktiv werden und dass „im jungen Erwachsenenalter Sexualität überwiegend in festen Paarbeziehungen gelebt wird“. 

Positiv ist auch, dass in Deutschland laut RKI die Zahl der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche niedrig ist und seit der Jahrtausendwende um rund 30 Prozent gesunken ist – von 134.964 im Jahr 2001 auf 94.596 im Jahr 2021.

Daten von über 5.000 Frauen und Männern analysiert

Hintzpeters Team hat Daten von 5.172 jungen Erwachsenen (2.966 Frauen und 2.206 Männern) ausgewertet, die in der KiGGS Welle 2 zwischen 18 und 31 Jahre alt waren und gültige Angaben zum Sexual- und Verhütungsverhalten gemacht hatten. Hier die wichtigsten Ergebnisse:

  • Von den befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen berichtete etwa jedes 4. Mädchen beziehungsweise jede 4. Frau (26,6%) und jeder 5 Junge beziehungsweise Mann (20,6 %), bis zum Alter von 15 Jahren den ersten Geschlechtsverkehr erlebt zu haben. 

  • Mehr als die Hälfte der Befragten gab den ersten Geschlechtsverkehr vor der Volljährigkeit an (61,0% der Mädchen und Frauen, 53,3% der Jungen und Männer). 

  • Etwa jede 5. Person hatte der Umfrage zufolge bis zum Alter von 20 Jahren noch keinen Geschlechtsverkehr. Im Alter von 30 Jahren sind es etwa 4% der Frauen und 9% der Männer. 

  • Mädchen und Frauen berichteten ein niedrigeres Alter beim ersten Geschlechtsverkehr als Jungen und Männer (Unterschied statistisch signifikant). 

  • Etwa jeweils 10% der Frauen und Männer gaben an, in den letzten 12 Monaten keine Sexualkontakte gehabt zu haben. 

  • Mehr als zwei Drittel der Frauen (68,8 %) und mehr als die Hälfte der Männer (57,8 %) berichteten von einem Sexualkontakt in diesem Zeitraum.

  • Etwa 10% der Frauen und 12% Männer gaben zwei Kontakte an. 

  • 3 oder mehr Sexualkontakte wurden von etwa 11% der Frauen und etwa 20 Prozent der Männer gemeldet. 

  • 76,5 % der Frauen und 59,1 % der Männer gaben an, zum Befragungszeitraum Verhütungsmittel verwendet zu haben. 

  • Weitere Analysen zeigten, dass Frauen und Männer, die in einer festen Partnerschaft leben, deutlich häufiger verhüten als Frauen und Männer ohne festen Partner (Frauen: 79,2% vs. 68,2 %, Männer: 63,1% vs. 52,9%). 

  • Pille und Kondom werden am häufigsten zur Verhütung verwendet. Mehr als die Hälfte der Frauen (62,1%) und Männer (57,0%) nannten die Pille als Verhütungsmethode.

  • Die Spirale wird dagegen deutlich seltener genutzt: 3,8% der Frauen und 3,0% der Männer gaben diese als Verhütungsmittel an. Sonstige Verhütungsmittel wie das Diaphragma, chemische Verhütungsmittel oder natürliche Methoden spielen der Befragung zufolge ebenfalls eine eher untergeordnete Rolle. Knapp 9% der Frauen und knapp 7% der Männer dokumentierten, beim letzten Geschlechtsverkehr nicht verhütet zu haben. 

  • Außer nach der Einnahme der Pille wurden die Teilnehmerinnen auch nach der Notfallverhütung durch die „Pille danach“ gefragt. Knapp 31% der Frauen hat laut der Studie Erfahrung mit der Einnahme der „Pille danach“ angegeben. Auswertungen nach Alter, Bildung und Migrationsstatus hätten keine statistisch signifikanten Unterschiede gezeigt berichten die Autorinnen.

Jugendliche werden immer später sexuell aktiv

Die Daten zum Sexual- und Verhütungsverhalten junger Erwachsener zeigen nach Angaben der RKI-Wissenschaftlerinnen, dass etwa die Hälfte der Befragten den ersten Geschlechtsverkehr vor Erreichen der Volljährigkeit erlebt; bei den Frauen seien es 61%, bei den Männern 53%. Dieses Ergebnis decke sich mit den Daten der 8. Welle der Jugendsexualitäts-Studie der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung), die auf einer Befragung von 14- bis 25-Jährigen aus dem Jahr 2014 basiere. Demnach seien 39% der Jugendlichen im Alter von 16 Jahren erstmals sexuell aktiv, bei den 17-Jährigen liege der Anteil bei 58%. 

Ergebnisse der 9. Welle der Jugendsexualitäts-Studie (2019) zeigten, dass der Anteil der Jugendlichen, die beim ersten Geschlechtsverkehr jünger als 17 Jahre sind, seit einigen Jahren rückläufig sei. Damit setze sich der Trend fort, dass Jugendliche immer später sexuell aktiv werden. Etwa 20% der Befragten der RKI-Studie hatten bis zum Alter von 20 Jahren noch keinen Geschlechtsverkehr; dieser Anteil sei höher als in der Jugendsexualitäts-Studie mit 16%, im Alter von 30 Jahren seien es etwa 4% der Frauen und knapp 9% der Männer. 

Bemerkenswert ist nach Angaben der Autorinnen auch die hohe Verhütungskompetenz von jungen Menschen: Beim ersten Geschlechtsverkehr verhüten lediglich 9% nicht, beim letzten Geschlechtsverkehr sogar nur 5%. Dies zeige, dass das „Zusammenspiel unterschiedlicher Quellen und Instanzen zur evidenzbasierten und handlungsorientierten Gesundheitskommunikation in Deutschland in den letzten Dekaden sehr erfolgreich“ gewesen sei. Auch der kontinuierliche Rückgang der Teenager-Schwangerschaften um gut 2 Drittel seit 2004 könne als Indikator für ein hohes Wissen und sicheres Verhalten im Bereich Verhütung und Sexualität in den jeweiligen Generationen junger Menschen bewertet werden.

Insgesamt könnten die Ergebnisse dazu beitragen, Präventions- und Aufklärungskampagnen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu unterstützen. 

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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