Jetzt 2. Booster oder auf neuen Impfstoff warten? Streit um Extrawürste bei Maskenpflicht; Schützt Impfung vor Long-COVID?

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

11. August 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 11. August 2021

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 354,5 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 10. August lag der Wert noch bei 366,8.

Unsere Themen heute:

  • Weniger Tests – hohe Positivrate

  • Experten uneinig: Viertimpfung für alle?

  • Streit um Ausnahmen bei möglicher Maskenpflicht im Herbst

  • Impfungen und Long-COVID: Ein Blick auf Daten

  • 3.000 Euro teure Remdesivir-Therapie: Probleme mit Abrechnung

Weniger Tests – hohe Positivrate

Trends des RKI bestätigen sich auch bei Datenanalysen der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM). Die Positivrate von 45,9% in Woche 31 (Vorwoche: 50,9%) bleibt auf hohem Niveau. Insgesamt haben die Labore 580.908 PCR-Untersuchungen durchgeführt (KW 30: 691.180). Der Rückgang von 24% lässt sich in weiten Teilen mit der Urlaubs- und Ferienzeit erklären. Die Auslastung der 183 Labore von ALM liegt aktuell bei 21% (Vorwoche: 25%). Alle Trends im Überblick:

Quelle: Pressemeldung ALM e.V.

Experten uneinig: Viertimpfung für alle?

Im Herbst wird es aber auch um die Frage gehen, wer – unabhängig von neuen, variantenspezifischen Vakzinen – von einer Viertimpfung profitieren könnte. Darüber hat Colliquio berichtet. Lauterbach fordert von der STIKO, ihre Empfehlungen anzupassen. Er will ,,klare Empfehlungen für alle Altersgruppen“, ob und in welchen Fällen diese 2. Auffrischungsimpfung ratsam ist. Bisher empfiehlt die STIKO Viertimpfungen nur Menschen über 70 sowie Risikogruppen.

,,Natürlich wollen auch die Jüngeren wissen, was sie denn nun machen sollen“, sagte der SPD-Politiker. ,,Wir müssen auch eine Antwort für den 40-Jährigen haben. Sollte er sich auf keinen Fall impfen lassen? Oder nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei sehr vielen Kontakten am Arbeitsplatz? Oder nur, wenn der Hausarzt das empfiehlt? Man braucht für jedes Alter eine Botschaft.“ Spätestens, wenn die neuen, an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe da seien, ,,sollte es klare Ansagen auch für die unter 60-Jährigen geben“.

EU-Behörden hatten eine weitergehende Empfehlung als die STIKO gegeben und sich für eine 2. Corona-Auffrischungsimpfung für alle über 60 ausgesprochen. Lauterbach wirbt dafür seit längerem sogar bei Menschen unter 60 – nach Rücksprache mit dem Arzt. Seine Forderung nach einer nach Alter gestaffelten Impfempfehlung ist offenbar eine Art Erwartung an die STIKO. Einen förmlichen Auftrag dafür gebe es nicht, erläuterte ein Ministeriumssprecher am Sonntag.

Der Immunologe Carsten Watzl sieht das anders. ,,Da die angepassten Impfstoffe hoffentlich nächsten Monat kommen, kann man jetzt auch warten“, sagte er. Die angepasste Impfung verstärke noch einmal die Immunität gegen Omikron und biete wahrscheinlich auch einen gewissen Schutz vor Ansteckung. Wenn man sich jetzt zum 4. Mal mit bisherigem Impfstoff impfen lasse, müsse man mindestens 3 Monate warten bis zur nächsten Impfung – das wäre dann womöglich erst mitten in einer Herbstwelle.

Streit um Ausnahmen bei möglicher Maskenpflicht im Herbst

Kaum gibt es Planungen der Bundesregierung zum nächsten Corona-Herbst und -Winter (Medscape hat berichtet), regt sich Widerstand von allen Seiten. Vorrangig geht es um die Unterscheidung verschiedener Personengruppen.

Der Entwurf sieht vor, dass Länder ab Oktober eine Maskenpflicht erlassen können. Es sind jedoch umstrittene Ausnahmen möglich, etwa für Getestete, für frisch Genesene oder für Personen, deren Impfung nicht älter als 3 Monate ist. Viele Gesundheitsminister der Länder lehnen solche Unterscheidungen als wenig praktikabel ab. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagt, dies sei nicht zu rechtfertigen, denn auch frisch Geimpfte und Genesene könnten Infektionen übertragen. Auch die mögliche Maskenpflicht im Freien erstaunt viele Experten.

Unmut kommt ebenfalls aus dem stationären Sektor. „Wir begrüßen, dass eine Maskenpflicht in Innenräumen weiter möglich sein soll“, so Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft. „Die Ausnahmen für Geimpfte sind aber völlig unpraktikabel und widersprechen deshalb dem Ziel eines guten Infektionsschutzes.“

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach sah sich indes zu einer Klarstellung genötigt. Ausnahmen von der Maskenpflicht seien keineswegs als Empfehlungen für eine Auffrischung der Impfung alle 3 Monate zu verstehen, sagte er. Das sei auch „medizinisch unsinnig“.

Der Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) wiederum sei „grundsätzlich gegen eine Maskenpflicht in Schulen“, so dessen Sprecher Jakob Maske. „Wichtig ist auch, dass es anlasslose Testungen nicht mehr geben sollte, die Sensibilität liegt hier nur bei 40%.“

Impfungen und Schutz vor Long-COVID: Ein Blick auf Daten

Impfstoffe sollen Patienten nicht nur vor schwerem COVID-19 bewahren, sondern auch das Risiko von Long-COVID verringern. Bei schätzungsweise 1 von 5 US-Amerikanern ist aus COVID-19 laut CDC-Berichten schließlich Long-COVID geworden. 

„Der beste Weg, kein Long-COVID zu haben, ist, überhaupt kein COVID zu haben“, sagt Dr. Leora Horwitz, Professorin für Bevölkerungsgesundheit und -medizin an der Grossman School of Medicine der New York University. „In dem Maße, in dem die Impfung Sie überhaupt daran hindern kann, COVID zu bekommen, hilft sie, Long-COVID zu reduzieren.“

Studien zufolge könnte das Risiko um 15% bis 60% verringert werden, bei großer Unsicherheit bezüglich der Zahlen. Dr. Ziyad Al-Aly, Forschungs- und Entwicklungschef des Veterans Affairs St. Louis Health Care System, hat mehrere  große Studien zu Long-COVID geleitet. Er betont, es sei wichtiger, sich auf die Tatsache zu konzentrieren, dass Impfstoffe einen gewissen Schutz böten, als die verschiedenen Risikoniveaus zu betrachten.

Dennoch ist Dr. Elena Azzolini, Leiterin des Impfzentrums des Humanitas Research Hospital in Mailand, der Ansicht, dass einige Studien das Ausmaß des langen COVID-Schutzes durch Impfstoffe möglicherweise unterschätzt hätten, da die Studienmethoden Schwächen hätten. Mitunter seien nicht genügend Frauen eingeschlossen worden, die stärker von Long-COVID betroffen seien. 

Ihre jüngste Studie, für die 2.560 medizinische Fachkräfte untersucht wurden, die von März 2020 bis April 2022 in 9 italienischen Zentren arbeiteten, konzentrierte sich auf das Risiko für gesunde Frauen und Männer zwischen 20 und 70 Jahren. In dem im Juli im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Artikel berichteten Azzolini und ihre Kollegen, dass 2 oder 3 Impfstoffdosen das Risiko einer Krankenhauseinweisung durch COVID-19 von 42% bei den Ungeimpften auf 16% oder 17% verringert habe. Mit anderen Worten, sie fanden heraus, dass ungeimpfte Personen in der Studie fast 3-mal so häufig schwere Symptome für länger als 4 Wochen hatten.

Andere Forschergruppen untersuchen, ob Long-COVID-Patienten selbst noch von Impfungen profitieren. Eine im Mai in The BMJ veröffentlichte Studie analysierte Umfragedaten von mehr als 28.000 mit COVID-19 infizierten Personen im Vereinigten Königreich. Die Autoren fanden eine Verringerung der Langzeitsymptome um 13% nach einer 1. Dosis des Impfstoffs. Eine 2. Dosis war mit einer weiteren Verringerung um 8% über einen Zeitraum von 2 Monaten verbunden.

3.000 Euro teure Remdesivir-Therapie: Probleme mit Abrechnung

Impfungen sind zwar die tragende Säule zur Pandemiekontrolle. Mit schwerem COVID-19 ist im kommenden Herbst und Winter dennoch zu rechnen. Jetzt weist die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) auf eine mögliche Strategie hin, um die Überlastung von Krankenhäusern zu verringern.

„Bei zugesicherter Kostenübernahme würde Remdesivir – das schwere COVID-19-Verläufe nachweislich deutlich reduziert – in allen Kliniken leitliniengerecht eingesetzt werden können“, erklärt DGP-Präsident Prof. Dr. Torsten Bauer. „Das führt zu weniger COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen und so zu mehr Kapazitäten für andere notwendige Behandlungen.“

Die DGP kritisiert, dass sich sowohl bei gesetzlichen als auch bei privaten Krankenversicherungen die Klärung der Kostenübernahme durch mehr Bürokratie verschärft habe. Remdesivir schlägt je nach Therapiedauer mit 2.000 bis 3.000 Euro zu Buche. Der Arzneistoff ist noch nicht im Pauschalabrechnungssystem der Krankenhäuser enthalten; Klinken müssen jeweils einen Antrag stellen. Garantien gibt es keine. „Mit dieser Unsicherheit können die Kliniken nicht arbeiten. Qualität und Wirtschaftlichkeit müssen gerade auch in Corona-Zeiten in Einklang gebracht werden“, sagt Bauer.

 

Kommentar

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