Für die Behandlung von Patienten mit kardiometabolischen Erkrankungen gibt es mehrere unterschiedlich wirkende Cholesterinsenker. Was die Kombination von Statinen mit weiteren Cholesterinsenkern leisten kann, erläutern Prof. Dr. Oliver Weingärtner vom Universitätsklinikum Jena und seine Kollegen in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift[1].
Vor der Therapie steht jedoch selbstverständlich die Diagnostik. Bevor mit einer LDL-C-senkenden Therapie begonnen werde, sollten mindestens 2 Messungen des LDL-C-Wertes im Abstand von 1–12 Wochen durchgeführt werden, betonen die Autoren.
Ausnahme seien Zustände, bei denen eine sofortige medikamentöse Behandlung empfohlen werde, beispielsweise bei Patienten mit sehr hohem Risiko oder akutem Koronarsyndrom. Nach Beginn der Therapie sollte der LDL-C-Wert in 8 ± 4 Wochen kontrolliert werden.
Welche Zielwerte angestrebt werden sollten, hängt bekanntlich vom kardiovaskulären Risiko der Patienten ab. Bei niedrigem Risiko liegt der Zielwert gemäß der europäischen Leitlinie bei < 3,0 mmol/l (116 mg/dl). Ist das kardiovaskuläre Risiko sehr hoch, liegt der Zielwert unter 1,4 mmol/l (55 mg/dl).
„Eckpfeiler“ der Therapie seien zunächst Statine, berichten die Autoren. Was ist mit ihnen erreichbar? Hochpotente Statine (Atorvastatin, Rosuvastatin) senken laut Weingärtner und seinen Kollege den LDL-C-Wert in mittlerer Dosierung (40 mg bzw. 20 mg) um 50%. Eine Verdopplung der Statin-Dosis bewirke nur wenig: Damit erreiche man nur eine weitere LDL-C-Senkung um 6%.
Dabei gebe es eine große interindividuelle Variabilität, die von der individuellen Cholesterin- Homöostase abhänge. Patienten mit hoher endogener Cholesterin-Biosynthese sprächen gut auf Statine an, Menschen mit hoher Cholesterin-Resorption dagegen besser auf Ezetimib.
Mit Ezetimib sollte eine Statintherapie „eskaliert“ werden, wenn die Monotherapie mit dem Statin das LDL-C nur unzureichend senke. Durch die generisch verfügbare Kombinationstherapie eines hochpotenten Statins mit Ezetimib könne eine LDL-C-Senkung um über 70% erreicht werden.
Kombiniert werden kann Ezetimib auch mit der Bempedoinsäure, die seit November 2020 in der Bundesrepublik Deutschland erhältlich ist. Bempedoinsäure hemmt die Cholesterin-Biosynthese. Im Studienprogramm CLEAR mit rund 4000 Patienten senke die Bempedoinsäure den LDL-C-Wert „on top“ zu Statinen um ca. 15%, in Kombination mit Ezetimib um knapp 24%.
Bei Patienten ohne Statine oder mit geringer Statindosierung, etwa aufgrund einer Statin-Intoleranz, senke Bempedoinsäure den Wert um ca. 15%t in der Monotherapie und um ca. 40% in der Kombination mit Ezetimib. Auch hier sei der duale LDL-C-senkende Ansatz besonders effektiv, betonen die Autoren. Der Einsatz von Bempedoinsäure sei daher in der Fixkombination mit Ezetimib besonders sinnvoll.
Harte kardiovaskuläre Ereignisse würden aktuell in der Studie CLEAR-Outcomes untersucht und für 2023 erwartet. Bei Patienten mit Gicht sollte die Säure nicht verordnet werden. Im Unterschied zu Statinen bestehe kein negativer Effekt auf die Glukosetoleranz; diese gelte insbesondere bei Patienten mit Diabetes mellitus und Prä-Diabetes.
Cholestyramin, Colestipol, Colesevelam werden nicht resorbiert und wirken ausschließlich im Darmlumen. Cholestyramin und Colestipol sind mit häufigen gastrointestinalen Nebenwirkungen assoziiert, die unter Colesevelam seltener auftreten. Sie senken LDL-C um bis zu ca. 30%. Colesevelam ist am besten verträglich. Insbesondere durch eine Kombination mit Statinen und Ezetimib könne eine weitere LDL-Senkung erreicht werden. Daten zu harten klinischen Endpunkten gebe es jedoch nicht.
Fibrate hätten „eine gewisse Wirksamkeit bei der Senkung der Nüchtern-TG-Spiegel (TG: Triglyzeride) sowie der postprandialen TG und der TG-reichen Lipoprotein-Remnants“. Fibrate könnten daher bei einer familiären Hypertryglyzeridämie erwogen werden. Eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch Fibrate, zusätzlich zu Statinen, sei nicht belegt. Nach Angaben der Autoren liegen mehrere große Studien ohne Wirksamkeitsbeleg vor, weshalb für Patienten mit hohem Risiko und erhöhten TG (> 220 mg/dl, 2,3 mmol/l) die Therapie mit einem Statin empfohlen wird. Die Indikation für Statine sei die Senkung des lipidbezogenen vaskulären Risikos, die TG selbst würden nur gering gesenkt. Statine könnten mit Fenofibrat oder Bezafibrat kombiniert werden. Gemfibrozil sei aufgrund des hohen Interaktionspotenzials mit anderen Arzneimitteln obsolet. Aufgrund ihrer schlechten Datenlage kämen Fibrate jedoch nur noch für Ausnahmefälle infrage.
PCSK9-Inhibitoren seien „neben hochpotenten Statinen und Inclisiran die stärksten LDL-C-Senker mit einer potenziellen LDL-C-Senkung von über 50 Prozent“. Durch die aktuell immer noch sehr hohen Preise (Jahres-Therapiekosten im Jahr 2021 pro Patienten für 14-tägige Applikation: ca. 6.000 Euro für Evolocumab und Alirocumab) dürfe diese Wirkstoffklasse zu Lasten der GKV nur bei Hochrisiko-Patienten verordnet werden, und zwar (außer von speziellen Lipidambulanzen) von Ärzten mit folgenden internistischen Schwerpunkten: Kardiologie, Angiologie, Endokrinologie und Diabetologie. Eine Weiterverordnung könne dann vom behandelnden Hausarzt oder der behandelnden Hausärztin erfolgen.
Gesenkt werden kann das LDL-C darüber hinaus durch Inclisiran. Das siRNA-Molekül (small interfering RNA) senke den Spiegel um ca. 40–50%. Im Gegensatz zu PCSK9-Antikörpern, die alle 2 bzw. alle 4 Wochen subkutan appliziert werden müssten, werde Inclisiran als einzelne subkutane Injektion zu Behandlungsbeginn, nach 3 Monaten und anschließend nur noch alle 6 Monate verabreicht.
Durch 2 Applikationen jährlich lassen sich somit die LDL-C-Spiegel um ca. 40–50 % senken. Die Jahres-Therapiekosten lagen für Inclisiran im vergangenen Jahr in Deutschland bei knapp 5.500 Euro für 2 Injektionen pro Jahr. Die Verordnung der PSCK9-siRNA sei vergleichbar zu PCSK9-Antikörpern einzelnen Fachärzten mit den Schwerpunkten Kardiologie, Angiologie, Endokrinologie und Diabetologie sowie speziellen Lipidambulanzen vorbehalten.
Die Therapie sei allgemein gut verträglich. Seltene Nebenwirkungen seien lokale Reaktionen an der Injektionsstelle sowie geringfügige Erhöhung der Transaminasen. Im Gegensatz zu den PCSK9-Antikörpern gebe es für Inclisiran noch keine Endpunktstudien. Daten zu harten Studienendpunkten aus dem aktuell laufenden ORION-Studienprogramm würden für 2025 erwartet.
Die LDL-Apherese werde bei Patienten mit heterozygoter und homozygoter familiärer Hyperlipoproteinämie und koronarer Herzerkrankung dann verwendet, wenn alle medikamentösen LDL-C-senkenden Maßnahmen nur unzureichend gewirkt hätten. Die Lipoprotein- Apherese müsse in der Regel einmal wöchentlich durchgeführt werden.
Die LDL-Apherese-Behandlung (alle 1–2 Wochen) könne den LDL-C-Plasmaspiegel akut um mehr als 70% senken. Bei Patienten mit Hypercholesterinämie und Lp(a)-Erhöhung sei in Beobachtungsstudien eine sehr effektive Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen durch die Apherese festgestellt worden. Es gebe jedoch keine randomisierten, prospektiven Studien, die die Wirkung der Therapie auf harte klinische Endpunkte im Vergleich zu einer SHAM-Apherese untersucht hätten.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: Geht’s noch mehr runter? Was weitere Lipidsenker als Add-on zu Statinen bei Hypercholesterinämie leisten können - Medscape - 11. Aug 2022.
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