Fall: Bei diesem jungen Mann mit Potenzschwäche kommt es zu einer Psychose – was könnte der Grund sein? 

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

11. August 2022

Bei Männern mit akuter Psychose kann es sich lohnen, auch nach der Einnahme von Sildenafil zu fragen, wie die Krankengeschichte eines jungen Mannes zeigt. 

Der Patient und seine Geschichte

Bei dem Patienten handelte es sich um einen 32-jährigen Iraner, der wegen Symptomen einer Psychose wie Eifersuchtswahn, Bezugswahn und akustischen Halluzinationen in ein Klinikum eingeliefert worden ist. Die Psychose-Symptome des zuvor psychisch unauffälligen Mannes seien etwa eine Woche vor seiner Einweisung in das Krankenhaus aufgetreten, berichten die Autoren. So sei der Familie des Mannes aufgefallen, dass er manchmal mit sich selbst gesprochen habe; außerdem sei er ihnen gegenüber sehr feindselig geworden. Zudem habe er unter Schlaflosigkeit gelitten, sei leicht reizbar gewesen und habe sich hin und wieder aggressiv verhalten.  

Die Anamnese ergab den Autoren zufolge keinen Kontakt des Mannes mit toxischen Chemikalien, kein früheres Schädeltrauma und auch keine Krampfanfälle oder Erkrankungen, die eine Psychose verursachen könnten. Hinweise auf Drogen- und Alkohol-Missbrauch gab es ebenfalls nicht. Das einzige Medikament, das der Mann einnahm, war wegen einer leichten erektilen Dysfunktion Sildenafil. 

Die Befunde im Überblick

  • Wacher und voll orientierter Patient (Ort, Zeit und Person)

  • neurologisch und urologisch unauffällig

  • Labor-Untersuchungen einschließlich Schilddrüsenfunktionstests sowie Bestimmung der Vitamin-B12-, Folsäure- und Vitamin-D-Spiegel unauffällig

  • Elektrokardiogramm ebenfalls unauffällig

  • Tests auf Syphilis, HIV und Hepatitis B und C sowie ein toxikologisches Screening waren negativ

  • MRT ohne Nachweis einer Raumforderung oder Blutung

Therapie und Verlauf

Sildenafil wurde abgesetzt und Risperidon (oral, 4 mg/Tag) verschrieben. Überraschenderweise hätten sich alle psychotischen Symptome innerhalb von nur 1 Woche nach Beginn der Risperidon-Behandlung zurückgebildet; nach einem 10-tägigen stationären Aufenthalt sei der Mann aus dem Krankenhaus entlassen worden. Als Ursache der Psychose vermuteten die behandelnden Ärzte Sildenafil. 

Bei Untersuchungen 1 Monat nach der Entlassung aus dem Krankenhaus war der Mann psychisch unauffällig; Risperidon wurde abgesetzt. Ungefähr 4 Monate später traten jedoch nach einmaliger Einnahme von Sildenafil erneut psychotische Symptome wie zuvor auf. Die Therapie mit Risperidon war wieder erfolgreich: Der Patient erholte sich innerhalb von 2 Wochen vollständig. Bei Nachuntersuchungen in den nächsten 12 Monaten zeigte sich kein Wiederauftreten der Symptome.

Diskussion

Zu den relativ häufigen Nebenwirkungen von Sildenafil gehören Kopfschmerzen, Hautrötungen, Verdauungsstörungen und Sehstörungen. Auch Schlaflosigkeit und Depressivität wurden schon mit dem Arzneistoff gegen erektile Dysfunktion in Verbindung gebracht. Offenbar muss wohl auch eine Psychose als mögliche Folge erwogen werden. Insgesamt zeigt auch dieser Fall, dass es sich bei der „Potenz-Pille“ um ein Medikament und nicht um ein Lifestyle-Präparat handelt, das rezeptfrei erhältlich sein sollte.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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