Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um den Effekt einer vaginalen oder menopausalen Hormontherapie bei Frauen mit Brustkrebs, die Antiöstrogene erhalten. Das IQWiG befürwortet nun auch eine Ausweitung der Altersgrenzen für das Mammografie-Screening. Studien zum molekularen Tumorprofiling zeigten bei soliden Tumoren bei Kindern in über 80% relevante genetische Veränderungen. Tinnitus und Hörverlust sind häufige Langzeitfolgen einer neurotoxischen Chemotherapie.
Frühes Mammakarzinom: Erhöht eine Hormontherapie wegen Menopausen-Beschwerden das Rezidivrisiko?
Mammografie-Screening: IQWiG empfiehlt, auch jüngere und ältere Frauen zu screenen
Fortgeschrittenes Ösophaguskarzinom: Nicht quantifizierbarer Zusatznutzen von Nivolumab
Solide Tumoren bei Kindern: Häufig mit genetischen Veränderungen verbunden
Neurotoxische Chemotherapie: Häufig mit Tinnitus und Hörverlust verbunden
FDA-Zulassungen: Neue Onkologika verlängern PFS, aber kaum das OS
Risikofaktoren für Krebs: Höheres Alter und Rauchen
Frühes Mammakarzinom: Erhöht eine Hormontherapie wegen Menopausen-Beschwerden das Rezidivrisiko?
Bei postmenopausalen Frauen, die wegen frühem Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom antihormonell behandelt wurden, war weder eine vaginale Östrogenbehandlung (VET) noch eine menopausale Hormontherapie (MHT) mit einem erhöhten Rezidiv- oder Sterberisiko verbunden. Eine Subgruppenanalyse zeigte zwar ein erhöhtes Rezidivrisiko, jedoch keine erhöhte Sterblichkeit bei Frauen, die eine vaginale Östrogentherapie und adjuvant Aromatasehemmer erhalten hatten. Dies ergab eine dänische Kohortenstudie, die im Journal of the National Cancer Institute publiziert worden ist.
Von 8.461 Frauen, die vor der Brustkrebs-Diagnose keine VHT oder MHT verwendet hatten, setzten nach der Diagnose 1.957 eine VHT und 133 eine MHT ein. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 9,8 Jahre für Rezidive und 15,2 Jahre für die Sterblichkeit.
Das adjustierte relative Rezidivrisiko betrug 1,08 für die VET (1,39 in der Untergruppe mit adjuvanten Aromatasehemmern) und 1,05 für MHT. Die adjustierten Hazard-Ratios für die Gesamtsterblichkeit betrugen 0,78 und 0,94 für VET bzw. MHT.
Nach Aussagen im begleitenden Editorial legen die „Ergebnisse dieser hochgradig relevanten klinischen Studie nahe, dass Patientinnen, die Tamoxifen einnehmen und unter schweren urogenitalen Symptomen der Menopause leiden, sicher eine VET einsetzten können … Patientinnen, die Aromatasehemmer einnehmen, sollten alternative Strategien zur Behandlung urogenitaler Symptome anwenden.“
Mammografie-Screening: IQWiG empfiehlt, auch jüngere und ältere Frauen zu screenen
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in einer Nutzenbewertung untersucht, ob und in welchem Maße auch Frauen zwischen 45 und 49 Jahren sowie zwischen 70 und 74 Jahren von einem regelmäßigen Screening auf Brustkrebs profitieren könnten.
Das Ergebnis: Für die jüngeren und für die ältere Frauen sieht das IQWiG insgesamt einen Anhaltspunkt für einen Nutzen des Mammografie-Screenings im Vergleich zu keinem Screening. Möglichen Schäden durch falsch-positive Befunde oder Überdiagnosen steht jeweils ein brustkrebsspezifischer Überlebensvorteil gegenüber, der überwiegt, heißt es in einer Pressemitteilung.
„In beiden Altersgruppen ist der in Studien belegte Vorteil für die einzelne Frau allerdings nur sehr klein“, betont IQWiG-Leiter Prof. Dr. Jürgen Windeler: „Insofern bleibt eine individuelle Bewertung und Abwägung unerlässlich. Wir sollten deshalb alles dafür tun, dass die Frauen informiert entscheiden können, ob sie sich einer Mammografie unterziehen möchten – oder nicht.“
Im März 2021 hatte die EU-Kommission die europäische Brustkrebsleitlinie aktualisiert, sie empfiehlt jetzt, auch Frauen zwischen 45 und 49 Jahren sowie zwischen 70 und 74 Jahren in ein Brustkrebs-Früherkennungsprogramm einzubeziehen. Daher hatte der G-BA das IQWiG mit der Überprüfung der Altersgrenzen beauftragt.
Bevor das Mammografie-Screening-Programm ausgeweitet werden könnte, müsste zuvor noch das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz die strahlenschutzrechtliche Zulässigkeit dieser Maßnahme feststellen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) prüft dies derzeit im Auftrag des Ministeriums.
Fortgeschrittenes Ösophaguskarzinom: Nicht quantifizierbarer Zusatznutzen von Nivolumab
Nivolumab ist seit kurzem sowohl in Kombination mit einer Fluoropyrimidin- und Platin-basierten Chemotherapie als auch in Kombination mit Ipilimumab zugelassen zur Erstlinienbehandlung von Erwachsenen mit einem nicht resezierbaren fortgeschrittenen, rezidivierten oder metastasierten Plattenepithelkarzinom des Ösophagus und einer PD-L1-Expression von mindestens 1%.
Nach 2 frühen Nutzenbewertungen des IQWiG gibt es einen Hinweis auf einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, so eine Pressemitteilung.
Der Beurteilung lagen die Daten der Studie CheckMate 648 zugrunde. Diese noch laufende randomisierte kontrollierte Studie hat 3 Arme, und zwar Nivolumab in Kombination mit einer Chemotherapie (5-Fluorouracil und Cisplatin), Nivolumab in Kombination mit Ipilimumab und als Kontrollarm eine reine Chemotherapie (5-Fluorouracil und Cisplatin).
Beide Kombinationen verlängern im Vergleich zu einer reinen Chemotherapie das Gesamtüberleben. Das ist jeweils ein Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen. Allerdings macht sich dieser bei der Kombination von Nivolumab mit Ipilimumab erst nach etwa 6 Monaten bemerkbar. Vorher verstarben sogar mehr Patienten als im Vergleichsarm. Für bestimmte Patienten ist also wohl eine Chemotherapie besser geeignet, aber aus den vorliegenden Daten lassen sich keine Charakteristika ableiten, an denen diese Personen vor der Therapieentscheidung zu erkennen sind.
Neben den erheblichen Überlebensvorteilen zeigen sich für beide Kombinationen bei den Nebenwirkungen positive und auch negative Effekte, die aber den Vorteil beim Gesamtüberleben nicht infrage stellen. Da für den Gesundheitszustand und die gesundheitsbezogene Lebensqualität keine verwertbaren Daten vorliegen, lässt sich das Ausmaß des Vorteils derzeit nicht beziffern.
Solide Tumoren bei Kindern: Häufig mit genetischen Veränderungen verbunden
Klinisch signifikante genetische Variationen können bei 86% der soliden Tumoren bei Kindern identifiziert werden. Dies ergaben Paneltests zur gezielten Sequenzierung zum molekularen Tumorprofiling (MTP) in einer prospektiven Kohortenstudie, wie eine amerikanische Arbeitsgruppe in Nature Medicine berichtete.
Sie schloss die Daten von 345 Kindern mit extrakranialen soliden Tumoren mit einem Durchschnittsalter von 12 Jahren bei der Diagnose ein. Insgesamt wiesen 86% eine oder mehrere genomische Veränderungen mit potenziellen Auswirkungen auf die Therapie auf. Genomische Veränderungen mit diagnostischer, prognostischer oder therapeutischer Bedeutung lagen bei 61, 16 bzw. 65% der Kinder vor.
Bei 240 Kindern konnte das Ergebnis für die Auswahl einer gezielt wirkenden Therapie verwendet werden. 29 Patienten wurden gezielt therapiert, von diesen zeigten 24% ein objektives Ansprechen oder einen anhaltenden klinischen Nutzen.
28 von den 29 Kindern erhielten eine auf Genfusionen zielende Therapie. Von den bei 209 Patienten identifizierten diagnostischen Varianten waren 77% Genfusionen.
Neurotoxische Chemotherapie: Häufig mit Tinnitus und Hörverlust verbunden
Krebsüberlebende, die eine Chemotherapie mit Platin, Taxanen oder einer Kombination aus Platin und Taxanen erhalten haben, weisen in rund 50 bis 70% der Fälle eine Hörverlust und in 37 bis 40% einen Tinnitus auf. Dies zeigte eine amerikanische Studie, die in BMJ Supportive & Palliative Care erschienen ist.
Die amerikanische Arbeitsgruppe hatte bei 273 erwachsenen Krebsüberlebenden, die wegen Brust-, Magen-Darm-, Lungenkrebs oder gynäkologischen Tumoren mit Platinderivaten, Taxanen oder einer Kombination der beiden behandelt worden waren, die Häufigkeit von Hörverlust und Tinnitus analysiert.
Zwischen den 3 Behandlungsgruppen gab es keine Unterschiede. Ein Audiogramm-bestätigter Hörverlust war bei 52,3 bis 71,4% der Patienten und ein Tinnitus bei 37,1 bis 40,0% aufgetreten.
Nach Aussage der Autoren deuten die Ergebnisse darauf hin, dass bei Platinderivaten und Taxanen gemeinsam zugrunde liegende Mechanismen diese Nebenwirkungen auslösen können, was in weiteren Studien untersucht werden sollte.
FDA-Zulassungen: Neue Onkologika verlängern PFS, aber kaum das OS
In den letzten 20 Jahren hat die Food and Drug Administration (FDA) 124 neue Substanzen für die Behandlung von Krebserkrankungen zugelassen. Wie die Analyse einer Mannheimer Arbeitsgruppe ergab, zeigten sie meist gute Effekte auf das progressionsfreie Überleben (PFS), die Wirkungen auf das Gesamtüberleben (OS) sind insgesamt jedoch gering, wie sie im Journal of Clinical Oncology berichten.
Von den 124 durch die FDA zwischen 2003 und 2021 zugelassenen Arzneimitteln wurden 78 für mehrere Indikationen zugelassen. Die Zulassung basierte hauptsächlich auf offenen (267 bzw. 71%) Phase-3-Studien, wovon 234 (63%) randomisiert und kontrolliert durchgeführt waren.
In den 234 randomisierten kontrollierten Studien mit verfügbaren Daten erreichten die untersuchten Substanzen für das OS eine HR von 0,73 (Risikoreduktion 23%) und für das PFS von 0,57 (Risikoreduktion 43%). Die neuen Arzneimittel verlängerten die Überlebenszeit der Patienten im Median um 2,80 Monate und die progressionsfreie Zeit um 3,30 Monate.
Erstindikationen erhielten im Vergleich zu Indikationserweiterungen häufiger eine beschleunigte Zulassung, die öfter auf einarmigen Studien beruhte.
Die neu zugelassenen Arzneistoffe, denen wenig belastbare klinische Studien zugrunde liegen, sollten sehr sorgfältig bewertet werden, die Ergebnisse zur Wirksamkeit dürfen nicht überschätzt werden, so das Fazit der Autoren.
Risikofaktoren für Krebs: Höheres Alter und Rauchen
Höheres Alter und Rauchen wurden als die beiden wichtigsten Faktoren für das relative und absolute Risiko identifiziert, in den nächsten 5 Jahren an Krebs zu erkranken. Eine amerikanische Arbeitsgruppe hatte die Daten von 2 prospektiven Kohortenstudien analysiert und die Ergebnisse in Cancer publiziert.
Die Forscher verwendeten Daten aus der Cancer Prevention Study-II Nutrition Cohort und der Cancer Prevention Study-3, um die Risikofaktoren zu identifizieren, die mit einem absoluten Krebsrisiko von über 2% innerhalb von 5 Jahren verbunden sind. Hierbei wurden 429.991 Teilnehmer ohne vorherige Krebserkrankung bis zu 5 Jahre lang auf Krebs nachbeobachtet.
Bei den Teilnehmern wurden innerhalb von 5 Jahren nach der Aufnahme 15.226 invasive Tumoren festgestellt werden. Das multivariable adjustierte relative Krebsrisiko war für aktuelle Raucher im Vergleich zu Nie-Rauchern am stärksten.
Bei Männern waren Alkoholkonsum, Krebs in der Familie, Verzehr von rotem Fleisch und Bewegungsmangel ebenfalls mit einem erhöhten Risiko assoziiert (p < 0,05).
Bei Frauen waren Body-Mass-Index, Typ-2-Diabetes, Hysterektomie, Schwangerschaft, Krebs in der Familienanamnese, Bluthochdruck, Tubenligatur und körperliche Inaktivität mit einem erhöhten 5-Jahres-Krebsrisiko verbunden (p < 0,05).
Das absolute 5-Jahres-Risiko überstieg 2% bei fast allen Teilnehmern über 50 Jahren und bei einigen Teilnehmern unter 50 Jahren, einschließlich aktueller oder ehemaliger Raucher (< 30 Jahre seit dem Aufhören) und Langzeit-Nichtraucher mit einem Body-Mass-Index > 25 kg/m2 oder einer Familienanamnese 1. Grades.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine unserer Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Photographer: © Sebastian Kaulitzki
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Brustkrebs: HRT und Rezidivrisiko; IQWiG: Mammografie-Screening ausweiten; Krebs bei Kindern: oft genetische Variationen - Medscape - 9. Aug 2022.
Kommentar