Medikamenten-induziert oder spontan: Lichtempfindlichkeitsreaktionen können eine Vielzahl von Ursachen haben. Prof. Dr. Jörg C. Prinz, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums der Universität München, erklärte auf der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie in München, was Sie bei Verdacht auf eine Photodermatose tun sollten, welche differenzialdiagnostischen Kriterien beachtet werden müssen und welche Behandlungsoptionen bestehen [1].
Einteilung entsprechend Pathomechanismen der Photosensitivität
Photodermatosen sind eine große Gruppe unterschiedlicher Erkrankungen, bei denen abnorme Reaktionen auf ultraviolettes und/oder sichtbares Licht einen pathologischen Befund an der Haut hervorrufen. „Für die Photodermatosen gibt es keine ganz einheitliche Systematik und Nomenklatur“, erklärte Prinz und stellte folgende Einteilung vor:
1. Photodermatosen mit bekanntem Photosensibilisator
Phototoxische Reaktionen
Endogen verursacht: Porphyrien
Exogen verursacht: systemisch oder topisch applizierte Medikamente, Furocumarine (pflanzliche Abwehrstoffe, sog. Phytoalexine), etc.
Photoallergische Dermatitiden
Photokontaktallergie, hämatogene Photoallergie
2. Primäre/idiopathische Photodermatosen mit unbekanntem Mechanismus
Urticaria solaris, polymorphe Lichtdermatose, Hydroa vacciniforme, aktinische Prurigo, chronisch-aktinische Dermatitis (aktinisches Retikuloid)
3. Photodermatosen durch DNS-Reparationsstörungen
Xeroderma pigmentosum, Cockayne Syndrom
4. Photoprovozierte/photoaggravierte Dermatosen
Subakut kutaner Lupus erythematodes, Systemischer Lupus erythematodes, Psoriasis, atopisches Ekzem, Morbus Darier, autoimmunbullöse Dermatosen, etc.
5. Sekundäre Photodermatosen
Hartnup-Krankheit; Pellagra; gesteigerte Photosensitivität durch Retinoid-Therapie etc.
Photosensibilisierende Medikamente in der Dermatologie
Im Fachbereich Dermatologie sind laut Prinz folgende 3 lichtsensibilisierende Medikamentengruppen besonders relevant:
Retinoide
• Isotretinoin, Alitretinoin, Acitretin: verdünnen das Stratum corneum
• Verminderte UV-Toleranz
Tetrazyklingruppe
• Für Acne, Rosacea oder Borreliose
BRAF-Inhibitoren bei malignem Melanom
• Vemurafenib, Dabrafenib, Vandetanib, Encorafenib: starke UVA-Absorption
„In allen drei Fällen müssen wir die Patienten darüber informieren, dass im Zusammenhang mit der Sonne Photodermatosen ausgelöst werden können“, verdeutlichte der Dermatologe. Zudem müsse zu einem angepassten Verhalten instruiert werden: Sonne meiden, Sonnenschutz benutzen, UV-dichte Kleidung.
Wichtige Maßnahmen vor einer Phototherapie
Als eine Situation aus dem Klinikalltag nannte Prinz die Durchführung einer Phototherapie. An dieser Stelle sei besonders wichtig, vor Beginn der Phototherapie – insbesondere der UV-B-Therapie – die Einnahme lichtsensibilisierender Medikamente auszuschließen. Je nach Alter und Begleiterkrankung (insbesondere bei Psoriasis) kommt eine lange Liste von fast 400 dokumentierten photosensibilisierenden Medikamente infrage.
Für den Fall, dass eine Patientin oder Patient photosensibilisierende Medikamente einnimmt, empfahl Prinz, die minimale Erythemdosis zu bestimmen und die UV-B-Bestrahlung mit 70% der Erythemschwelle zu beginnen.
In der Praxis habe man diese Möglichkeit oft nicht, hier empfehle sich ein pragmatischeres Vorgehen: Patientinnen und Patienten über das Risiko aufklären, eine niedrige Anfangsdosis wählen (z.B. 0,05 J/cm2) und vorsichtig und kontrolliert die Dosis steigern.
„Sollte es trotzdem zu einer Verschlechterung kommen, dann sollte man nicht vergessen, dass es natürlich auch zugrundeliegende Erkrankungen gibt, die photoaggraviert werden können“, fügte Prinz hinzu. Hierzu zählen beispielsweise Psoriasis, Lichen ruber und atopisches Ekzem.
Was tun bei Verdacht auf eine Photodermatose?
Besteht der Verdacht auf eine Photodermatose, sei primär das Verteilungsmuster zu eruieren (klassische Photodistribution mit Verteilung in Regionen mit UV-und Sonnenlichtexposition: Gesicht, Nacken, Handrücken, ggf. Fußrücken), erklärte der Dermatologe.
Allerdings gebe es auch Photodermatosen mit atypischem Verteilungsmuster, z.B. bei Kontakt mit bestimmten Pflanzenextrakten (Furocumarinen) oder durch die topische Applikation von nicht steroidalen Antiphlogistika auf Hautbereiche über schmerzhaften Gelenken.
Die Zuordnung der Photodermatose erfolgt über die Anamnese, z.B. durch die Erfassung des Zusammenhangs mit der Sonnenexposition, die Anwendung von Medikamenten, Duftstoffen usw. Aber: Nur etwa 7% aller Photodermatosen sind Medikamenten-induziert und stellen daher eine diagnostische Herausforderung dar, erklärte Prinz.
Zur primären Diagnostik gehört immer die Bestimmung antinukleärer Antikörper im Serum sowie das primäre Porphyrie-Screening.
Differenzierung der Photodermatosen
Kinetik
Crescendo- vs. Decrescendo-Verlauf bei photallergischen vs. phototoxischen Reaktionen
Solare Urtikaria: Urticae und Juckreiz innerhalb von 5–10 Minuten
Aktinische Prurigo: Beschwerden unmittelbar nach Sonnenexposition
Erythropoetische Protoporphyrie: Schmerzhaftigkeit Minuten nach
Sonnenexposition +/- Erytheme/solare Urtikaria
Hydroa vacciniforme: wenige Stunden
Polymorphe Lichtdermatose: Juckreiz und Papeln/Bläschen etc.
innerhalb von wenigen Stunden bis 2 Tage
Subakut kutaner Lupus erythematodes, systemischer Lupus erythematodes: bis zu 14 Tage
Präferentielles Patientenalter
Kleinkinder: Lupus erythematodes neonatorum; erythropoetische Protoporphyrie
Kinder: Phytophotodermatitis, Hydroa vacciniforme, bullöse Frühlingsdermatose, aktinische Prurigo, Xeroderma pigmentosum
Polymorphe Lichtdermatose: Patientinnen und Patienten im jüngeren Erwachsenenalter
Chronisch-aktinische Dermatitis: meist männliche Patienten im mittleren bis späteren Alter
Porphyria cutanea tarda: mittleres Erwachsenenalter
Symptomatik
Schmerzhaftigkeit mit Erythem: phototoxische Reaktionen
Schmerzhaftigkeit oft ohne Erythem: erythropoetische Porphyrie
Juckreiz: Solare Urtikaria, photoallergische Dermatitis, polymorphe Lichtdermatose, aktinische Prurigo
Morphe, Verteilung
Ekzemmorphe: photoallergisch
Sonnenbrandartiges Erythem: phototoxisch
Poikilodermie: Xeroderma pigmentosum
Quaddeln: solare Urtikaria (erythropoetische Protoporphyrie)
Schmetterlingsförmiges Erythem über Wangen und Nase: systemischer Lupus erythematodes
Hypertichose temporal, Wangen, Abheilung mit Milien: Porphyria cutanea tarda
Initial Erytheme mit Bläschen, dann flache, schüsselförmige Narben wie nach der Pockenimpfung: Hydroa vacciniforme
Mitbeteiligung der Unterlippe: aktinische Prurigo
Reaktionen auch hinter Fensterglas?
Berichtet eine Patientin oder ein Patient, dass er oder sie auch hinter Fensterglas entsprechende Reaktionen entwickelt, ist dies ein wichtiges, anamnestisches Signal. Hier kommen laut Prinz nur 2 Erkrankungen infrage: die persistierende Lichtreaktion/chronisch-aktinische Dermatitis und die Urticaria solaris – eine „spannende Erkrankung“, ergänzte er.
Die solare Urtikaria, auch Lichturtikaria, ist gekennzeichnet durch sehr starke urtikarielle Reaktionen auf UV-A- und sichtbares Licht (seltener UV-B), weshalb Betroffene in ihrer Lebensweise enorm eingeschränkt sind. Dies könne bis hin zur Suizidalität führen, berichtete der Experte und erinnerte an den besonders tragischen Fall von Hannelore Kohl, der Frau des Altkanzlers Helmut Kohl, die möglicherweise von ihrer besonders schweren Form der solaren Urtikaria in die Selbsttötung getrieben wurde.
Mithilfe einer „vorsichtigen“ UV-B-Therapie könne man die Hautveränderungen bei Lichturtikaria komplett zur Heilung bringen, konstatierte der Experte. Weitere Behandlungsoptionen umfassen beispielsweise Anti-Histaminika und PUVA, gegebenenfalls auch Omalizumab.
Grundsätzlich sei bei allen Photodermatosen ein Lichtschutz anzuwenden sowie die Elimination möglicher Auslöser, erklärte Prinz. Die spezielle Therapie von Photodermatosen erfolge immer entsprechend der Diagnose.
Therapien von Photodermatosen
Immer: Lichtschutz, Elimination möglicher Auslöser
Phototoxische und photoallergische Dermatitis: Meidung des auslösenden Photosensibilisators
Solare Urtikaria: Anti-Histaminika, UV-B-Bestrahlung, PUVA, evtl. Omalizumab
Polymorphe Lichtdermatose (Licht-/Sonnenallergie): topische Glukokortikosteroide; Hardening mit UV-B (Lichtschwiele), evtl. PUVA
Chronisch-aktinische Dermatitis: PUVA, Immunsuppressiva (Ciclosporin, Azathioprin)
Porphyria cutanea tarda: Eisenreduktion durch Aderlass, Steigerung der Porphyrinausscheidung durch niedrigdosierte Chloroquin- oder Hydroxychloroquin-Gabe, Elimination auslösender Medikamente
Aktinische Prurigo: evtl. Thalidomid
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: Wenn Licht und Sonne zur Gefahr werden: Differenzialdiagnostische Kriterien und Behandlungsoptionen von Photodermatosen - Medscape - 5. Aug 2022.
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