Deutliche Risiko-Erhöhung durch Bluthochdruck; 62 Long-COVID-Symptome; Durchbrüche angestiegen; Schützen harmlose Bakterien?

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

28. Juli 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 28. Juli 2022

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, 630,4 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 27. Juli lag der Wert noch bei 652,0. Unsere Themen heute:

  • Bei hohem Blutdruck verdoppelt sich das Hospitalisierungsrisiko

  • Mehr Durchbruchsinfektionen, mehr Hospitalisierungen unter BA.5

  • Zusammensetzung der T-Zellen beeinflusst Schutz vor COVID-19

  • Rehospitalisierung und Notfallbesuche – nach Paxlovid-Therapie selten

  • Symptome von Long-COVID extrem breit gefächert

  • Schutz vor Reinfektion: Studie belegt Notwendigkeit von Impfungen in Pflegeeinrichtungen

  • Abwasser-Monitoring bei Corona

Bei hohem Blutdruck verdoppelt sich das Hospitalisierungsrisiko

Auch wenn man 3-mal gegen COVID-19 geimpft ist: Bluthochdruck kann das Risiko für eine Hospitalisierung mehr als verdoppeln. Zu diesem Ergebnis kommt eine retrospektive Studie von Dr. Joseph Ebinger, Smidt Heart Institut, Los Angeles, und Kollegen. Untersucht wurden 912 Erwachsene, die mindestens 3-mal mit einem mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 geimpft waren.

Im Beobachtungszeitraum zwischen Dezember 2021 und April 2022 wurden von den 912 Studienteilnehmern 16% stationär behandelt. Mit einem höheren Hospitalisierungsrisiko assoziiert waren höheres Alter, Bluthochdruck, chronische Nierenerkrankung, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und die Zeit zwischen der letzten Impfung und der COVID-19-Infektion.

Patienten mit hohem Blutdruck benötigen 2,6-mal häufiger eine Krankenhausbehandlung wegen einer schweren COVID-19-Erkrankung, selbst wenn sie ansonsten keine schweren gesundheitlichen Beeinträchti­gungen aufwiesen. Von den 145 hospitalisierten Patienten wiesen 125 (86,2%) bei Messungen in der Klinik zu hohe Blutdruckwerte auf (unabhängig davon, ob sie Medikamente nahmen oder nicht).

Mehr Durchbruchsinfektionen, mehr Hospitalisierungen unter BA.5

Eine noch nicht begutachtete Studie aus Portugal zeigt, dass es unter der Omikron-Variante BA.5 zu mehr Durchbruchinfektionen und Hospitalisierungen kommt als noch unter BA.2 (Schutz vor Reinfektionen unter BA.5: OR 1,44).  „Das erklärt wohl auch den Anstieg der KH-Fälle bei uns“, twittert Gesundheitsminister Karl Lauterbach dazu. Im Herbst kommen Impfstoffe, die das Problem lösen könnten, so Lauterbach.

„Unsere Studie zeigt, dass die BA.5-Linie im Vergleich zu BA.2 mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Reinfektion verbunden ist, unabhängig vom Impfstatus. Obwohl der COVID-19-Booster – verglichen mit BA.2 – weniger wirksam ist, bietet die Auffrischungsimpfung dennoch einen erheblichen Schutz vor schweren Verläufen nach Infektion mit BA.5“, schreiben die Autoren.

Zusammensetzung der T-Zellen beeinflusst Schutz vor COVID-19

Offenbar hat die Zusammensetzung der T-Zellen einen Einfluss darauf, wie gut man vor COVID-19 geschützt ist. Darauf weist Eric Topol in einem Tweet hin. Er weist auf eine Studie in Science und auf eine Studie in Nature hin. Die Arbeit in Nature liefert Hinweise darauf, dass eine verminderte OAS1-Expression einen schützenden Effekt vor COVID-19 aufweist.

In Science berichten die Autoren von den Ergebnissen der Blutanalyse von 12 gesunden Erwachsenen, die aus der Zeit vor dem Ausbruch der Pandemie stammten. In diesen Blutanalysen fanden die Forscher eine Gruppe von 17 CD4+ T-Gedächtniszellpopulationen, die Bereiche der Oberfläche von SARS-CoV-2 erkennen konnten. Manche der Immunzellen konnten sogar an das Spikeprotein binden.

Bei weiteren Tests reagierten die T-Zellen auch auf einige im Darm und auf der Haut lebende, für Menschen üblicherweise ungefährliche Bakterien. „Die Daten verdeutlichen die Komplexität des Vorläufer-T-Zell-Repertoires und deuten darauf hin, dass die nicht-infektiöse Exposition gegenüber gewöhnlichen Mikroben ein Schlüsselfaktor ist, der die beim Menschen bereits vorhandene Immunität gegen SARS-CoV-2 prägt”, schreiben die Autoren.

Rehospitalisierung und Notfallbesuche – nach Paxlovid-Therapie selten

Krankenhausaufenthalte und Besuche in der Notfallaufnahme wegen COVID-19 sind nach der antiviralen Therapie mit Paxlovid selten. Das ist das Ergebnis einer CDC-Analyse von elektronischen Krankenakten.

Weniger als 1% der 5287 Patienten, die Paxlovid erhalten hatten mussten im Zeitraum 5 bis 15 Tage nach Behandlung ein Krankenhaus oder eine Notaufnahme aufsuchen, so das Ergebnis der Analyse. 6 Krankenhausaufenthalte – alle bei Menschen mit Komorbiditäten oder fortgeschrittenem Alter – und 39 Besuche in Notaufnahmen wegen offensichtlicher COVID-19-Symptome erfolgten. 2 der hospitalisierten Patienten starben.

Fazit: „Wenn Paxlovid als Behandlung im Frühstadium verabreicht wird, könnte es COVID-19-bedingte Krankenhausaufenthalte bei Personen mit leichter bis mittelschwerer Erkrankung, bei denen das Risiko für ein Fortschreiten der Krankheit besteht, verhindern“, schreiben die Autoren des Berichts.

Symptome von Long-COVID extrem breit gefächert

Long-COVID geht offenbar mit deutlich mehr Symptomen einher als bislang gedacht: Die Ergebnisse einer Kohortenstudie aus UK zeigen, dass Patienten, die an Long-COVID erkrankt sind, von bis zu 62 Symptomen berichteten. Britische Forscher hatten dazu anonymisierte elektronischen Gesundheitsdaten ausgewertet.

Eingeschlossen waren 486.149 Personen mit dokumentierter SARS-CoV-2-Infektion zwischen Januar 2020 und April 2021, die nicht stationär behandelt wurden. Diese Daten wurden gematcht mit den Daten von 1,94 Millionen Personen, die nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren. Im Ergebnis berichteten die Infizierten 12 Wochen und länger nach der Infektion deutlich häufiger als die Nicht-Infizierten über 1 oder mehrere von 62 Symptomen.

Die berichteten Symptome fassten die Forscher in 14 Kategorien zusammen: Atmung, Schmerzen, Kreislauf, Fatigue, kognitive Gesundheit, Schlaf, Hals, Nasen & Ohren, Gastrointestinaltrakt, Muskeln und Gelenke, mentale Gesundheit, Haar, Haut & Nägel, Augen, Reproduktionsgesundheit und weitere Symptome. Besonders ausgeprägt waren dabei: Kurzatmigkeit in Ruhe, pleuritische Brustschmerzen, Fatigue, Anosmie, Niesen, Haarverlust, Schwierigkeiten bei der Ejakulation und verminderte Libido.

Das Forscherteam identifizierte aus den Daten auch Risikofaktoren für die Entwicklung von Long-COVID. Dazu zählten weibliches Geschlecht, jüngeres Alter, niedriger sozioökonomischer Hintergrund, Rauchen, Übergewicht oder Adipositas sowie Vorliegen mehrerer Komorbiditäten.

Schutz vor Reinfektion: Studie belegt Notwendigkeit von Impfungen in Pflegeeinrichtungen

Impfungen tragen dazu bei, Reinfektionen in Pflegeeinrichtungen zu verhindern. Das zeigt das Ergebnis einer Kohortenstudie von Dr. Joseph Hogan von der Brown University School of Public Health, Rhode Island, mit mehr als 95.000 Einwohnern von Rhode Island.

Für die Studie wurden die Daten von Infektionen und Reinfektionen in Langzeitpflegeeinrichtungen ausgewertet und mit dem Risiko einer wiederholten COVID-19-Infektion in der Allgemeinbevölkerung verglichen. Im Untersuchungszeitraum (März 2020 bis Dezember 2021) herrschten allerdings nur die Wildtyp-, Alpha- und Delta-Stämme von SARS-CoV-2 vor.

Unter 3.124 Bewohnern der Pflegeheime (Durchschnittsalter 81 Jahre, 53,5% Frauen) hatten diejenigen, die sich nach einer überstandenen Infektion nicht impfen ließen, ein Risiko von 13%, sich innerhalb von 9 Monaten erneut anzustecken.

Das Risiko für Mitarbeiter (n = 2877) sich erneut zu infizieren war mit 10% kaum geringer, obwohl ihr Durchschnittsalter nur bei 41 Jahren lag. Bei den 94.516 Studienteilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung (Durchschnittsalter 35 Jahre, Frauenanteil 47,6%) lag das Risiko einer erneuten Ansteckung ohne Impfung bei nur 1,9%.

Im nächsten Schritt bewerteten die Wissenschaftler die Auswirkungen von 1 oder 2 Impfdosen der primären Impfserie nach der Genesung. Eine zweifache Impfung war bei den Bewohnern der Einrichtungen mit einem Schutz von 49% verbunden, bei den Mitarbeitern mit einem Schutz von 47% und in der Allgemeinbevölkerung mit 62%.

Abwasser-Monitoring bei Corona

Wichtige Zusatzinformationen über die Infektionsdynamik und Varianten liefert eine Arbeit aus Österreich zum Abwassermonitoring bei SARS-CoV-2. Nach Einschätzung von Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Leiter des DIVI-Intensivregisters, ein Ansatz, der auch für Influenza und RSV sinnvoll sein könnte.

Die Forscher hatten 3.413 Abwasserproben aus 94 kommunalen Einzugsgebieten, die mehr als 59% der österreichischen Bevölkerung abdecken, von Dezember 2020 bis Februar 2022 sequenziert. Das auf Robustheit ausgelegte System zur Variantenquantifizierung in Abwasserleitungen (genannt VaQuERo) ermöglichte es, die räumlich-zeitliche Häufigkeit von vordefinierten Varianten aus komplexen Abwasserproben abzuleiten.

Diese Ergebnisse wurden anhand von epidemiologischen Aufzeichnungen von mehr als 311.000 Einzelfällen validiert. Die Forscher beschreiben eine erhöhte virale genetische Vielfalt während der Delta-Varianten-Phase, liefern Prognosen zu neu auftretenden Varianten und messen den Reproduktionsvorteil bedenklicher Varianten durch die Berechnung variantenspezifischer Reproduktionszahlen aus dem Abwasser.

Die Studie zeigt, dass die Waste-Water-Epidemiology (WBE) auf nationaler Ebene die öffentliche Gesundheit unterstützen kann, und verspricht einen besonderen Nutzen für Länder ohne umfassende individuelle Überwachung.

 

Kommentar

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