„Notaufnahme heute geschlossen“: Der Personalmangel in Krankenhäusern spitzt sich zu – nicht nur durch erkrankte Angestellte

Christian Beneker

Interessenkonflikte

27. Juli 2022

Verschobene Operationen, leere Betten, geschlossene Stationen. Vor wenigen Monaten alarmierte eine Umfrage Patienten und Ärzte: Wegen Personalmangels arbeiten viele Krankenhäuser am Limit. Die zwischenzeitliche Beruhigung aber täuscht offenbar. „Die Situation ist schwerer denn je“, sagt etwa Karen Matiszick, Sprecherin des Bremer Krankenhausverbundes „Gesundheit-Nord“ (GeNo), zu Medscape.

Die 4 Krankenhäuser des Verbundes können 20% ihrer 2.500 Betten nicht belegen. „12 unserer 82 Stationen mussten wir vom Netz nehmen“, berichtet Matiszick. Dabei versorgen die 4 Bremer GeNo-Krankenhäuser derzeit 100 COVID-19-Patientinnen und -Patienten. „Vor einem Jahr waren es zur gleichen Zeit 5“, sagt Matiszick.

Der Grund für die aktuelle Situation ist der Personalmangel in den Krankenhäusern. „Da kommt viel zusammen“, sagt die Sprecherin: „an Corona erkrankte Krankenpflegerinnen und -Pfleger, die Urlaubszeit und seit langem die allgemeine Erschöpfung durch die Pandemie.“

Das Verständnis für Schutzmaßnahmen schwindet

Im Klinikverbund leiden rund 200 Ärztinnen und Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern unter COVID-19 und fallen aus. Insgesamt fehlen derzeit 660 Arbeitskräfte von den rund 6.000 Beschäftigten in den 4 Bremer Krankenhäusern des Verbundes. Was Operationen oder andere medizinische Behandlungen angehe, müssten inzwischen viele Einzelfallentscheidungen getroffen werden, hieß es.

 
Viele Angehörige wollen im Krankenhaus nicht einmal mehr die Masken aufsetzen. Karen Matiszick
 

Zugleich empfinden viele Patienten und ihre Familien es offenbar als lästig, die Schutzmaßnahmen einzuhalten, was die COVID-Infektionen vermehrt. „Das Verständnis lässt nach“, berichtet Matiszick. „Viele Angehörige wollen im Krankenhaus nicht einmal mehr die Masken aufsetzen.“

Das Bremer Beispiel gilt pars pro toto. Bereits im März des Jahres ergab eine Blitzumfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) unter bundesweit 394 Krankenhäusern ab 50 Betten, dass 90% dieser Häuser unter höheren Personalausfällen in ihren patientennahen Bereichen leiden als um diese Zeit üblich. „Derzeit sind in 40% der Häuser die Ausfälle deutlich höher (über 20% mehr Mitarbeiter erkrankt als üblich) und in 51 % der Einrichtungen höher als üblich (5% bis 20% mehr erkrankt)“, heißt es in der Zusammenfassung der Umfrage-Ergebnisse.

Vor allem der Pflegedienst war betroffen. Hier berichtete jeweils knapp die Hälfte der Krankenhäuser von höheren Personalausfällen (5% bis 20%) beziehungsweise deutlich höheren Ausfällen (über 20%) als sonst im März. In der Intensivpflege fallen die Krankenstände im Vergleich zum Pflegedienst insgesamt, wenngleich auf hohem Niveau, insgesamt etwas niedriger aus.

Im Ärztlichen Dienst berichten 3 Viertel der Häuser von höheren krankheitsbedingten Personalausfällen als üblich, so die Befragungsergebnisse: „Davon haben 55% der Einrichtungen einen 5% bis 20% höheren Krankenstand und 20% einen über 20% erhöhten Krankenstand.“

 
Uns erreichen immer noch viele Meldungen, dass sich die Situation in den Krankenhäusern zuspitzt. Selbst manche Notaufnahme meldet sich wegen Personalmangels ab. Joachim Odenbach
 

Joachim Odenbach, Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), treibt die gegenwärtige Situation die Sorgefalten ins Gesicht. „Uns erreichen immer noch viele Meldungen, dass sich die Situation in den Krankenhäusern zuspitzt. Selbst manche Notaufnahme meldet sich wegen Personalmangels ab.“

Kitaplätze und mehr Geld sollen das Personal halten

In Bremen versucht man unterdessen, Patienten ins benachbarte Niedersachsen zu verlegen. Aber dort ist die Versorgungssituation in den Kliniken auch nicht besser. Zwar sei die Bereitschaft sehr groß, für kranke Kolleginnen einzuspringen, sagt die GeNo-Sprecherin, „gerade in der Pflege. Aber die Nachbarhäuser können in der Regel auch niemanden entbehren.“

Andere Krankenhäuser ziehen mit Zulagen oder Gehaltserhöhungen die Geldkarte. Oder sie versuchen, die Kinderbetreuung in den Krankenhäusern besser zu organisieren, damit die Eltern in OP oder Intensivstation weiterarbeiten können.

Dessen ungeachtet geht die kritische Versorgungslage ins Geld. In Bremen liege man infolge der Bettenschließungen „um 11% unter dem Wirtschaftsplan“, wie Sprecherin Matiszisck sagt.

Odenbach von der DKG betont, man brauchen dringend mehr Geld, um nicht vollends abzugleiten. Denn nicht nur der Personalmangel treibt die Krankenhäuser in die roten Zahlen. Sondern neben der Corona-Notlage auch die Inflation und „vor allem die Energiepreise. Denn 92% der Krankenhäuser heizen mit Gas. Ein 600-Betten-Haus gibt 800.000 Euro im Jahr für Energie aus. Wenn sich der Gaspreis jetzt verdreifacht, müssen solche Krankenhäuser jährlich jetzt 2,4 Millionen Euro für Energie ausgeben.“

 
Wenn sich der Gaspreis jetzt verdreifacht, müssen solche Krankenhäuser jährlich jetzt 2,4 Millionen Euro für Energie ausgeben. Joachim Odenbach
 

Um der Misere langfristig zu entkommen, müssten die Krankenhäuser auf eine klimaneutrale Energieversorgung umstellen. Doch das würde nach Worten der DKG für ganz Deutschland fast 40 Milliarden Euro kosten.

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Kommentar

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