Die Firma Google erklärte, dass man die Standortdaten von Personen löschen wolle, die Seiten zum Thema Abtreibung und entsprechende medizinische Einrichtungen besucht haben.
Seit in den USA der Oberste Gerichtshof das Urteil Roe v. Wade von 1973 kippte und damit seine ursprüngliche Haltung, nach der Frauen ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung besitzen, über Bord geworfen hat, sehen Rechtsexperten es als bedenklich an, elektronische Daten zu diesem Thema zu speichern.
Laut CNBC haben Google und andere Technologieunternehmen wochenlang nicht auf Fragen zur Datenspeicherung geantwortet und auch nicht erklärt, wie sie sich bei denkbaren Anfragen von Strafverfolgungsbehörden zu Daten über Abtreibungskliniken und den Besuch entsprechender Websites verhalten würden.
„Wir kündigen hiermit an, Einträge kurz nach dem Besuch aus dem Standortverlauf zu löschen, wenn unsere Systeme erkennen, dass jemand einen dieser Orte besucht hat“, schrieb Jen Fitzpatrick, Senior Vice President of Core Systems and Experiences bei Google, in einer am 1. Juli 2022 auf der Website des Unternehmens veröffentlichten Erklärung.
Dies solle, wie sie schrieb, „in den kommenden Wochen“ in Kraft treten, schrieb sie. Der Standortverlauf ist eine Einstellung des Google-Kontos, die standardmäßig ausgeschaltet ist. Wer es aktiviert hat, kann seine Daten aber jederzeit ganz oder teilweise löschen.
„Viele Orte, die Menschen besuchen, können sehr persönlich sein. Dazu gehören nicht zuletzt medizinische Einrichtungen, Beratungszentren, Zufluchtsorte bei häuslicher Gewalt, Abtreibungskliniken, Fruchtbarkeitskliniken, Suchtbehandlungseinrichtungen, Kliniken für Gewichtsabnahme oder Schönheitschirurgie und so weiter“, schrieb sie.
Googles Mutterkonzern Alphabet gehören viele Geräte, Datendienste und Apps wie Android, Fitbit, Google Search und Google Maps. Fitbit-Nutzerinnen, die ihre Menstruationszyklen mithilfe der App im Auge behalten, können die Menstruationsprotokolle einzeln löschen. Das Unternehmen will jetzt Updates verfügbar machen, mit denen die Nutzerinnen auch mehrere Protokolle auf einmal löschen können, so Fitzpatrick.
„Die Privatsphäre ist den Menschen bei Gesundheitsthemen besonders wichtig“, schrieb sie. „Angesichts der Tatsache, dass sich Gesundheitsdienstleister, Telekommunikationsunternehmen, Banken, Technologieplattformen und viele mehr ebenfalls für diese Daten interessieren, ist uns bewusst, dass der Schutz der Privatsphäre nicht allein von einzelnen Unternehmen oder Staaten abhängen darf, die alle nach ihren eigenen Interessen handeln.“
Mehr Transparenz bei staatlichen Datenanforderungen?
Noch bevor die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu Roe v. Wade offiziell wurde, hielten die Gesetzgeber Tech-Unternehmen und die Federal Trade Commission dazu an zu gewährleisten, dass die Daten von Frauen, die sich einer Abtreibung unterziehen, geschützt werden können, falls das Grundsatzurteil gekippt werden sollte, berichtete CNBC. Ende Mai forderten 42 Anhänger der Demokraten Google schriftlich dazu auf, das Sammeln und Speichern von Standortdaten, die zur Identifizierung von Abtreibungswilligen verwendet werden könnten, einzustellen.
In der aktuellen Erklärung positionierte Google sich nicht eindeutig dazu, wie es auf mögliche Anfragen von Strafverfolgungsbehörden reagieren würde, berichtete CNBC. Das Unternehmen verkündete jedoch, es werde sich „weiterhin übertrieben weit gefassten oder anderweitig rechtlich bedenklichen Forderungen widersetzen“.
„Google kann auf eine lange Erfolgsbilanz verweisen, wenn es darum geht, sich gegen ausufernde Forderungen von Strafverfolgungsbehörden zu wehren, was auch die vollständige Ablehnung mancher Forderungen beinhaltet“, schrieb Fitzpatrick. „Wir respektieren die Bedürfnisse der Menschen nach Datenschutz und Sicherheit, wenn sie unsere Produkte nutzen, und wir benachrichtigen Personen, wenn wir Behördenforderungen nachkommen, es sei denn, es ist uns ausdrücklich verboten oder es stehen Menschenleben auf dem Spiel, wie etwa in einer Notfallsituation.“
Im Juni unterstützte Google eine parteiübergreifende Gesetzesinitiative mit dem Namen NDO Fairness Act (NDO = non disclosure order), die für mehr Transparenz bei staatlichen Datenanforderungen sorgen soll und Geheimhaltungsverpflichtungen aufweicht, welche Dienstanbieter bisher daran hindern, ihre Kunden über die Anforderung elektronischer Kommunikationsdaten zu informieren. Das US-Repräsentantenhaus hat das Gesetz am 21. Juni verabschiedet.
„Wir sehen, dass NDOs für eine zunehmende Anzahl von Gerichtsbeschlüssen, Haftbefehlen und Vorladungen von US-Behörden ausgestellt werden“, schrieb Kent Walker, Präsident für internationale Angelegenheiten bei Google und Alphabet, in einer am 23. Juni veröffentlichten Erklärung.
„Das bedeutet bisher, dass die Anbieter ihre Kunden erst viel später – wenn überhaupt – über solche Anfragen benachrichtigen können“, schrieb er. „Die Betroffenen haben dadurch nicht die Möglichkeit, vor Gericht zu gehen, um die Forderung nach Dateneinsicht anzufechten.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Nach Supreme-Court-Urteil: Google löscht Standortverlauf bei Abtreibungsthemen - Medscape - 27. Jul 2022.
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