Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 21. Juli 2022
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, 740,3 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 20. Juli lag der Wert noch bei 740,1.
9 von 10 Erwachsenen haben in Deutschland Antikörper gegen Corona
Krankenkassendaten: 3,5-mal mehr Corona-Infektionen bei Berufstätigen
Re-Infektionen erhöhen das Risiko für Klinikaufenthalte und Mortalität
Long-COVID: Viele Patienten weisen lange zirkulierendes Spike-Protein auf
UK-Studie zeigt: Halsschmerzen und Husten sind wichtigste Symptome
Für Ältere womöglich 5. Impfung sinnvoll?
UN: Pandemie ist der Grund für größten Rückschritt bei Kinder-Impfungen
9 von 10 Erwachsenen haben in Deutschland Antikörper gegen Corona
Die Seroprävalenz von (IgG-)Antikörpern bis zum Jahreswechsel 2021/22 in der Bevölkerung ab 18 Jahren wird bundesweit auf 92% geschätzt, bei den 14- bis 17-Jährigen waren es 86%.
Das Robert Koch-Institut hat neue Daten aus seiner großen Antikörperstudie "Corona-Monitoring bundesweit – Welle 2" veröffentlicht. Die Studie wurde gemeinsam mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) durchgeführt und ist als Factsheet abrufbar.
Aus der Seroprävalenz und Fragebogen-Angaben schließen die Forschenden, dass etwa 90% der Erwachsenen in Deutschland mindestens einmal geimpft waren und einen weiteren Antigenkontakt (durch Impfung oder Infektion) hatten.
Eine durchgemachte Infektion mit SARS-CoV-2 reicht laut Ständiger Impfkommission (STIKO) nicht aus, um spätere COVID-19-Erkrankungen zu verhindern. Vielmehr ist ein guter Schutz vor schwerer Erkrankung erst durch eine mehrmalige Auseinandersetzung mit dem SARS-CoV-2-Virus oder Virusbestandteilen zu erlangen. Dies kann durch eine dreimalige Impfung oder durch eine Kombination von Impfungen und Infektion erreicht werden. Die Studie Corona Monitoring bundesweit zeigt, dass dies Ende 2021 für ein Drittel der über 18-Jährigen erfüllt war.
In der Studie wurde auch die Untererfassung untersucht: Die Zahl der festgestellten Infektionen bei Erwachsenen lag - bezogen auf den gesamten Pandemiezeitraum bis Ende 2021 - etwa 1,5- bis 2-mal so hoch wie in den Meldezahlen. Zu berücksichtigen ist, dass die Unterfassung zeitlich und regional unterschiedlich sein kann, abhängig von Einflussfaktoren, wie z.B. Teststrategie und -angeboten.
Krankenkassendaten: 3,5-mal mehr Corona-Infektionen bei Berufstätigen
Eine Auswertung der Kaufmännische Krankenkasse (KKH) bietet auch einen Anhaltspunkt, wie sich die Pandemie in diesem Jahr entwickelt hat. Die Zahl der Corona-Infektionen bei Arbeitnehmern sei demnach drastisch gestiegen. Im ersten Halbjahr 2022 zählt die KKH bei ihren berufstätigen Mitgliedern rund 27.400 Fälle. Das sei fast dreieinhalbmal so viele wie im gesamten Jahr 2021, schreiben sie in ihrer Pressemitteilung.
Außerdem sind Arbeitnehmer in diesem Jahr bereits besonders häufig und lange wegen grippaler Infekte, Schnupfen, Bronchitis & Co. im Job ausgefallen. Wie Daten der KKH zeigen, sind im ersten Halbjahr 2022 bundesweit rund 30 Prozent aller Krankheitsfälle bei Berufstätigen auf Atemwegserkrankungen zurückzuführen. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 14% – ein Anstieg also um mehr als das Doppelte.
Die größtenteils aufgehobene Maskenpflicht, wieder mehr Begegnungen auf engerem Raum bei der Arbeit, beim Einkaufen, bei Veranstaltungen, bei gemeinsamen Aktivitäten in Vereinen und Verbänden: Dies alles könne zu der hohen Quote der Erkältungskrankheiten und Corona-Infektionen im laufenden Jahr beigetragen haben, erläutert Sonja Hermeneit, Ärztin bei der KKH. Aber auch die lange Zeit des konsequenten Maskentragens und der reduzierten Kontakte im vergangenen Winter bringe einen Nachholeffekt mit sich.
Re-Infektionen erhöhen das Risiko für Klinikaufenthalte und Mortalität
In einer noch nicht begutachteten Studie haben Forscher der Washington University School of Medicine und des VA Saint Louis Health Care System gezeigt, dass eine Reinfektion mit SARS-CoV-2 das Risiko einer Gesamtmortalität und eines Krankenhausaufenthalts erhöht, das während der ersten SARS-CoV-2-Infektion bestand.
Verwendet wurden Daten des US Department of Veterans Affairs von Personen mit einer Erstinfektion (n = 257.427), einer Reinfektion (2 oder mehr Infektionen, n = 38.926) und einer nicht infizierten Kontrollgruppe (n = 5.396.855) zu erstellen, um die Risiken und die 6-Monats-Belastung durch Gesamtmortalität, Krankenhausaufenthalte und eine Reihe von vorab festgelegten Erkrankungen zu bestimmen.
Im Vergleich zu Personen mit Erstinfektion bringt eine Reinfektion ein zusätzliches Risiko für Gesamtmortalität, Krankenhausaufenthalte und negative gesundheitliche Folgen für die Lungen und mehrere extrapulmonale Organsysteme (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gerinnungs- und hämatologische Erkrankungen, Diabetes, Müdigkeit, Magen-Darm-Erkrankungen, Nierenerkrankungen, psychische Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparats und neurologische Erkrankungen) mit sich.
Die Risiken traten bei denjenigen auf, die vor der 2. Infektion nicht geimpft waren, eine Impfung oder zwei oder mehr Impfungen erhalten hatten. Die Autoren schreiben, dass “Strategien zur Prävention von Reinfektionen erforderlich” sind um die Belastung durch Tod und Krankheit aufgrund von SARS-CoV-2 zu verringern.
Long-COVID: Viele Patienten weisen lange zirkulierendes Spike-Protein auf
Die Diagnose und Behandlung von Long-COVID stellt eine ständige medizinische Herausforderung dar. Persistierendes zirkulierendes Spike-Protein steht möglicherweise in Zusammenhang mit postakuten COVID-19-Folgeschäden. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Harvard University.
Die Forscher hatten Plasmaproben von Patienten (n = 63) analysiert, um zirkulierende virale Antigene und Entzündungsmarker zu quantifizieren. Sie fanden bei der Mehrheit der Patienten bis zu 12 Monate nach der Diagnose SARS-CoV-2-Spike-Antigen, was auf ein aktives, persistierendes SARS-CoV-2-Virusreservoir hindeutet.
Darüber hinaus zeigen zeitliche Antigenprofile bei vielen Patienten das Vorhandensein von Spike zu mehreren Zeitpunkten über mehrere Monate hinweg. Das hebt, so die Autoren, seinen potenziellen Nutzen als Biomarker für die post-akuten Folgen von COVID-19 (PASC) hervor.
„Interessante Studie der Harvard Uni zu #LongCovid. In der Mehrzahl der untersuchten Betroffenen gab es bis zu 12 Monate noch Hinweise für Virus im Körper. Das unterstützt die These, dass bei Long-COVID der Körper das Virus nicht komplett vernichten kann, twittert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dazu.
UK-Studie zeigt: Halsschmerzen und Husten sind wichtigste Symptome
Eine Studie (REACT) mit COVID-19-Patienten in Großbritannien hat ergeben, dass Geschmacks- und Geruchsverluste nicht mehr zu den wichtigsten Symptomen des Virus gehören.
Bei der kürzlich durchgeführten Umfrage unter rund 17.500 Patienten, gaben 58% Halsschmerzen, 49% Kopfschmerzen, 40% eine verstopfte Nase, 40% Husten ohne Schleim und 40 % eine laufende Nase an, so die BBC . Danach berichteten 37% über Husten mit Schleim, 35% über Heiserkeit und 32% über Niesanfälle. Nur 27% berichteten über Müdigkeit, 13% über veränderten Geruch, 11% über Kurzatmigkeit und 10% über Geruchsverlust, so die BBC. Der Verlust des Geruchsinns stand an 20. Stelle der gemeldeten Symptome.
In den ersten Tagen der Pandemie hatten Geruchs- und Geschmacksverluste zu den deutlichsten Symptomen einer COVID-Infektion gehört.
Die REACT-Studie (Real-time Assessment of Community Transmission) wurde vom Imperial College London entwickelt und durchgeführt, indem zufällig ausgewählten Personen monatlich Abstrichtests für zu Hause zugeschickt und dann nach ihren Symptomen gefragt wurde.
Die Symptome können sich verändert haben, weil das Coronavirus seit Beginn der Pandemie mutiert ist, so die Schlussfolgerung der Autoren. Die Varianten BA.4 und BA.5 dominieren jetzt die COVID-19-Fälle im Vereinigten Königreich und in vielen anderen Ländern.
Über die Veränderungen bei den Symptomen wurde bereits an anderer Stelle berichtet. In einer Studie, die im Mai in der Zeitschrift Otolaryngology-Head and Neck Surgery veröffentlicht wurde, heißt es, dass die Rate des Geruchs- und Geschmacksverlusts bei Omikron 17% beträgt, verglichen mit 44% bei Delta und 50% bei Alpha. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass der Geruchsverlust bei Menschen, die mit den Varianten BA.4 und BA.5 infiziert sind, wieder zunimmt, berichtete NBC News.
Valentina Parma, eine Psychologin, die sich am Monell Chemical Senses Center in Philadelphia mit dem menschlichen Geruchssinn beschäftigt, berichtet, dass immer mehr COVID-19-Patienten sagen, sie hätten ihren Geruchssinn verloren. „Was ich in meiner Ecke der Welt sehe, ist ein Anstieg“, sagte sie gegenüber NBC News . „Es scheint mehr Anfragen zu geben als zu Beginn des Jahres, aber immer noch deutlich weniger als bei Delta.“
Für Ältere womöglich 5. Impfung sinnvoll?
Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Prof. Dr. Gernot Marx, hält für ältere Menschen im Herbst unter Umständen eine 5. Impfung gegen das Coronavirus für angebracht. „Sollte es ab Oktober einen Impfstoff geben, der vor der Infektion mit den Varianten BA.4 oder BA.5 schützt, wäre eine 5. Impfung sinnvoll", sagte Marx im Interview mit der Augsburger Allgemeinen.
Wichtig sei, dafür die Kapazitäten in Zentren oder Arztpraxen aufzubauen. Marx bat speziell Ältere, sich auch gegen Grippe impfen zu lassen: „Lassen Sie sich im Herbst parallel gegen Influenza impfen! Ich fürchte sonst, dass viele Grippekranke mit schweren Verläufen die Situation auf den Intensivstationen weiter verschärfen könnten – so wie wir es jetzt gerade in Australien sehen”.
Aktuell haben 61,8% der Bevölkerung eine Auffrischungsimpfung gegen SARS-CoV-2 erhalten, 7,5% Prozent eine 2. Auffrischungsimpfung.
Vor wenigen Tagen hatten EU-Behörden eine zweite Auffrischungsimpfung für alle ab Jahren 60 ausgesprochen. Die STIKO empfiehlt das nur Menschen über 70 Jahren sowie einigen Risikogruppen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rät auch Menschen unter 60 Jahren, sich nach Rücksprache mit dem Arzt ein 4. Mal gegen Corona impfen zu lassen.
UN: Pandemie ist der Grund für größten Rückschritt bei Kinder-Impfungen
Weltweit haben rund 25 Millionen Kinder im vergangenen Jahr Routineimpfungen verpasst, weil die Auswirkungen der Pandemie die Gesundheitsversorgung weiterhin beeinträchtigen.
Das sind 2 Millionen Kinder mehr als im Jahr 2020, als COVID-19 weltweit zu Lockdowns führte, und 6 Millionen mehr als vor der Pandemie im Jahr 2019. Das geht aus neuen Zahlen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor.
UNICEF bezeichnete den Rückgang der Impfungsrate als den größten anhaltenden Rückgang der Kinderimpfungen seit einer Generation. Das lässt sich die Durchimpfungsraten auf ein Niveau zurückfallen, das seit den frühen 2000er Jahren nicht mehr erreicht wurde.
Experten hatten gehofft, dass im Laufe des Jahres 2021 ein gewisser Rückstand aufgeholt werden könnte, doch die Situation hat sich noch verschlechtert.
Credits:
Photographer: © Angellodeco
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Re-Infektionen erhöhen Risiko für schweren Verlauf; 9 von 10 Erwachsenen haben Antikörper; Long-COVID Biomarker - Medscape - 21. Jul 2022.
Kommentar