„Honorarkürzung!“: Die Anhörung zum GKV-Spargesetz machte alles noch schlimmer – die wütende Kritik der Ärzte-Verbände

Christian Beneker

Interessenkonflikte

20. Juli 2022

Protest und kein Ende. Der Virchowbund, die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Bundesärztekammer – landauf, landab protestieren derzeit die berufspolitischen Verbände der deutschen Ärztinnen und Ärzte gegen das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, dessen Referentenentwurf Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) kürzlich vorgelegt hat.

Danach soll in Rasenmäher-Manier gespart werden. Unter anderem Steuerzahler, Krankenkassen, Pharmahersteller und Ärzte sollen in gemeinsamer Anstrengung die GKV retten. Andernfalls würden im kommenden Jahr der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) rund 17 Milliarden Euro fehlen.

Eine Sparmaßnahme bringt die Kritiker besonders auf die Zinne: Lauterbach will die extrabudgetäre Vergütung der Behandlung von Erstpatienten zurücknehmen, wie sie im Terminservice- und Versorgungsgesetz niedergelegt wurde. 

In der Anhörung zur Sache am 13. Juli hat der GV-Spitzenverband aus Sicht der Ärzteschaft sogar noch einmal Öl ins Feuer gegossen. So forderte er, auch die extrabudgetäre Vergütung von offenen Sprechstunden abzuschaffen und den Orientierungspunktwert in den kommenden 2 Jahren nicht anzuheben.

„Schwerer Schlag ins Gesicht!“

„Nicht mit uns!“, kommentierte Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes bereits Ende Juni die Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium. Wie auch Vertreter der übrigen Verbände schimpft Heinrich besonders darüber, die mit dem Terminservicegesetz eingeführte Entbudgetierung von Neupatienten bei Haus- und Fachärzten wieder zu kassieren.

„Das ist nichts anderes als Honorarkürzung“, so Heinrich. „Wird die Vergütung reduziert, müssen auch die Leistungen eingeschränkt werden, insbesondere im Hinblick auf Inflation und Fachkräftemangel in den Praxen. Dann kommen wieder Wartezeiten bei Terminvergaben – also eine eindeutige Leistungskürzung“, so der Virchowbund-Vorsitzende.“

Es geht um einen mittleren 3-stelligen Millionenbetrag der hier jährlich eingespart werden soll, heißt es in dem Entwurf des Gesetzes

Um seinem Protest Nachdruck zu verleihen, hat der Virchowbund seinen Mitgliedern gleich eine ganze Reihe von Textbausteinen zur Verfügung gestellt, die den Protest kanalisieren sollen. Die Ärzte sollen sie in ihre Protestschreiben einfügen und das Ganze an die Abgeordneten in ihrem Wahlkreis senden. Viele Kollegen haben ihrem Ärger per Copy-and-paste-Funktion Luft gemacht, so der Virchowbund.

Heinrich bezeichnet Lauterbachs Pläne als „schweren Schlag ins Gesicht der Ärzteschaft“. Er erinnerte an den Einsatz, den die Niedergelassenen gebracht haben, um die COVID-19-Epidemie unter Kontrolle zu bringen. „Ich frage mich allen Ernstes, wie Lauterbach durch den Pandemie-Herbst kommen will“, erklärte Heinrich. „Wer soll die erforderlichen Impfungen durchführen, wenn der Minister die Ärzte als zentrale Akteure so deutlich vor den Kopf stößt?“

 
Das ist nichts anderes als Honorarkürzung. Dr. Dirk Heinrich
 

Die Enttäuschung der Ärzte wiegt umso schwerer, als dass Lauterbach sich bei Einführung des TSVG samt der extrabudgetären Zahlung bei Neupatienten noch explizit an die Seite der Vertragsärzteschaft gestellt hatte. Nun hat die einst schöne Solidarität ein Ende. So sieht es offenbar die Berufspolitik der niedergelassenen Ärzte. Umso enttäuschter sind die Reaktionen.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Claus Reinhardt, wirft Lauterbach Wortbruch vor. Der Minister habe versprochen, keine Leistungskürzungen vorzunehmen aber sein Wort nicht gehalten, so Reinhardt. „Wenn jetzt auch noch, wie von der GKV gefordert, die extrabudgetäre Vergütung der offenen Sprechstunden gestrichen wird, ist das nach drei Jahren Pandemie ein Affront gegenüber den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und ihrer Medizinischen Fachangestellten.“

Die Steuerzahler sollen es richten

Nach der Anhörung zum Gesetzesvorhaben am 13. Juli meldete sich auch Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nochmals zu Wort: „Die Sparvorschläge des GKV-Spitzenverbandes gehen, wie so oft, völlig an der Realität vorbei. Sie zeigen wieder einmal, wie weit die Krankenkassen von der medizinischen Versorgung und den Problemen ihrer Versicherten entfernt sind.“ Statt die Leistungen zu kürzen sollten die Kassen wertvolles Gut wie die offenen Sprechstunden „auf Dauer erhalten und stärken“.

 
Die Sparvorschläge des GKV-Spitzenverbandes gehen, wie so oft, völlig an der Realität vorbei. Dr. Andreas Gassen
 

Und statt die Honorare zu kürzen, sollen die Steuerzahler mehr Geld in den Gesundheitsfonds zahlen, fordert der Ärztepräsident. Jedenfalls sei der 2-Milliarden-Euro-Zuschuss für das Jahr 2023 „weder in der vorgesehenen Höhe noch im Hinblick auf die nur einjährige Laufzeit ausreichend“, so Reinhardt. Im Übrigen fordert der BÄK-Präsident eine „Strukturreform“ der GKV, beziehungsweise „verstetigte Bundesmittel, um die GKV-Finanzen nachhaltig zu stützen“.

Die Kassenseite indessen kritisiert die „kurzfristige Gegenfinanzierung durch Steuerzuschüsse“. Die Bundesregierung habe die Chance für eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitssystems mit dem Gesetzentwurf vertan, erklärten die beiden Vorsitzenden des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes, Uwe Klemens und Dr. Susanne Wagemann. Notwendige Strukturreformen müssten nun dringend angegangen werden, dürften aber nicht zulasten der Beitragszahler gehen.

 

Kommentar

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