Die CAR-T-Zelltherapie ist ein sehr wirksames Verfahren für Krebspatienten; wie bei allen solchen Therapien gibt es aber auch Schattenseiten, also Nebenwirkungen. Über eine sogar tödliche Komplikation bei einer jungen Frau berichten Ärzte der Universität von Bologna im Journal of Neurology [1].
Die Patientin und ihre Geschichte
Die 35-jährige Frau war an einem mediastinalen großzelligen B-Zell-Lymphom erkrankt und erhielt daher eine CAR-T-Zelltherapie (CAR: chimeric antigen receptor). Eine umfassende neurologische Untersuchung einschließlich MRT des Gehirns war unauffällig.
Die Patientin erhielt zunächst 5 Zyklen Pembrolizumab und eine Chemotherapie (Fludarabin und Cyclophosphamid). Dann wurde Axicabtagen-Ciloleucel (2×106 anti-CD19 CAR-T-Zellen/kg) verabreicht. 12 Stunden danach entwickelte sie ein Grad-1-CRS (cytokine release syndrome), das sich als refraktär gegen die Therapie mit Tocilizumab erwies, die gleichzeitig mit einem leichten Anstieg des IL-6 (34,9 pg/ml, Normalwert < 5,9 pg/ml) und des C-reaktiven Proteins (5,05 mg/dl, Normalwert < 0,5 mg/dl) begonnen wurde.
Eine Thorax-Computertomografie und mehrere Blutkulturen schlossen eine infektiöse Ätiologie aus.
Der weitere Verlauf
In der Nacht vom 3. auf den 4. Tag trat außer Fieber auch Erbrechen auf, am nächsten Morgen kamen Aphasie und Tremor hinzu; zudem wurde die Patientin rasch lethargisch. Sie erhielt daraufhin Dexamethason und wurde auf die Intensivstation verlegt, sediert und intubiert. Wenige Stunden später, nach Absetzen der Sedierung, war die Patientin komatös, ihre erweiterte rechte Pupille reagierte nicht mehr auf Licht; die anderen Hirnstammreflexe waren jedoch erhalten.
Bluttests ergaben einen dramatischen Anstieg von IL-6 (2144 pg/ml) und D-Dimeren (12,14 mg/dl), andere Entzündungsmarker waren dagegen nur leicht erhöht.
Die zerebrale CT-Aufnahme zeigte ein diffuses Hirnödem, eine intrakranielle Druckmessung ergab einen deutlich erhöhten Wert. Trotz intensiver pharmakologischer und nicht-pharmakologischer Maßnahmen starb die Patientin 12 Stunden nach Beginn der neurologischen Verschlechterung. Ihre Familie lehnte eine Autopsie ab.
Wie kam es zu dem tödlichen Verlauf?
Die CAR-T-Zelltherapie ist eine neuartige Immuntherapie, die bei bestimmten hämatologischen Krebserkrankungen bemerkenswert wirksam ist. Ihre hohe Wirksamkeit wird jedoch bei einer Untergruppe von Patienten durch das CRS und neurologische Nebenwirkungen (ICNS: Immmuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom), beeinträchtigt.
Die neurologischen Symptome sind heterogen und umfassen zum Beispiel Sprachstörungen, Vigilanzminderung und epileptische Anfälle. In seltenen Fällen kann es auch zu einem rasch progredienten therapierefraktären und fatalen Hirnödem kommen. Die zugrundeliegenden biologischen Zusammenhänge, die Häufigkeit, die Risikofaktoren und die besten Behandlungsstrategien sind nach Angaben der italienischen Autoren um Umberto Pensato von der Universität Bologna derzeit noch unklar.
Geschätzt werde, dass 1 bis 2% der Empfänger von Anti-CD19-CAR-T-Zellen ein schnell fortschreitendes neurotoxisches Syndrom entwickeln; bisher seien jedoch nur sehr wenige Fälle im Detail beschrieben worden.
Ein zuverlässiger Risikofaktor sei zwar noch nicht identifiziert worden, aber vermutlich spiele ein frühes und schweres CRS eine wichtige Rolle, berichten Pensato und seine Kollegen. Darüber hinaus könnten sie nicht ausschließen, dass Tocilizumab bei ihrer Patientin zu dem tödlichen Verlauf beigetragen habe.
Aufgrund der raschen Entwicklung sei es nicht möglich gewesen, eine umfassende Untersuchung zum Ausschluss möglicher infektiöser Ursachen im ZNS durchzuführen; die Blutkulturen seien allerdings negativ für Bakterien und Pilze gewesen; Hinweise auf eine virale Infektion habe es auch nicht gegeben. Dies gelte auch für eine zerebrale Venenthrombose (CVT), die sie ebenfalls in Betracht gezogen hätten.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Nach CAR-T-Zelltherapie: Koma und Hirntod einer jungen Krebspatientin – Diskussion möglicher Ursachen - Medscape - 19. Jul 2022.
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