Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 14. Juli 2022
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, 720,4 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 13. Juli lag der Wert noch bei 691,8.
ZI: Long-COVID meist bei Patienten mit Vorerkrankungen
„Living Guidelines“ der WHO aktualisiert: Aus für Fluvoxamin und Colchicin
Wie gefährlich sind Koinfektionen mit SARS-CoV-2 und Influenza?
Antikörper-Titer liefert Hinweise auf Risiko für Durchbruchsinfektionen – eine Möglichkeit für Screenings?
ZI: Long-COVID meist bei Patienten mit Vorerkrankungen
Eine Analyse des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Versorgung (ZI) zeigt, dass vor allem Patienten mit Vorerkrankungen Long-COVID entwickeln. Über die Daten berichten mehrere Medien; die Studie wurde beim ZI bis Redaktionsschluss des Blogs noch nicht veröffentlicht.
Das ZI hat rund 880.000 Fälle aus 2021 erfasst. 2 Drittel der Patienten waren allerdings nach spätestens einem Quartal wieder beschwerdefrei. Nur 1% der Patienten litt langfristig an Symptomen.
„96% der Long-COVID-Fälle waren im Jahr zuvor bereits in ärztlicher Behandlung“, sagt der ZI-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried. „Diese Daten zeigen: Long-COVID-Patienten weisen häufiger als die Allgemeinbevölkerung Vorerkrankungen wie Atemwegserkrankungen, Bluthochdruck, Übergewicht und psychische Erkrankungen auf.“
Antikörper-Titer liefert Hinweise auf Durchbruchsinfektionen – eine Möglichkeit für Screenings?
Trotz des hohen Schutzes gegen schweres COVID-19, den Impfstoffe bieten, treten sehr häufig Durchbruchsinfektionen auf. Bisher gibt es keine Informationen darüber, ob sich aus dem Antikörper-Spiegel nach einer Auffrischungsimpfung ableiten läßt, wie gut man vor einer Durchbruchsinfektion geschützt ist. Dieser Frage sind Forscher der Universität Duisburg-Essen jetzt nachgegangen.
Bei 1.391 Angestellten des Universitätsklinikums Essen wurden Bindungskörperspiegel und Neutralisationskapazitäten nach der 1., dann 1 und 6 Monate nach der 2. sowie 1 Monat nach der 3. Impfung gegen COVID-19 gemessen. Demografische Daten, Impfschema, Antikörpertiter vor der Infektion und Neutralisierungskapazität wurden zwischen Personen mit und ohne Durchbruchsinfektionen verglichen.
Zu den Ergebnissen: Das Risiko, eine Omikron-Durchbruchsinfektion zu entwickeln, war unabhängig vom Impfschema, vom Geschlecht, vom Body-Mass-Index, vom Raucherstatus oder von Vorerkrankungen.
Bei Teilnehmern mit niedrigen Anti-Spike-Antikörpern vor der Infektion (≤ 2641,0 BAU/ml) und einer schwachen Neutralisierungskapazität (≤ 65,9%) gegen Omikron war das Risiko, 1 Monat nach der Auffrischungsimpfung Omikron-Infektionen zu entwickeln, um das 10-Fache erhöht (p=0,001; 95-% Konfidenzintervall 2,36-47,55).
„Die routinemäßige Untersuchung von Anti-SARS-CoV-2-IgG-Antikörpern und Surrogat-Virusneutralisation können … dazu beitragen, Personen zu identifizieren, die ein Risiko für eine Durchbruchinfektion haben“, so die Autoren. Anhand von Schwellenwerten für Non-Responder könne man auch Indikationen für Auffrischungsimpfungen definieren.
„Living Guidelines“ der WHO aktualisiert: Aus für Fluvoxamin und Colchicin
Forscher aktualisieren im BMJ online regelmäßig die Guideline zur Pharmakotherapie bei COVID-19. Das jetzt veröffentlichte Update bewertet Fluvoxamin und Colchicin neu. Beide Arzneistoffe waren zu Beginn der Pandemie aufgrund erster Hinweise auf eine Wirkung in Studien untersucht worden.
Effekte auf Endpunkte wie das Überleben, die Hospitalisierungsrate oder die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung seien gar nicht vorhanden oder nur marginal, heißt es. Hinzu komme die Gefahr möglicher Nebenwirkungen. Deshalb rät die WHO Ärzte davon ab, beide Arzneistoffe im Rahmen der Patientenversorgung einzusetzen. Die Wirkstoffe sollten nur im Rahmen klinischer Studien eingesetzt werden – und selbst da nur bei Patienten mit leichtem COVID-19.
Wie gefährlich sind Koinfektionen mit SARS-CoV-2 und Influenza?
In der nasskalten Jahreszeit könnten sich Patienten gleichzeitig mit Influenza und mit SARS-CoV-2 infizieren, lautet eine recht wahrscheinliche Vermutung. Jetzt berichten Forscher im Journal of Virology , dass eine Influenza-Infektion die gleichzeitige Coronavirus-Infektion hemmen könnte. Sie haben mit Zellkulturen und mit einem Hamstermodell gearbeitet. Es zeigte sich, dass das Influenza-A-Virus die Vermehrung von SARS-CoV-2 in der Lunge inhibiert – für mehr als 1 Woche. Hamster wurden dazu erst mit Influenza-A und 3 Tage später mit SARS-CoV-2 infiziert. Als Erklärung führen die Autoren höheren Interferon-Spiegel nach der Primärinfektion mit Influenza-A an. Eine umgekehrte Reihenfolge der Infektionen blieb ohne Effekt.
Jetzt hoffen Forscher darauf, dass im Herbst und Winter Koinfektionen zu keinem klinisch schwereren Bild führen. Doch daran lässt sich zweifeln: Eine in The Lancet veröffentlichte klinische Studie fand Hinweise auf höhere Mortalitätsraten.
„Viele Studien, die sich mit Koinfektionen von Influenza und SARS-CoV-2 beschäftigen, zeigen höhere Mortalitäten, wenn man sich koinfiziert“, bestätigt Prof. Dr. Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie, Philipps-Universität Marburg. Die aktuelle Studie komme anhand eines Hamstermodells jedoch zu einem anderen Schluss. „Die Grippe versetzt den Organismus des Hamsters quasi in einen antiviralen Status, bei dem nach der Infektion Interferon-stimulierte Gene hochreguliert werden“, so seine Erklärung. Dazu brauche es keine Antikörper. „Es ist bekannt, dass Influenzaviren Proteine kodieren, die die zelluläre Immunantwort sehr effizient unterdrücken“ so der Experte.
Er gibt jedoch zu bedenken, dass Hamstermodelle „keine allgemeingültigen Schlüsse für die reale klinische Situation“ zuließen. „Ich würde mich nicht anhand von Hamsterdaten darauf verlassen, dass Koinfektionen mit Influenza und SARS-CoV-2 vergleichsweise harmlos verlaufen – obwohl die Studie gute Daten präsentiert und das Autorenteam auch renommiert ist.“
Mit allzu vielen Daten aus Kohortenstudien rechnet der Experte aktuell jedoch nicht, „denn die Menge jener, die zu einer bestimmten Zeit koinfiziert sind, und im besten Fall auch noch in der richtigen Reihenfolge, ist nicht sehr groß“. Hinzu kämen weitere unbekannte Einflussfaktoren wie der Impfstatus und die Art der Viren.
Credits:
Photographer: © Yurii Kibalnik
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Diesen Artikel so zitieren: Wie gut ist Impfschutz nach Booster? Neue Daten zu Antikörper-Titern; Long-COVID – nur Vorerkrankte; Grippe + Corona ein Vorteil? - Medscape - 14. Jul 2022.
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