Das dritte Quartal hat begonnen und damit traten wieder einige Änderungen im Gesundheitssektor in Kraft. Eine Auswahl der wichtigsten Neuregelungen haben wir für Sie zusammengestellt [1].
COVID-Zertifikate: PVS-Module nicht mehr finanziert
Das Bundesgesundheitsministerium übernimmt seit 1. Juli 2022 keine Kosten mehr für das PVS-Modul zur Ausstellung von Impf- und Genesenenzertifikaten. Software-Hersteller können das PVS-Modul weiterhin auf eigene Verantwortung und Rechnung betreiben.
Als Alternative steht Praxen der kostenlose Impfzertifikatsservice des Robert Koch-Instituts (RKI) als Web- oder Desktop-Anwendung zur Verfügung. Wie das funktioniert, erläutert das RKI in einem Informationsblatt für Ärztinnen und Ärzte.
Weniger Geld für PCR-Tests
Coronatests für Personen ohne Krankheitssymptome soll es nach dem 30. Juni 2022 weiterhin geben, allerdings bringt die neue Coronavirus-Testverordnung (TestV) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) grundlegend geänderte Regularien, vor allem für die Bürgertests. Kostenlos sollen sie nur für vulnerable Bevölkerungsgruppen und bestimmte Anlässe bleiben.
Allerdings wurde die Vergütung für SARS-CoV-2-PCR-Tests nach EBM bei GKV-Versicherten mit Krankheitssymptomen zum 1. Juli von bislang 35,00 Euro auf 27,30 Euro pro Test abgesenkt. Zudem wurde der obligatorische Leistungsinhalt der Gebührenordnungsposition (GOP) 32816 geringfügig angepasst: Als Untersuchungsmaterial der oberen Atemwege sind nur noch Abstriche des Oropharynx und/oder des Nasopharynx zulässig.
eAU: Übergangsregelung lief Ende Juni aus
Eigentlich ist seit 1. Oktober 2021 – sofern technisch möglich – die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) verpflichtend. Allerdings erlaubte eine Übergangsfrist, AU-Bescheinigungen vorübergehend weiterhin wie gewohnt mit dem „gelben Schein“ (Muster 1) auszustellen. Diese Frist lief nun aus.
Inzwischen bieten alle Hersteller von Praxisverwaltungssystemen das Update für die eAU an. Somit ist das Muster 1 seit 1. Juli 2022 offiziell nicht mehr zulässig – weder auf Papier noch als Blankoformular. Spätestens bis dahin mussten Praxen auf das digitale Verfahren für die Krankschreibung umgestellt sein. Umfassende Informationen zum Thema bietet die Praxisinfo „Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ der KBV.
Medizinische Reha: Neues Formular 61 seit Juli
Die Reha-Verordnung änderte sich zum 1. Juli. Arzt- und Psychotherapiepraxen müssen dann neue Formulare verwenden. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber den Zugang zur Reha erleichtern will.
Was sich konkret ändert und neu auf dem Reha-Formular 61 ist, erläutert die KBV in einer Praxisinfo.
Psychotherapie: Videosprechstunde flexibler einsetzbar
Mit Auslaufen der Corona-Sonderregelung können Videosprechstunden seit April 2022 nur in einem begrenzten Umfang abgerechnet werden. Leistungen, die entsprechend ihrer Beschreibung im Rahmen der Videosprechstunde erbracht werden können, sind je Vertragsarzt/-ärztin und Vertragspsychotherapeut/in im Quartal auf 30% je Gebührenordnungsposition begrenzt.
Für die psychotherapeutischen Leistungen des Kapitels 35 im EBM wird diese Regelung nun gelockert: Vorausgesetzt die Leistungen können im Rahmen einer Videosprechstunde erbracht werden, wird seit dem 1. Juli 2022 – mit Ausnahme der psychotherapeutischen Akutsprechstunde – für diese Leistungen die Obergrenze von 30% nicht mehr auf jede einzelne GOP angewandt. Stattdessen bezieht sich die Begrenzung auf die Gesamtpunktzahl aller GOP des Kapitels 35, die in einem Quartal je Vertragsarzt/-ärztin und Vertragspsychotherapeut/in in Videosprechstunden abgerechnet werden.
Ausgenommen von der neuen Begrenzungsregelung ist die psychotherapeutische Akutbehandlung mit der GOP 35152. Diese Leistung darf weiterhin pro Quartal nur bis zu 30% per Video patientenübergreifend erbracht werden. Eine weitere Ausnahme bilden die psychotherapeutische Sprechstunde und probatorische Sitzungen, die seit Ende der Corona-Sonderregelung generell nicht mehr im Rahmen von Videosprechstunden durchgeführt werden können.
Die Anpassungen der Begrenzungsregelung wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2022 vom Bewertungsausschuss (BA) beschlossen.
Substitutionstherapie mit Depotpräparat: Therapiegespräch weiterhin berechnungsfähig
Im Zusammenhang mit einer Behandlung mit einem Depotpräparat kann auch weiterhin ein therapeutisches Gespräch abgerechnet werden.
Die GOP 01953 (Substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger mit einem Depotpräparat) wird rückwirkend zum 1. April 2022 in die Leistungslegende der GOP 01952 (Therapeutisches Gespräch) aufgenommen.
Die Regelung war bereits Teil der befristeten Regelungen zum Coronavirus, die zum 31. März 2022 ausgelaufen waren. Mit der rückwirkenden Änderung zum 1. April können die beiden Leistungen nun dauerhaft zusammen erbracht und abgerechnet werden, die GOP 01952 wieder höchstens viermal im Behandlungsfall. Mehr Informationen erhalten Sie bei der KBV.
Neues Heilmittel: Nagelspangenbehandlung
Seit 1. Juli 2022 können Ärztinnen und Ärzte eine Nagelspangenbehandlung bei eingewachsenen Zehennägeln verordnen. Konkret geht es um die Behandlung bei eingewachsenen Fußnägeln (Unguis incarnatus). Eine solche Behandlung war ausschließlich eine ärztliche Leistung, jetzt kann sie zusätzlich auch von der Podologie übernommen werden.
Damit die Behandlung bei eingewachsenen Zehennägeln als Heilmittel verordnet werden kann, muss ein Unguis incarnatus (ICD-10 L60.0) in den Stadien 1, 2 oder 3 an den unteren Extremitäten vorliegen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Sonderregelungen für Früherkennungsuntersuchungen U6 bis U9 enden
Für die Früherkennungsuntersuchungen U6 bis U9 bei Kindern gelten seit dem 1. Juli 2022 wieder die regulären Fristen und Toleranzzeiten wie vor der Corona-Pandemie. Das teilte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit ( Coliquio berichtete).
Vergütung für HPV-Test angehoben
Der HPV-Test zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs wird seit 1. Juli 2022 höher vergütet. Das hat der Bewertungsausschuss beschlossen.
Beim präventiven HPV-Test nach den Gebührenordnungspositionen 01763, 01767 und der Genotypisierung bei positivem HPV-Test nach der GOP 01769 steigt die Vergütung auf 168 Punkte (18,93 Euro; bisher 153 Punkte/17,24 Euro).
Für den kurativen HPV-Test nach der GOP 32819 wurde die Vergütung seit Juli auf 21 Euro angehoben (bisher 18,80 Euro). Die GOP 32819 beinhaltet dabei auch die Genotypisierung bei positivem HPV-Nachweis.
Vergütung für Bluttest auf Trisomien vereinbart
Zur ärztlichen Beratung von Schwangeren über einen nicht-invasiven Pränataltest zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 steht die Versicherteninformation bereit. Hierfür ist jetzt die Vergütung mit Wirkung seit 1. Juli vereinbart worden.
Der G-BA hatte 2019 beschlossen, dass der vorgeburtliche Bluttest auf die Trisomien 13, 18 und 21 in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Mit der Untersuchung an fetaler DNA aus mütterlichem Blut auf die Trisomien 13, 18 und 21 sollen invasive pränatal-diagnostische Maßnahmen (z.B. Fruchtwasseruntersuchungen) vermieden werden.
Nunmehr hat der G-BA die Vergütung der ärztlichen Beratung über den Test und der Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 mittels nicht-invasivem Pränataltest (NIPT) beschlossen. Sie wird seit dem 1. Juli gezahlt.
Anpassungen von strahlentherapeutischen Leistungen
Der Bewertungsausschuss hat die strahlentherapeutischen Leistungen im EBM erneut überprüft und Anpassungen sowie strukturelle Änderungen an den Gebührenordnungspositionen beschlossen.
Anfang 2021 sind die strahlentherapeutischen Leistungen des Kapitels 25 im EBM neu gefasst worden. Dabei sollte die Umstellung Punktsummen- und Ausgaben-neutral erfolgen, die Bewertung der Leistungen basierte auf Kalkulationsannahmen.
Zum 1. Oktober 2021 wurde nach einer ersten Prüfung durch den Bewertungsausschuss die Absenkung einiger Leistungen des Kapitels 25 beschlossen. In einem zweiten Schritt wurden nun zum 1. Juli 2022 weitere Änderungen umgesetzt: So wird seit Juli ein Teil der im Januar 2021 neu eingeführten Zuschläge zur Hochvolttherapie in ihre jeweilige Grundleistung integriert – und diese Grundleistungen werden entsprechend höher bewertet.
Zusätzlich wird die Vergütung mehrerer weiterer Zuschläge angehoben. Mehr Informationen finden Sie bei der KBV.
Mikrobiologische Diagnostik im EBM angepasst
Zum 1. Juli wurden Leistungen der mikrobiologischen Diagnostik neu in den EBM aufgenommen, ergänzt und an den Stand von Wissenschaft und Technik angepasst. Die wichtigsten Neuerungen:
Nach der GOP 32480 können künftig Nachweise von allen Arzneimittel-spezifischen Antikörpern unabhängig vom auslösenden Wirkstoff abgerechnet werden. Hierfür wurde die Einschränkung auf den Wirkstoff Velmanase alfa aufgehoben. In diesem Zuge entfällt die GOP 32481, die bisher für den Nachweis von Antikörpern gegen Sebelipase alfa vorgesehen war.
Nukleinsäure-basierte direkte Erregernachweise für Erreger einer akuten gastrointestinalen Infektion, einer sexuell übertragbaren Infektion oder einer Atemwegsinfektion werden indikationsspezifisch in den neuen GOP 32851 bis 32853 zusammengefasst. Die Bewertungen der GOP 32851 bis 32853 unterliegen einer Abstaffelung ab dem zweiten Erreger und einem Höchstwert.
Weitere Details können Sie dem Beschluss des Bewertungsausschusses entnehmen.
Labornachweis von Affenpocken: Befristete Pseudoziffer
Eine befristete Pseudoziffer für einen Nukleinsäure-basierten direkten Erregernachweis von Affenpocken kann rückwirkend ab dem 1. Juni zunächst bis zum 30. September 2022 abgerechnet werden. Dies haben KBV und Krankenkassen Ende Juni in einem Eilverfahren beschlossen.
Praxen mit Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine Affenpocken-Infektion beauftragen die Laboruntersuchung des Probenmaterials aus Haut- oder Schleimhautläsionen auf Muster 10.
Mindestlohn erhöht sich schrittweise
Die Erhöhung des Mindestlohns ist beschlossen. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf am 3. Juni 2022 verabschiedet, der Bundesrat hat am 10. Juni 2022 zugestimmt.
Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland beträgt derzeit 9,82 Euro – das sah die 3. Mindestlohnanpassungsverordnung so vor. Zum 1. Juli wird er auf 10,45 Euro ansteigen.
Diese Anpassung wird jedoch nur von kurzer Dauer sein: Wie von der SPD und den Grünen vor der Wahl versprochen, wird der Mindestlohn dann zum 1. Oktober 2022 einmalig auf 12 Euro angehoben.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
Credits:
Photographer: © Alexey Novikov
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Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Coronatests, eAU, neue Vergütungen und mehr: Das müssen Sie nun ab Juli in Ihrer Praxis anders handhaben - Medscape - 5. Jul 2022.
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