Booster mit Mono- oder Bi-Impfstoff? Alzheimer und Parkinson nach Infektion; Katze steckt Tierarzt mit Corona-Virus an

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

30. Juni 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 30. Juni 2022

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, 668,6 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 29. Juni lag der Wert bei 646,3.

Der aktuelle Trend lässt sich vor allem durch Omikron-Subvarianten erklären. „BA.5 ist die übertragbarste Variante des Virus mit der stärksten Immunflucht seit Beginn der Pandemie“, schreibt Eric Topol, Kardiologe und Editor-in-Chief von Medscape. „Obwohl seine Spike-Sequenz fast die gleiche ist wie die von BA.4, gibt es mehrere Mutationen in anderen Teilen des Virus, die für seine Fitness verantwortlich sein könnten.“

  • Labormediziner bestätigen Sommerwelle – 39% Zunahme positiver Tests

  • BioNTech/Pfizer: Sicherheit und Wirksamkeit modifizierter mRNA-Vakzine

  • Beweis erbracht: Hirnvenenthrombosen durch Impfungen – nicht durch Reaktionen auf SARS-CoV-2

  • Neurodegenerative Erkrankungen: Risiko mit viralen Infekten assoziiert

  • SARS-CoV-2- Seroprävalenz bei Kindern unter 3 Jahren und generell bei Kindern mit Migrationshintergrund am höchsten

  • Katzen und COVID-19: Forscher dokumentieren 1. Fall

Labormediziner bestätigen Sommerwelle – 39% mehr positive Tests

Daten der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) bestätigen den Trend nach oben. In der Woche 25 (20.06.-26.06.2022) wurden 828.091 SARS-CoV-2-PCR-Untersuchungen in ALM-Laboren durchgeführt. Zum Vergleich: In KW 24 waren es 656.432, in KW 23 582.024 und in KW 22 552.815 Tests.

Im Vergleich zur Vorwoche stiegen sowohl die Gesamtzahl der angeforderten Tests um 26% als auch die Zahl der positiv befundeten Tests um 39%.

„Die Auslastung der teilnehmenden Labore in Bezug auf SARS-CoV-2 liegt mit aktuell 30% im bundesweiten Durchschnitt noch immer auf einem niedrigen Niveau“, heißt es in der Meldung.

Auffrischung mit mono- oder bivalentem Impfstoff?

Die US Food and Drug Administration rät Herstellern von COVID-19-Impfstoffen, ihre Präparate zeitnah an Omikron anzupassen – so das Ergebnis eines Experten-Hearings. Aufgabe des unabhängige Vaccines and Related Biological Products Advisory Committee (VRBPAC) war, aufzuzeigen, wie künftigen COVID-19-Impfstoffe beschaffen sein sollten. Anhand von Daten wurden folgende Aspekte diskutiert:

  • Derzeit zugelassene Impfstoffe zeigen eine verringerte Neutralisierungsaktivität gegen Omikron-Subvarianten.

  • Die Vakzine schützen dennoch gegen schwere Krankheitsverläufe.

  • Auffrischungsimpfungen verbessern die Neutralisierungsaktivität gegen Omikron-Subvarianten – wenn auch in unterschiedlichem Maße.

  • Derzeit laufende klinische Studien mit modifizierten mono- oder bivalenten Impfstoffen zeigen statistisch überlegen höhere Titer neutralisierender Antikörper, verglichen mit den bereits zugelassenen Vakzinen.

  • In Studien wurden bislang nur verschiedene immunologische Parameter bestimmt; es gibt keine Daten zur Morbidität oder zur Mortalität.

  • Mittlerweile verdrängt die Sublinie BA.5 die früher zirkulierende Sublinie BA.1. Nur richten sich modifizierte Impfstoffkandidaten gegen BA.1.

„Obwohl der Schutz vor einer schweren Erkrankung immer noch gegeben ist, machen diese Tatsachen eine Anpassung der Impfstoffe notwendig“, sagt Prof. Dr. Carsten Watzl. Er ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI).

Die angepassten Impfstoffe von gibt es als mono- und als bivalente Version. Monovalente Vakzine richten sich gegen 1 Variante, hier BA.1, während bivalente Immunität gegen 2 Varianten erzeugen, nämlich gegen BA.1 und gegen den Wildtyp. Das grundlegende Prinzip, gegen mehrere Varianten eines Virus zu impfen, ist von Grippeschutzimpfungen bekannt.

Nur aus Daten von BioNTech/Pfizer lasse sich ein direkter Vergleich zwischen einem monovalenten BA.1-Impfstoff und einem bivalenten Impfstoff ziehen. „Der monovalente BA.1-Impfstoff erzeugt als Booster (4. Impfung) höhere neutralisierende Antikörperspiegel gegen Omikron verglichen mit dem bivalenten Impfstoff“, so der Experte. „Die neutralisierenden Antikörperspiegel gegen frühere Varianten beziehungsweise das Ursprungsvirus fallen beim monovalenten Impfstoff aber geringer aus.“ Es sei schwer, einen „klaren Sieger“ zu küren.

Personen ohne bisherigen Schutz rät Watzl zum bivalenten Impfstoff, denn: „Bei Ungeimpften erzeugt ein monovalenter BA.1-Impfstoff zwar gute Antikörperspiegel gegen Omikron, jedoch kaum Schutz gegen frühere Varianten.“

Alles in allem wird die Zeit zum entscheidenden Faktor. „Sowohl Moderna als auch BioNTech könnten die angepassten Impfstoffe sofort (BioNTech) oder ab Juli/August (Moderna) ausliefern“, sagt der Experte. „Das Problem ist die Dauer des Zulassungsverfahrens.“

Watzl: „Da das Virus sich aktuell noch schneller verändert als das Zulassungsverfahren reagieren kann, wäre es für die Zukunft zu begrüßen, wenn man zu einem Verfahren kommt, das schneller reagieren kann. Bei der Grippeimpfung wird der jährliche Impfstoff ja nicht auch noch vorher in Studien getestet.“

Neue Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit modifizierter mRNA-Vakzine

Ein Blick auf Details. BioNTech und Pfizer haben Informationen zur Sicherheit, Verträglichkeit und Immunogenität von 2 an Omikron angepassten Impfstoffkandidaten per Pressemeldung veröffentlicht.

Es handelt sich um Daten eines monovalenten und eines bivalenten Impfstoffkandidaten. Jeweils enthalten ist die genetische Signatur des Spikeproteins der Omikron-Variante BA.1. „Ergebnisse aus der Phase 2/3-Studie zeigen, dass eine Auffrischungsdosis mit einem der angepassten Impfstoffkandidaten eine deutlich höhere Immunantwort gegen Omikron BA.1 auslöst als der derzeitige COVID-19-Impfstoff der beiden Unternehmen“, heißt es in der Meldung. Die robuste Immunantwort wurde in beiden Dosisstufen von 30 µg und 60 µg beobachtet.

Die Impfstoffkandidaten wurden in einer Phase 2/3-Studie mit 1.234 Teilnehmern im Alter von 56 Jahren oder älter untersucht. Sie zeigten im Vergleich zum aktuellen COVID-19-Impfstoff des Unternehmens deutlich höhere neutralisierende Antikörperreaktionen gegen Omikron BA.1.

  • Das geometrische Mittelwertverhältnis (geometric mean ratio, GMR) für den monovalenten Impfstoff lag bei der 30 µg- bzw. 60 µg-Dosis bei 2,23 (95%-KI: 1,65-3,00) bzw. 3,15 (95%-KI: 2,38-4,16), jeweils verglichen mit dem derzeitigen COVID-19-Impfstoff.

  • Die GMRs des bivalenten Impfstoffs lagen bei der 30 µg bzw. 60 µg Dosis bei 1,56 (95%-KI: 1,17, 2,08) bzw. 1,97 (95%-KI: 1,45, 2,68), ebenfalls verglichen mit dem derzeitigen COVID-19-Impfstoff.

  • Monovalent: 1 Monat nach Verabreichung erhöhte eine Auffrischungsdosis mit den monovalenten Omikron-angepassten Impfstoffkandidaten (30 µg und 60 µg) die neutralisierenden geometrischen Mittelwerte (GMT) gegen Omikron BA.1 um das 13,5- bzw. 19,6-Fache im Vergleich zu den Werten vor einer Auffrischungsimpfung.

  • Bivalent: Eine Auffrischungsimpfung mit den bivalenten Omikron-angepassten Impfstoffkandidaten führte zu einer 9,1- bzw. 10,9-Fachen Erhöhung der neutralisierenden GMTs gegen Omikron BA.1.

Beide Omikron-angepassten Impfstoffkandidaten wurden laut Meldung von den Teilnehmern gut vertragen, die einen der jeweiligen Omikron-angepassten Impfstoffkandidaten erhalten haben.

Für die Wirksamkeit der angepassten Impfstoffe gegen die neueste Variante BA.4/BA.5 gibt es bisher nur wenig Daten. In einem Labortest, der mit Seren von Teilnehmern über 56 Jahren und älter durchgeführt wurde, neutralisierten die Seren BA.4/BA.5 effizient, wobei die Titer ungefähr 3-mal niedriger waren als bei BA.1.

Diese Ergebnisse werden nun der FDA und der EMA vorgelegt. Ob für die Zulassungsbehörden Laborparameter ausreichen, ist unklar.

Beweis erbracht: Hirnvenenthrombosen durch Impfungen – nicht durch Reaktionen auf SARS-CoV-2

Forscher der Universitätsmedizin Greifswald haben Ergebnisse einer Patientenstudie zu Hirnvenenthrombosen veröffentlicht. Eingeschlossen wurden 69 Teilnehmer. Ihr Durchschnittalter lag bei 48 Jahren; alle hatten eine impfstoffinduzierte immunthrombotische Thrombozytopenie (VITT) erlitten und wurden nachbeobachtet.

Bisher war bekannt, dass Adenovirusvektor-Vakzine in seltenen Fällen die VITT induzieren. Antikörper richten sich gegen den Plättchenfaktor 4 (PF4), und die Blutgerinnung wird getriggert.

„Von den 69 VITT-Patienten haben 11 Frauen und Männer im weiteren Verlauf eine COVID-19-Erkrankung durchlaufen“, sagt Dr. Linda Schönborn von der Universitätsmedizin Greifswald. „Bei keinem der Patientinnen und Patienten stiegen nach COVID-19 die Anti-PF4-Antikörpern wieder an. Niemand entwickelte erneut eine Thrombozytopenie oder eine neue Thrombose.“

Forscher konnten also widerlegen, dass die Immunantwort gegen das SARS-CoV-2-Virus, speziell gegen das Spike-Protein, die PF4-Antikörper bei einer Hirnvenen-Thrombose induziert.

Neurodegenerative Erkrankungen: Risiko mit viralen Infekten assoziiert

COVID-19-positive Patienten haben ein erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen im Vergleich zu Personen, die negativ auf das Virus getestet wurden: So lautet das Ergebnis einer neuen Studie, die auf dem 8. Kongress der European Academy of Neurology (EAN) vorgestellt worden ist.

Forscher analysierten Daten stationärer und ambulanter Patienten aus Dänemark zwischen Februar 2020 und November 2021. Hinzu kamen Daten von Influenza-Patienten aus dem entsprechenden Zeitraum vor der Pandemie. Das Team setzte statistische Verfahren zur Berechnung des relativen Risikos ein, und die Ergebnisse wurden nach Hospitalisierungsstatus, Alter, Geschlecht und Komorbiditäten stratifiziert.

Von 919.731 Personen, die untersucht worden sind, hatten 43.375 einen positiven Test auf SARS-CoV-2. Bei ihnen fanden die Wissenschaftler ein 3,5-fach erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken, ein 2,6-fach erhöhtes Risiko für Parkinson, ein 2,7-fach erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall und ein 4,8-fach erhöhtes Risiko für eine intrazerebrale Blutungen.

Das erhöhte Risiko für die meisten neurologischen Erkrankungen war bei COVID-19- Patienten nicht höher als bei Personen, bei denen eine Grippe oder eine andere Atemwegserkrankung diagnostiziert worden war. COVID-19-Patienten hatten jedoch ein 1,7-fach erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall im Vergleich zu Patienten mit Influenza oder bakterieller Lungenentzündung.

Die Häufigkeit anderer neurodegenerativer Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose, der Myasthenia gravis, dem Guillain-Barré-Syndrom und der Narkolepsie nahm nach COVID-19, Influenza oder bakterieller Lungenentzündung nicht zu.

SARS-CoV-2- Seroprävalenz bei Kindern unter 3 Jahren und generell bei Kindern mit Migrationshintergrund am höchsten

Die bislang größte Studie zur Häufigkeit von SARS-CoV-2-Antikörpern bei Kindern in Deutschland ergibt: Die Seroprävalenz ist altersabhängig, je jünger das Kind, desto höher die Seroprävalenzen. Bei Migrationshintergrund der Kinder sind SARS-CoV-2-Infektionen fast 3 Mal häufiger als bei Kindern von Eltern, die in Deutschland geboren worden sind. Die Dunkelziffer in der gesamten Altersgruppe ist trotz Tests in Kitas und Schulen hoch. Darüber hat Univadis.de berichtet.

Eingeschlossen wurden 10.358 Kinder bis zum Alter von 17 Jahren, die zwischen Juni 2020 und Mai 2021 an einer von 14 großen Kinderkliniken behandelt wurden (Durchschnittsalter: 10,3 Jahre; 14,3 % < 3 Jahre). Dabei fand eine Blutabnahme mit Bestimmung von Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern (IgG) statt. Außerdem befragte das Studienteam die Eltern zu früheren SARS-CoV-2-Tests der Kinder, zu Komorbiditäten und zum Migrationshintergrund der Familie.

Im Erhebungszeitraum stieg die Rate der Kinder mit nachweisbaren Antikörpern gegen SARS-CoV-2 von 2% (Juni 2020) auf 10,8% (Mai 2021). Der stärkste Anstieg wurde in der 2. Welle der Pandemie ab Januar 2021 beobachtet.

In der Frühphase der Pandemie war die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder unter 3 Jahren seropositiv waren, signifikant höher als bei älteren Kindern (Faktor 3,6; 5,4% vs. 1,7%). Eine Erklärung dafür könnte ein engerer Kontakt von kleinen Kindern zu erwachsenen Virusträgern im Vergleich zu älteren Kindern sein. Im weiteren Verlauf wurden die Unterschiede zwischen den Altersgruppen geringer.

Bei 40% der Kinder (n = 4073) war in der Vergangenheit ein COVID-19-Test gemacht worden, aber nur bei 4,1% war der Test positiv gewesen. Dies lässt auf eine hohe Dunkelziffer an Infektionen in dieser Altersgruppe schließen. Je jünger die Kinder waren, desto seltener wurden Infektionen erkannt.

Im gesamten Beobachtungszeitraum wurden bei Kindern mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund signifikant häufiger SARS-CoV-2-Antikörper nachgewiesen. Waren beide Eltern in Deutschland geboren, betrug die Prävalenz der Kinder 2,8%, bei einem Elternteil mit Migrationshintergrund lag die Seroprävalenz bei 4,4 % und wenn beide Eltern nicht in Deutschland geboren worden waren, lag sie bei 7,8 %.

Katzen und COVID-19: Forscher dokumentieren 1. Fall

Wissenschaftler aus Thailand berichten, dass eine Katze SARS-CoV-2 an einen Tierarzt übertragen hat – obwohl solche Fälle wahrscheinlich selten sind.

Was war passiert? Im August 2021 wurden ein Vater und sein Sohn, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren, in ein Krankenhaus in Thailand verlegt. Auch bei der 10-jährigen Hauskatze wurde ein Abstrich gemacht; er fiel positiv aus. Dabei nieste die Katze in das Gesicht einer Tierärztin, die eine Maske und Handschuhe, aber keinen Augenschutz trug.

3 Tage später bekam sie Fieber, Schnupfen und Husten und wurde später positiv auf SARS-CoV-2 getestet, aber keiner ihrer engen Kontaktpersonen entwickelte COVID-19, was darauf hindeutet, dass sie von der Katze infiziert worden war. Die genetische Analyse des Virus bestätigte außerdem, dass die Tierärztin mit der gleichen Variante infiziert war wie die Katze und ihre Besitzer.

Den Forschern zufolge seien solche Fälle der Übertragung von Katzen auf Menschen wahrscheinlich selten. Experimentelle Studien hätten gezeigt, dass infizierte Katzen kaum Viren ausscheiden und diese nur wenige Tage überdauerten, sagt Leo Poon, Virologe an der Universität Hongkong.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....