Die Fortschritte bei der Behandlung von Brustkrebs in den letzten 2 Jahrzehnten haben die zu erwartende Sterblichkeitsrate sowohl im Frühstadium als auch bei metastasierter Erkrankung gesenkt. Das geht aus einem neuen Modell hervor, das unter anderem das 10-Jahres-Überleben ohne Rezidiv und die Überlebenszeit nach der Diagnose von Metastasen berücksichtigt.
„Seit etwa 1990 gab es einen beschleunigten Zustrom neuer Behandlungsmethoden für Brustkrebs. Wir wollten wissen, ob und inwieweit sich die jahrzehntelangen Fortschritte bei der Behandlung von Metastasen auf die Brustkrebssterblichkeit in der Bevölkerung ausgewirkt haben“, sagte Dr. Jennifer Lee Caswell-Jin bei der Präsentation des Modells auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago [1].
„Unsere Modelle zeigen, dass die Behandlung von Metastasen die Überlebensrate auf Bevölkerungsebene bei allen Brustkrebs-Subtypen seit dem Jahr 2000 verbessert hat, wobei es erhebliche Unterschiede zwischen den Subtypen gibt“, so Caswell-Jin, die als medizinische Onkologin in Stanford, Kalifornien, tätig ist und sich auf Brustkrebs spezialisiert hat.
Die Studie stützt sich auf eine Analyse von 4 Modellen des Cancer Intervention and Surveillance Modeling Network (CISNET). Die Modelle simulierten die Brustkrebssterblichkeit zwischen 2000 und 2019 und berücksichtigten dabei den Einsatz der Mammografie, die Wirksamkeit und Verbreitung von Östrogenrezeptor (ER)- und HER2-spezifischen Therapien von Brustkrebs im Frühstadium (Stadien I-III) und Metastasen (Stadium IV oder Fernrezidiv), aber auch die nicht krebsbedingte Sterblichkeit.
In den Modellen wurden die Gesamtsterblichkeitsraten von Brustkrebs und die ER/HER2-spezifischen Sterblichkeitsraten in diesem Zeitraum (2000 bis 2019) mit den geschätzten Raten ohne Screening oder Behandlung verglichen. Die Verringerung der Sterblichkeitsrate wurde dann dem Screening, der Behandlung im Frühstadium oder der Behandlung bei Metastasen zugeordnet.
Die Ergebnisse wurden mit 3 klinischen Studien verglichen, in denen Therapien für verschiedene Subtypen metastasierter Erkrankungen getestet wurden. Caswell-Jin und ihre Kollegen passten die Analyse an, um die erwarteten Unterschiede zwischen den Populationen der klinischen Studien und der Allgemeinbevölkerung widerzuspiegeln.
Unterschiedlicher Rückgang der Sterblichkeitsraten
Die Forscher fanden heraus, dass die Sterblichkeitsrate bei Frauen mit ER+/HER2+ Brustkrebs mit 71% am stärksten zurückging, gefolgt von 61% bei Frauen mit ER-/HER2+ Brustkrebs und 59% bei Frauen mit ER+/HER2-Brustkrebs.
Bei triple-negativem Mammakarzinom – einem der am schwierigsten zu behandelnden Brustkrebsarten – betrug der Rückgang in diesem Zeitraum nur 40%. Etwa 19% des Gesamtrückgangs der Brustkrebssterblichkeit gehen auf Behandlungen nach der Metastasierung zurück.
Die mediane Überlebenszeit nach der Diagnose eines ER+/HER2- Metastasenrezidivs stieg von 2 Jahren im Jahr 2000 auf 3,5 Jahre im Jahr 2019. Bei triple-negativem Brustkrebs war der Anstieg geringer – von 1,2 Jahren im Jahr 2000 auf 1,8 Jahre im Jahr 2019.
Nach der Diagnose eines metastasierten Rezidivs bei ER+/HER2+ Brustkrebs stieg die mediane Überlebenszeit von 2,3 Jahren im Jahr 2000 auf 4,8 Jahre im Jahr 2019, und bei ER-/HER2+ Brustkrebs von 2,2 Jahren im Jahr 2000 auf 3,9 Jahre im Jahr 2019.
„Wie viel die Metastasen-Behandlungen zur Verringerung der Gesamtsterblichkeit beitrugen, variierte im Laufe der Zeit, je nachdem, welche Therapien zu diesem Zeitpunkt zur Behandlung von Metastasen eingeführt wurden und welche Therapien vom metastatischen Bereich in die frühzeitige Brustkrebstherapie übernommen wurden“, sagte Caswell-Jin.
Nicht in die Studie einbezogen wurden Sacituzumab-Govitecan für metastasierenden triple-negativen Brustkrebs sowie Trastuzumab-Deruxtecan und Tucatinib für HER2-positive Erkrankungen, die nach 2020 zugelassen wurden. „Die Zahlen, die wir zitieren, werden heute für das triple-negative Mammakarzinom wegen dieser beiden Medikamente besser sein. Und für HER2-positiven Brustkrebs werden sie dank dieser beiden Medikamente noch besser sein“, betonte Caswell-Jin.
Frage nach CISNET als Diagnose-Instrument
Während des Frage-und-Antwort-Teils der Präsentation stellte Dr. Daniel Hayes, der die Stuart B. Padnos-Professur für Brustkrebsforschung am Rogel Cancer Center der Universität Michigan in Ann Arbor inne hat, die Frage nach dem Potenzial von CISNET als praktisches Diagnose-Instrument.
„Wir haben den Patientinnen mit metastasierter Krankheit immer gesagt, dass sie nicht geheilt werden können. Das habe ich am Dienstag 2 Patientinnen gesagt. Können wir mit der Modellierung von CISNET beginnen, um zu sehen, ob es jetzt, mit den verbesserten Therapien, die wir haben, tatsächlich eine Gruppe von Patientinnen gibt, die geheilt zu sein scheinen, oder ist das nicht möglich?“, fragte er.
Vielleicht, so Caswell-Jin, sei das bei einer sehr kleinen Gruppe älterer Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs tatsächlich der Fall, allerdings in einem sehr geringen Ausmaß.
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Neue Modellrechungen: Dank neuer Medikamente gehen Todesfälle durch Mammakarzinome deutlich zurück - Medscape - 21. Jun 2022.
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