Chicago – Die Ergebnisse der LUMINA-Studie deuten darauf hin, dass bei einigen Patientinnen nach einer brusterhaltenden Operation eine Strahlentherapie vermieden werden kann. Die Frauen in dieser Studie, die keine Strahlentherapie erhielten, sondern mit einer brusterhaltenden Operation und anschließender endokriner Therapie behandelt wurden, hatten eine Gesamtüberlebensrate von 97,2%. Die Lokalrezidivrate – primärer Endpunkt der Studie – lag bei 2,3%. Die Studienergebnisse wurden auf der Jahrestagung 2022 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago vorgestellt [1].
„Frauen ab 55 Jahren mit niedriggradigem Brustkrebs vom Typ Luminal A, die nach einer brusterhaltenden Operation nur eine endokrine Therapie erhielten, wiesen nach 5 Jahren eine sehr niedrige Rate an Lokalrezidiven auf“, so der Erstautor Prof. Dr. Timothy Joseph Whelan.
„Der prospektive und multizentrische Charakter dieser Studie spricht dafür, dass diese Patientinnen für den Verzicht auf eine Strahlentherapie in Frage kommen“, so Whelan, Onkologieprofessor und Chair des Breast Cancer Research an der McMaster University sowie Strahlentherapeut am Juravinski Cancer Centre in Hamilton, Kanada.
„In Nordamerika wird jährlich bei über 300.000 Menschen invasiver Brustkrebs diagnostiziert, die meisten davon in den Vereinigten Staaten“, so Whelan. „Wir schätzen, dass die Studienergebnisse auf 10 bis 15% von ihnen zutreffen könnten – also etwa 30.000 bis 40.000 Frauen pro Jahr –, bei denen Morbidität, die Kosten und die Unannehmlichkeiten einer Strahlentherapie vermieden werden könnten.“
Whelan erläuterte, dass eine adjuvante Strahlentherapie in der Regel im Anschluss an eine brusterhaltende Therapie verschrieben wird, um das Risiko eines Lokalrezidivs zu senken. Whelan sagte aber auch, dass diese Behandlung aber auch mit akuter und später Toxizität verbunden ist. Außerdem kann sie mit hohen Kosten und Unannehmlichkeiten für die Patientin verbunden sein.
Frühere Studien haben ergeben, dass bei Frauen über 60 Jahren mit niedriggradigem Brustkrebs vom Typ Luminal A, die nur brusterhaltend operiert wurden, eine niedrige Rate an Lokalrezidiven zu verzeichnen war. Bei Frauen, die älter als 70 Jahre sind, lag das Risiko eines Lokalrezidivs bei 4 bis 5%.
Studiendesign LUMINA
Diese jüngste Studie konzentrierte sich auf Patientinnen mit Brustkrebs des Subtyps Luminal A in Kombination mit klinisch-pathologischen Faktoren (definiert als: ER [Östrogenrezeptor] ≥1%, PR [Progesteronrezeptor] >20%, HER2-negativ und Ki67 ≤13,25%). Es handelte sich um eine prospektive, multizentrische Kohortenstudie, an der 501 Patientinnen im Alter von 55 Jahren und älter teilnahmen, die sich bei T1N0-Krebs des Grades 1-2 einer brusterhaltenden Operation unterzogen hatten. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 67 Jahren, wobei 442 (88%) älter als 75 Jahre waren. Die mediane Tumorgröße betrug 1,1 cm.
Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 5 Jahre. Die Kohorte wurde in den ersten 2 Jahren alle 6 Monate und danach jährlich untersucht. Der primäre Endpunkt war das Lokalrezidiv, definiert als die Zeit von der Aufnahme in die Studie bis zum Auftreten eines invasiven oder nicht-invasiven Tumors in der ipsilateralen Brust; zu den sekundären Endpunkten gehörten: kontralateraler Brustkrebs, rückfallfreies Überleben (RFS) ohne erneutes Auftreten eines Tumors, krankheitsfreies Überleben, Zweitkrebs oder Tod und Gesamtüberleben.
Nach 5 Jahren gab es 10 Fälle von Lokalrezidiven, was einer Rate von 2,3% entspricht. Bei den sekundären Ergebnissen gab es 8 Fälle von kontralateralem Brustkrebs (1,9%), 12 Rückfälle mit einer rezidivfreien Überlebensrate von 97,3%, 47 Krankheitsprogressionen (23 Zweitkrebserkrankungen ohne Brustkrebs) mit einer krankheitsfreien Überlebensrate von 89,9% und 13 Todesfälle, darunter ein Todesfall durch Brustkrebs, mit einer Gesamtüberlebensrate von 97,2%.
Bestätigt frühere Daten
Prof. Dr. Penny R. Anderson von der Strahlenonkologie im Fox Chase Cancer Center, Philadelphia, Pennsylvania, kommentierte, dass es sich um „eine extrem gut konzipierte und wichtige Studie“ handele. „Sie hat eine bestimmte Untergruppe von Patientinnen identifiziert, die für den Verzicht auf eine adjuvante Strahlentherapie nach brusterhaltender Operation in Frage kommen“, fügte sie hinzu.
Die bisher veröffentlichten Studien haben zwar dazu beigetragen, bestimmte Patientengruppen zu identifizieren, die ein geringes Risiko eines Lokalrezidivs aufweisen – und bei denen es daher sinnvoll sein kann, auf eine Bestrahlung zu verzichten –, aber sie basierten auf den traditionellen klinischen und pathologischen Faktoren Tumorgröße, Randstatus, Rezeptorstatus und Alter der Patientin.
„Die LUMINA-Studie nutzt den molekular definierten intrinsischen Subtyp des luminalen A-Brustkrebses, um zusätzliche prognostische Informationen zu liefern“, sagte Anderson. „Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass diese Gruppe von Patientinnen ideale Kandidaten für den Verzicht auf eine Bestrahlung sind und dass als mögliche Option mit diesen Patientinnen im Rahmen ihrer Therapieplanung besprochen werden sollte.“
Insgesamt ist diese Studie eine „bedeutende Ergänzung und ein sehr relevanter Beitrag zur Literatur, der zeigt, dass eine adjuvante Bestrahlung der Brust bei dieser speziellen Untergruppe von Patientinnen sicher weggelassen werden kann“, sagte sie.
Unbeantwortete Fragen
Dr. Julie Gralow, Chief Medical Officer und Executive Vice President der ASCO, kommentierte die Studie gegenüber Medscape. Ihrer Meinung nach sei die Botschaft der Studie, dass es „eindeutig eine Gruppe von Brustkrebspatientinnen im Frühstadium gibt, die nach einer Lumpektomie nicht von einer Bestrahlung profitieren. Ich denke, es wird eine Diskussion darüber geben, wie man diese Gruppe am besten identifiziert“, sagte Gralow und wies darauf hin, dass die Patienten in dieser Studie auf Ki67, einen Marker für die Proliferation, untersucht wurden.
Die Untersuchung auf Ki67 ist kein Standardverfahren, wie Gralow betonte, und es gibt auch ein Problem mit der Reproduzierbarkeit, da „jedes Labor etwas anders vorgeht, weil es sich nicht um einen Standardansatz in der Pathologie handelt“.
Es gebe jetzt viele unbeantwortete Fragen, stellte Gralow fest: „Brauchen wir diesen zentralen Test von Ki67? Müssen wir Leitlinien für die Durchführung dieses Tests entwickeln? Ist dies besser, als wenn man bereits einen Oncotype- oder MammaPrint-Test durchgeführt hat, um festzustellen, ob die Patientin eine Chemotherapie benötigt?“
Gralow weiter: „Das ist der Punkt, an dem die Diskussion beginnen wird. Wir können die Zahl der Patientinnen, die bestrahlt werden müssen, reduzieren, ohne dass es zu einem Anstieg der regionalen Rezidive kommt.“
In Bezug auf die klinische Praxis erklärte Gralow, dass es bereits einige Daten gibt, die den Verzicht auf eine Strahlentherapie bei älteren Patientinnen mit ER+ kleinen niedriggradigen Tumoren unterstützen, und dass dies zu einer klinischen Standardpraxis geworden ist. „Das basiert nicht auf soliden Daten, sondern auf einer Ansammlung von retrospektiven Analysen“, sagte sie. „Wir haben dies also schon bei einer älteren Population gemacht. Dies würde die Altersgruppe verkleinern, sie besser definieren und prospektiv testen.“
Einschränkungen, die zu beachten sind
Dr. Deborah Axelrod, Direktorin der Brustchirurgie am NYU Langone's Perlmutter Cancer Center in New York City, erklärte, dass in den letzten 10 Jahren das Wissen über das Verhalten von Brustkrebs auf der Grundlage der molekularen Subtypisierung stark zugenommen hat.
„Die Ergebnisse von Studien wie dieser haben uns Aufschluss darüber gegeben, welche Krebsarten stärker behandelt werden müssen und bei welchen Krebsarten wir die Behandlung deeskalieren können“, sagte Axelrod. „Es geht darum, die Morbidität zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern, ohne das onkologische Ergebnis zu beeinträchtigen.“
Sie wies darauf hin, dass eine große Stärke der LUMINA-Studie darin besteht, dass sie prospektiv und multizentrisch ist. „Die LUMINA-Studie wird definieren, bei welchen Patientinnen mit neu behandeltem Brustkrebs auf die bisher übliche Bestrahlung verzichtet werden kann“, sagte Axelrod. „Sie basiert auf dem Alter und der Biologie des Brustkrebses, um zu definieren, welche Patientinnen auf eine Bestrahlung verzichten können, und zeigt ein geringes Rezidivrisiko in einer bestimmten Gruppe von Frauen mit einem günstigen Brustkrebsprofil.“
Die Studie unterliegt gewissen Einschränkungen. „Es handelt sich um eine 5-Jahres-Nachbeobachtung, und die Zahl der Lokalrezidive bei ER-positiven Krebsarten steigt nach 5 Jahren weiter an, so dass eine längerfristige Nachbeobachtung wichtig ist“, sagte Axelrod. Außerdem wies sie darauf hin, dass es sich um eine einarmige Studie handelt, so dass es keinen Vergleichsarm für die Strahlentherapie gibt.
Weitere Einschränkungen waren, dass die Patientinnen älter waren und kleinere Tumore hatten, und dass alle zu einer 5-jährigen endokrinen Therapie verpflichtet waren, obwohl über die Einhaltung dieser Verpflichtung nicht berichtet worden ist. Es mag einige ältere Patientinnen geben, die eine Bestrahlungstherapie bevorzugen, insbesondere eine einwöchige beschleunigte partielle Brustbestrahlung, anstatt sich zu einer 5-jährigen endokrinen Therapie zu verpflichten, wie es in dieser Studie vorgeschrieben ist.
„Insgesamt ist die Botschaft für die Patienten, dass der Verzicht auf eine Strahlentherapie eine Option sein sollte für ältere Frauen mit lokalisiertem Brustkrebs mit günstigen Merkmalen, die endokrine Therapien erhalten“, sagte Axelrod.
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Medscape © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Ausgewählte Patientinnen mit Brustkrebs können nach Lumpektomie auf Strahlentherapie verzichten - Medscape - 21. Jun 2022.
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