Spannende Entwicklungen bei hämatologischen Tumoren: 6 interessante Studien vom EHA-Jahreskongress

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

21. Juni 2022

Wien – Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir vom Jahreskongress der European Hematology Association (EHA), der vom 9. bis 12. Juni 2022 als Hybrid-Kongress in Wien stattgefunden hat [1]. Wir stellen 6 interessante Studien vor, und zwar vorwiegend Ergebnisse aus Phase-3-Studien.

  • AML: Decitabin besser verträglich als Standard-Induktions-Chemo

  • CLL: Venetoclax plus Obinutuzumab ± Ibrutinib in der Erstlinientherapie

  • CML: Wirkung von Asciminib über 96 Wochen nachweisbar

  • Fortgeschrittenes Hodgkin-Lymphom: 6-Jahres-Daten zu Brentuximab Vedotin

  • Multiples Myelom: Neue CAR-T-Zell-Therapie erzielt vielversprechende Ansprechraten

  • Morbus Waldenström: Langzeitig besseres Ansprechen auf Zanubrutinib als auf Ibrutinib

AML: Decitabin besser verträglich als Standard-Induktions-Chemo

Decitabin erreicht bei älteren, fitten Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) ein ähnliches Gesamtüberleben bei weniger Nebenwirkungen wie die Standard-Induktionstherapie aus Daunorubicin und Cytarabin. Dies ergab eine offene randomisierte Phase-3-Studie der EORTC Leukemia Group, der CELG, der GIMEMA und der deutschen MDS-Studiengruppe, die von Prof. Dr. Michael Lübbert, Abteilung für Hämatologie der Universität Freiburg, vorgestellt worden ist (S125).

„Decitabin bietet eine besser verträgliche Alternative zur aggressiven Chemotherapie bei älteren, fitten Patienten mit ähnlichen Transplantationsraten nach Protokoll und nachfolgenden Transplantationen. Wir haben auch weniger Toxizitäten, kürzere Krankenhausaufenthalte und eine bessere Lebensqualität gesehen“, so Lübbert.

Die Gruppe verglich in der offenen Studie an 606 Patienten mit nicht vorbehandelter AML Wirksamkeit und Verträglichkeit einer 10-tägigen Gabe von Decitabin mit einer 3+7-Induktions-Chemotherapie vor einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT).

Die Chemotherapie erreichte zwar häufiger eine komplette Remission als Decitabin (61% vs. 48%), das Gesamtüberleben war jedoch ähnlich mit im Median 15 Monaten in der Decitabin-Gruppe und 18 Monaten in der Chemotherapie-Gruppe. Nach 4 Jahren lebten noch 26% der Decitabin-Patienten und 30% der Chemotherapie-Patienten.

Im Decitabin-Arm traten seltener schwere Nebenwirkungen vom Schweregrad 3-5 auf, vor allem kam es weniger zu febriler Neutropenie, Thrombozytopenie, oraler Mukositis und Durchfall.

CLL: Venetoclax plus Obinutuzumab ± Ibrutinib in der Erstlinientherapie

Zeitlich begrenzte Venetoclax-basierte Kombinationen verbessern bei Patienten mit therapienaiver chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) das progressionsfreie Überleben (PFS) im Vergleich zu Standard-Immunchemotherapie. Prof. Dr. Barbara Eichhorst, Köln, präsentierte erste Ergebnisse einer Zwischenanalyse der Phase-3-Studie GAIA/CLL13 (LB2365).

In der GAIA/CLL13-Studie wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von 3 zeitlich begrenzten Venetoclax-basierten Erstlinientherapien mit Chemoimmuntherapie bei 926 fitten CLL-Patienten verglichen. Die Standard-Chemoimmuntherapie bestand aus Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab (FCR) oder Bendamustin, Rituximab (BR), die Venetoclax-basierten Kombination aus Rituximab und Venetoclax (RVe), Obinutuzumab und Venetoclax (GVe) sowie Obinutuzumab, Ibrutinib und Venetoclax (GIVe).

Bei einer Nachbeobachtungszeit von 38,8 Monaten im Median wurde das mediane PFS mit Venetoclax/Obinutuzumab/Ibrutinib (GIV) oder Venetoclax/Obinutuzumab (GV) noch nicht erreicht. Im Vergleich zur Standard-Chemoimmuntherapie (medianes PFS 52 Monate) reduzierte GIV das Progressionsrisiko um 68% (Hazard Ratio: 0,32; p < 0,000001) und GV um 58% (HR: 0,42, p < 0,0001).

Die 3-Jahres-PFS-Raten betrugen 90,5% mit GIV, 87,7% mit GV und 75,5% für Standard-Chemoimmuntherapie. Vor allem Patienten mit nichtmutiertem IGHV-Status profitierten von GV und GIV.

Patienten, die mit Venetoclax plus Rituximab (RVe) behandelt wurden, überlebten im Median 52,3 Monate, der Unterschied zur Chemoimmuntherapie war nicht signifikant. Daraus schlossen die Autoren, dass der Antikörper für die Wirksamkeit der Kombination mit Venetoclax eine wichtige Rolle spielt.

CML: Wirkung von Asciminib über 96 Wochen nachweisbar

Der STAMP-Inhibitor Asciminib erreichte bei stark vorbehandelten Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie in der chronischen Phase (CML-CP) in der offenen Phase-3-Studie ASCEMBL im Vergleich zu Bosutinib nach 24 Monaten mit 25,5% vs. 13,2% eine höhere Rate an guten molekularen Remissionen (MMR). Beim EHA-Kongress stellte die internationale Arbeitsgruppe nun Daten nach 96 Wochen Nachbeobachtungzeit vor (S155).

233 Patienten erhielten randomisiert Asciminib (n=157) oder Bosutinib (n=76), zum Zeitpunkt der Auswertung waren noch 85 (53,5%) bzw. 15 (19,7%) unter der jeweiligen Therapie. Die MMR-Rate in Woche 96 lag unter Asciminib bei 37,6%, unter Bosutinib bei 15,8%. Ein Ansprechen (BCR-ABL1 ≤ 1%) in Woche 96 zeigten 45,1% der Asciminib-Patienten und 19,4% der Bosutinib-Patienten. Das Ansprechen hielt median 24 Monate unter Asciminib und 6 Monate unter Bosutinib an.

Im Median nahmen die Patienten Asciminib über 102,1 Wochen, Bosutinib über 30,5 Wochen. Trotz der längeren Behandlungszeit war Asciminib besser verträglich als Bosutinib.

Asciminib ist ein Inhibitor von STAMP (Specifically Targeting the ABL1 Myristoyl Pocket), der selektiv an der Myristoyl-Bindungstasche der BCR-ABL1-Tyrosinkinase wirkt.

Fortgeschrittenes Hodgkin-Lymphom: 6-Jahres-Daten zu Brentuximab Vedotin

6-Jahres-Daten der Phase-3-Studie ECHELON-1 bestätigen, dass die zusätzliche Gabe des ADC Brentuximab Vedotin zu Doxorubicin, Vinblastin und Dacarbazin (A+ AVD) bei Patienten mit nicht vorbehandeltem Hodgkin-Lymphom im Stadium III/IV das Sterberisiko im Vergleich zur Behandlung mit Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin und Dacarbazin (ABVD) um 41% senkt. Diese Daten unterstützen, dass A + AVD als Erstlinientherapie bei unbehandelten Patienten mit Hodgkin-Lymphom im Stadium III/IV bevorzugt eingesetzt werden sollte, so die Schlussfolgerung der Autoren (S200).

In der Phase-3-Studie ECHELON-1 hatten 664 Patienten mit klassischem Hodgkin Lymphom (cHL) in den Stadien III und IV bis zu 6 Zyklen Brentuximab Vedotin, Doxorubicin, Vinblastin und Dacarbazin (A+AVD) sowie 670 Patienten bis zu 6 Zyklen Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin und Dacarbazin (ABVD) erhalten.

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 73 Monaten waren im Brentuximab-Vedotin-Arm 39 Patienten, im Vergleichsarm 64 Patienten verstorben (HR: 0,59, p = 0,0009). Dieser Überlebensvorteil wurde in allen Subgruppen beobachtet.

Die 6-Jahres-Rate für das progressionsfreie Überleben lag bei 82,3% (A+AVD) bzw. 74,5% (ABVD) (HR: 0,678).

Die Sicherheitsprofile der beiden Therapieregime waren auch über die lange Beobachtungsdauer vergleichbar.

Multiples Myelom: Neue CAR-T-Zell-Therapie erzielt vielversprechende Ansprechraten

Mit ARI0002H befindet sich eine neue, gegen B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) gerichtete Therapie in der klinischen Prüfung, die viel versprechende Ansprechraten bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem multiplem Myelom (r/r MM) gezeigt hat, wie Dr. Carlos Fernandez, De Larrea, Barcelona, berichtete (S103).

In der CARTBCMA-HCB-01 Studie erhielten 30 Patienten in spanischen Zentren mit im Median 4 Vorbehandlungen das CAR-T-Zell-Präparat ARI0002H. Alle Patienten sprachen bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 17,5 Monaten an (100%). 63% erreichten eine komplette Remission, 30% ein sehr gutes partielles Ansprechen und 7% ein partielles Ansprechen.

Nach 28 Tagen war bei 96% und nach 100 Tagen bei 92% im Knochenmark keine minimale Resterkrankung mehr nachzuweisen. Die Mediane für das progressionsfreie und das Gesamt-Überleben sind noch nicht erreicht. Nach 18 Monaten lebten noch 53% der Patienten ohne Progression und 73% insgesamt.

Als Nebenwirkungen wurden immunologische Effekte bei 90% der Patienten beobachtet. Neurotoxische Effekte traten nicht auf.

Morbus Waldenström: Langzeitig besseres Ansprechen auf Zanubrutinib als auf Ibrutinib

Der Brutontyrosinkinase-Hemmer Zanubrutinib erreichte im Vergleich zu Ibrutinib bei Patienten mit Waldenström-Makroglobulinämie mit MYD88 -Mutation auch bei Langzeitbeobachtung häufiger ein vollständige oder sehr gutes partielles Ansprechen (CR+VGPR) und eine geringere Off-Target-Aktivität. Dies zeigte ein Update der Phase-3-Studie ASPEN (P1161).

In der zulassungsrelevanten ASPEN-Studie erhielten Morbus-Waldenström-Patienten mit MYD-88-Mutation randomisiert Zanubrutinib (n = 102) oder Ibrutinib (n = 99), Patienten mit MYD-88-Wildtyp nur Zanubrutinib (n = 28). Die Patienten wurden im Median 42 Monate mit Zanubrutinib und 41Monate mit Ibrutinib behandelt. 67% bzw. 58% werden noch therapiert.

Zanubrutinib-Patienten mit MYD-Mutation erreichten nach einem medianen Follow-Up von 441, Monaten eine CR+VGPR-Rate von 36%, Ibrutinib-Patienten von 25,3%. 1 Patient mit MYD-Wildtyp sprach komplett auf Zanubrutinib an, 31% erreichten eine CR+VGPR. Medianes progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben sind noch nicht erreicht.

Vorhofflimmern, Durchfall, Bluthochdruck, lokalisierte Infektionen, Blutungen, Muskelkrämpfe oder Lungenentzündung waren unter Zanubrutinib seltener als unter Ibrutinib. Häufiger kam es jedoch zu Neutropenien.

 

Kommentar

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