Lauterbachs Pläne für den Herbst; weiterhin Bürgertests; neuer Entwurf zur Triage; Impfzentren bald überflüssig?

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

20. Juni 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 20. Juni 2022

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, 416,0 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 17. Juni lag der Wert bei 427,8 und am 16. Juni nannte das RKI eine 7-Tage-Inzidenz von 480,0. 

  • RKI: Bewertung der epidemiologischen Lage

  • Lauterbach stellt Planungen für den Herbst vor

  • Weiterhin Bürgertests – aber unter strengeren Auflagen

  • Gesundheitsämter zügig ausbauen

  • COVID-19-Triage: Neuer Vorschlag von Lauterbach

  • Hausärzteverband: Sommerpause oder endgültiges Aus für Impfzentren? 

  • USA: Bald Impfungen für Kleinkinder

  • Pädiatrisches Multisystem-Entzündungssyndrom seltener bei Omikron

  • Nur geringer Nutzen von Paxlovid® bei Patienten ohne Risikofaktoren?

RKI: Bewertung der epidemiologischen Lage

„Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz stieg in Kalenderwoche 23 im Vergleich zur Vorwoche weiter deutlich an (34%) und lag für Woche 23/2022 bei 393 COVID-19-Fällen pro 100.000 Einwohner“, schreibt das RKI im seinem letzten Wochenbericht vom 16. Juni. „Die Zahl der übermittelten Infektionen ist in der letzten Woche um etwa 80.000 Fälle im Vergleich zur Vorwoche gestiegen.“ 

Am deutlichsten sei der Anstieg in den Altersgruppen der 20- bis 29-Jährigen und der 50- bis 59-Jährigen mit 39% bzw. 40%, so das Institut. Am geringsten sei der Anstieg bei 70- bis 79-Jährigen sowie bei Kindern im Alter von 5 bis 9 Jahren mit 20% bzw. 24%.

Der Anteil der „älteren“ Omikron-Sublinie BA.2 lag in KW 22 nur noch bei 50%. Das stärkste Wachstum zeigt BA.5 – die Sublinie erreichte zuletzt knapp 24%. „Das starke Wachstum von BA.4 und insbesondere BA.5, aber auch BA.2.12.1, lässt darauf schließen, dass diese Varianten aktuell bereits die Mehrzahl der Nachweise ausmachen“, so das RKI weiter. 

Lauterbach stellt Planungen für den Herbst vor

Derzeit gebe es keinen Grund für Panik, so kommentierte Prof. Dr. Karl Lauterbach bei der Bundespressekonferenz die aktuellen Zahlen. Der Bundesgesundheitsminister appelliert jedoch an die Bürger, in Innenräumen freiwillig Masken zu tragen. 

Um die Pandemie im Herbst unter Kontrolle zu halten, hat Lauterbach mehrere Pläne: 

  • neue Impfkampagnen, speziell gegen Virusvarianten

  • Bürgertests

  • Medikamente gezielter als bisher einsetzen

  • Alten- und Pflegeeinrichtungen besser schützen

  • Einführung elektronischer Meldesysteme für Krankenhäuser, um die Ressourcen besser zu erfassen

  • Entwicklung von Konzepten zur Vermeidung von Schul- und Kita-Schließungen

Von einem weiteren Anlauf, eine Impfpflicht umzusetzen, nimmt der Minister jedoch Abstand. 

Weiterhin Bürgertests – aber unter strengeren Auflagen

Ende Juni sollten die kostenlosen Testangebote eingestellt werden, das plante jedenfalls die Bundesregierung. Sie hat bislang mehr als 10 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Allerdings haben Ministerpräsidenten der Länder die Regierung gebeten, „die Finanzierung der kostenlosen Bürgertests auch über den 30. Juni 2022 hinaus sicherzustellen“, wie Medien berichten

Geplant ist, die Bedingungen für die Durchführung der kostenlosen Bürgertests zu ändern, wobei dazu allerdings bisher nur wenige Details bekannt sind. Demnach soll das derzeitige Honorar von 11,50 Euro verringert werden – und die Länder sollen sich an der Finanzierung beteiligen. Diskutiert wird auch, dass nur noch Ärzte und Apotheker Bürgertests abrechnen können sollen, um Missbrauch zu verhindern. 

Gesundheitsämter zügig ausbauen

Die Nachverfolgung von Kontakten ist eine der tragenden Säulen der Pandemiekontrolle. „Die Gesundheitsämter sind auf diese Herausforderungen sehr unterschiedlich eingestellt“, sagt Dr. Johannes Nießen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD). „Zusätzliches Personal für den Infektionsschutz aus dem sogenannten Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) ist in etlichen Ämtern noch nicht angekommen oder befindet sich in der Einarbeitung.“ Außerdem seien viele Mitarbeiter in Ämtern wieder in ihren ursprünglichen Aufgabenbereichen tätig. 

Nießen fordert: „Entscheidend auch für den Herbst ist, weiterhin möglichst viele Menschen gegen SARS-CoV-2 zu impfen bzw. zu boostern und die Kapazitäten des ÖGD mit Hochdruck weiter auszubauen – personell und technisch.“ Ganz wichtig sei außerdem, die Förderung durch den Pakt für den ÖGD über den bis 2026 garantierten Zeitraum hinaus zu sichern. Andernfalls sei es für Ämter „sehr schwer bis unmöglich, entsprechendes Fachpersonal zu gewinnen“.

COVID-19-Triage: Neuer Vorschlag von Lauterbach

Derzeit sind Intensivstationen nicht überlastet. Wie sich die Lage im Herbst und Winter entwickeln wird, kann niemand abschätzen. Deshalb arbeitet die Bundesregierung mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf zur Triage bei COVID-19. 

Medien berichten über einen aktuellen Vorschlag aus dem Bundesgesundheitsministerium: Lauterbach plant demnach, ausschließlich die kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit als Kriterium zu verwenden, um bei knappen Ressourcen Patienten zu priorisieren. Alter, Gebrechlichkeit, ethnische Herkunft, Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung bleiben demnach außen vor. 

Entscheidungen seien von „2 mehrjährig intensivmedizinisch erfahrenen praktizierenden Fachärztinnen oder Fachärzten mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin einvernehmlich“ zu treffen, heißt es im Entwurf. Und bei Vorerkrankungen sei gegebenenfalls ein weiterer Experte heranzuziehen.

Hausärzteverband: Sommerpause oder endgültiges Aus für Impfzentren? 

Trotz steigender Inzidenzen entscheiden sich kaum noch Bürger für Impfungen. „Die Impfquote ist nun seit mehreren Wochen fast unverändert, mit 78% der Bevölkerung mit einmaliger und 76% mit vollständiger Impfung zum 15.06.2022“, schreibt das RKI im letzten Wochenbericht. „Es sind weiterhin hochgerechnet rund 7,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger (17%) in der Altersgruppe 18 bis 59 Jahre und rund 2,0 Millionen (8%) in der Altersgruppe ab 60 Jahre noch nicht geimpft.“

Und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern: „Die Impfzentren stehen deutschlandweit leer“, berichtet Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands. „Das kostet viel Geld, das woanders dringend gebraucht wird.“ Er kann sich nicht nur zeitlich befristete Schließungen im Sommer vorstellen, sondern stellt die generelle Sinnhaftigkeit der Impfzentren infrage: „Die Hausärztinnen und Hausärzte haben bewiesen, dass die Impfungen in den Praxen am besten aufgehoben sind.“

Jetzt alle Strukturen zurückzufahren und im Herbst dann wieder neu zu starten, sei nicht die richtige Lösung, entgegnet der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze. „Ich mahne an jeder Stelle zur Vorsicht.“

USA: Bald Impfungen für Kleinkinder

Am 17. Juni hat die US Food and Drug Administration (FDA) die bestehenden Notfallzulassungen von COVID-19-Vakzinen erweitert

Für den COVID-19-Impfstoff Spikevax® von Moderna gibt die FDA jetzt grünes Licht bei Kindern im Alter von 6 Monaten bis 17 Jahren. Der Impfstoff war ursprünglich bei Erwachsenen ab 18 Jahren zugelassen gewesen. Und Comirnaty® von BioNTech/Pfizer darf jetzt bei Kindern im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren eingesetzt werden. Der Impfstoff war für die Anwendung bei Personen ab 5 Jahren zugelassen.

„Wir erwarten, dass die Impfstoffe für jüngere Kinder Schutz vor den schwersten Folgen von COVID-19 wie Krankenhausaufenthalt und Tod bieten“, sagte FDA-Kommissar Dr. Robert M. Califf. Wahrscheinlich starten Impfkampagnen für Kinder am 22. Juni. 

Pädiatrisches Multisystem-Entzündungssyndrom seltener bei Omikron

Eine neue Analyse hat sich mit dem Multisystem-Entzündungssyndrom bei Kindern (MIS-C) während der Zirkulation von Omikron befasst. Dabei ging es um die Frage, wie sich das Risiko für die schwere Komplikation von SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen in der Omikron-Welle darstellte.

In die bevölkerungsbezogene Kohortenstudie wurden prospektiv Patienten im Alter von 0 bis 17 Jahren mit MIS-C aus allen 18 dänischen pädiatrischen Abteilungen aufgenommen. Sie wurden vom 1. Januar 2022 bis zum 15. März 2022 – also in Zeiten von Omikron – stationär behandelt. 

Unter schätzungsweise 583.618 infizierten Kindern und Jugendlichen in Dänemark befanden sich 267.086 geimpfte Personen. Bei den Datenbankabfragen identifizierten die Forscher 1 geimpften und 11 ungeimpfte Patienten mit MIS-C. Ihre Ergebnisse: 

  • Während der Omikron-Welle war das MIS-C-Risiko nach einer SARS-CoV-2-Infektion bei geimpften gegenüber ungeimpften Personen signifikant niedriger (RR 0,11; 95%-KI 0,01-0,83; p=0,007). 

  • Das Risiko für MIS-C war bei ungeimpften Personen während der Omikron-Welle signifikant geringer als während der Delta-Welle (RR 0,12; 95%-KI 0,06-0,23; p<0,001) und der Wildtyp-Welle (RR 0,14; 95%-KI 0,07-0,29; p<0,001). 

  • Das klinische Erscheinungsbild von MIS-C war bei Omikron- und Prä-Omikron-Wellen jedoch ähnlich.

Nur geringer Nutzen von Paxlovid® bei Patienten ohne Risikofaktoren?

In einer Pressemitteilung informiert Pfizer über Daten aus der Phase-II/III-Studie EPIC-SR (Evaluation of Protase Inhibition for COVID-19 in Standard Risk Patients). Ziel war, Paxlovid® (Nirmatrelvir/Ritonavir) bei Patienten ohne Risikofaktoren für schweres COVID-19 zu bewerten. 

Der sekundäre Endpunkt Hospitalisierung oder Tod traten im Placeboarm bei 10 von 569 Patienten (1,76%) ein. In der Verum-Gruppe waren es 5 von 576 Patienten (0,87%). Laut Hersteller sei der Rückgang um 51% statistisch nicht signifikant gewesen. 

Weitere Ergebnisse beziehen sich auf eine Subgruppe mit 721 geimpften Erwachsenen. Unter Placebo kam es bei 7 von 360 Patienten (1,94 %) zu Hospitalisierung oder Tod, verglichen mit 3 von 361 Patienten (0,83%) unter Verum. Der ebenfalls statistisch nicht signifikante Rückgang des Risikos lag bei 57%.

 

Kommentar

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