Transkript des Videos von Prof. Dr. Christoffer Gebhardt, Hamburg:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
herzlich willkommen zu einem kurzen Update einer ganz wichtigen Studie, auf die wir uns bei diesem ESMO 2022 ganz besonders gefreut haben.
Mein Name ist Christoffer Gebhardt, ich leite am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf das Hauttumorzentrum.
Melanome im metastasierten, nicht resektablen Stadium sind eine Herausforderung in der Therapie. Trotzdem haben wir beim Melanom eine ganze Reihe von innovativen Therapien zur Verfügung, die hoch wirksam und auch relativ gut verträglich sind, das sind die Checkpoint-Inhibitoren und die BRAF/MEK-Inhibitoren.
Besondere Herausforderungen haben wir bei Patienten, bei denen diese Therapien nicht mehr wirken, also insbesondere bei Patienten mit einer sogenannten PD1-Resistenz. Insofern ist die Studie, die Prof. Dr. John Haanen, Amsterdam, im Präsidentensymposium 1 zur TIL-Therapie vorgestellt hat, besonders Aufsehen erregend gewesen.
Erste Phase-3-Studie bei solidem Tumor mit TIL
Die Phase-3-Studie war mit 168 Patienten relativ groß. Nachteil war, dass die Rekrutierung lange gedauert hat und das Design der Studie etwas veraltet scheint. Verglichen wurde die TIL-Therapie mit Ipilimumab-Behandlung bei Patienten mit nicht resezierbarem Melanom im Stadium III-IV. Die Patienten im Kontrollarm haben 4x Ipilimumab in üblicher Dosierung von 3 mg/kg Körpergewicht i. v. alle 3 Wochen erhalten.
In der TIL-Gruppe war der Ablauf wie folgt: Aus Metastasen-Resektat werden Tumor-infiltrierende Lymphozyten (TIL) in spezialisierten Laboratorien isoliert. Die TILs werden in vitro vermehrt. Wenn eine entsprechende Zahl an TILs zur Verfügung steht, wird der Patient stationär aufgenommen und mit myoablativer Chemotherapie aus Cyclophosphamid und Fludarabin behandelt. Anschließend erfolgt die Infusion der TILs kombiniert mit einer hochdosierten Interleukin-2-Infusion. Das ist ein den Patienten sehr belastendes Programm von insgesamt etwa 8 Wochen, stationär verbleiben die Patienten allerdings nur etwa 7-10 Tage.
Das ist im Vergleich zu den 4 ambulanten Gaben von Ipilimumab ein deutlich größerer Aufwand mit einer deutlich höheren Toxizität.
Höhere Ansprechraten und besseres PFS und OS
Die Daten wurden trotzdem mit großer Spannung erwartet. Die Ansprechraten der mit TILs behandelten Patienten sind mit 49% deutlich besser als mit 21% in der Ipilimumab-Gruppe, die Komplettremissionen lagen bei 20% versus 7%, also auch hier ein klarer Vorteil.
Wenn wir allerdings das mediane PFS ansehen, dann liegen wir bei 7,2 Monaten mit TILs und bei 3,1 Monaten mit Ipilimumab, beim medianen OS mit 26 versus 19 Monaten tatsächlich nicht im besonders beeindruckenden Bereich.
Wir haben insgesamt eine Therapie, die durchführbar ist, dafür war diese Studie m.E. wichtig. Die TIL-Therapie ist durchführbar, aber sie ist wahrscheinlich nur geeignet für Patienten, die „fit for toxicity“ sind, und Patienten, die PD1-refraktär sind, also in Zweitlinientherapie.
In dieser Studie sind nämlich nicht nur Patienten ohne Vorbehandlung, sondern auch Patienten in zweiter Linie eingeschlossen worden. Gerade für letztere könnte die TIL-Therapie eine gute Option sein.
Ich glaube, dass diese Studie zu Recht Aufmerksamkeit erregt hat, sie wird weiterhin in Fachkreisen diskutiert werden. Wir werden weitere Studien brauchen, weitere Studiendesigns brauchen, möglicherweise auch Kombinationen oder Sequenzen mit TIL-Therapie.
Ich sehe das Kapitel TIL-Therapie als noch lange nicht beendet an, aber es ist ganz sicher noch nicht Standard-of-Care für die Therapie unserer Melanompatienten.
Damit vielen Dank und Tschüss aus Hamburg.
Medscape © 2022 WebMD, LLC
Die dargestellte Meinung entspricht der des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von WebMD oder Medscape wider.
Diesen Artikel so zitieren: Hype oder Durchbruch? Die neue TIL-Zelltherapie beim Melanom war ein Aufreger auf dem ESMO – aber die Skepsis ist groß - Medscape - 26. Sep 2022.
Kommentar