Transkript des Videos von Prof. Dr. med. Christoffer Gebhardt, Hamburg:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich darf Sie herzlich begrüßen zu einem kurzen Update vom ESMO 2022, der in Präsenz in Paris und virtuell stattgefunden hat. Mein Name ist Christoffer Gebhardt, ich leite am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf das Hauttumorzentrum. Wir Dermatoonkologen haben auf diesem Kongress eine ganze Reihe an Highlights erlebt. Die haben vor allem etwas mit der adjuvanten, aber auch mit der neoadjuvanten Therapie von Hauttumoren zu tun.
IMMUNED-Studie
Ich beginne gleich mit der ersten Highlight-Studie, das war ein Update der IMMUNED-Studie, deren erste Präsentation mittlerweile schon 3 Jahre zurück liegt, nämlich beim ESMO 2019. Sie wurde vorgestellt von Prof. Dr. Dirk Schadendorf. Erstautorin der zeitgleich im Lancet publizierten Studie ist PD Dr. Elisabeth Livingstone, beide von der Hautklinik in Essen [1].
Die große Phase-2-Studie befasste sich mit der Frage, wie wir mit Patienten mit Melanom Stadium IV umgehen, die entweder komplett reseziert oder bestrahlt wurden.
Hier gibt es keinen Therapiestandard, so dass die Fragestellung hoch relevant ist, ob wir dem Patienten Nivolumab/Ipilimumab geben, Nivolumab bzw. Placebo, es war also eine 3armige Studie. Schon die Daten beim ESMO 2019 hatten uns beeindruckt und nun haben wir ein Update zum 4-Jahres-Gesamtüberleben von 84% der Patienten im Kombinations-Arm, 73% im Nivolumab-Arm und 63% im Placebo-Arm gesehen.
Im Rezidiv-freien Überleben (RFS) sieht es bei 4 Jahren noch beeindruckender aus mit 64% in der Nivolumab/Ipilimumab-Gruppe versus 31% versus 15% unter Nivolumab bzw. Placebo. Unter Placebo haben 85% der Patienten im Zeitraum von 4 Jahren ein Rezidiv erlitten und das kann man signifikant durch die Gabe von Nivolumab/Ipilimumab verhindern.
Etwa 50% der Patienten im Nivo/Ipi-Arm haben diese Kombination nur 1- oder 2mal erhalten und mussten dann wegen Nebenwirkungen abbrechen und sie haben trotzdem exzellent profitiert.
Fazit: Ich glaube, diese Studie hat das Zeug dazu, dass diese Therapie zum Standard of Care wird. Mit entsprechenden Krankenkassen-Anträgen ist das sicherlich auch etwas, was wir etablieren sollten.
SWOG S1801
Die 2. Highlight-Studie SWOG S1801 vergleicht neoadjuvante mit adjuvanter Therapie [2]. Die amerikanische Studie wurde von PD Dr. Sapna Patel, MD Anderson Cancer Center, Houston, vorgestellt. Eingeschlossen waren Patienten mit Melanom im Stadium III und IV, das grundsätzlich resektabel war.
Sie wurden in 2 Arme randomisiert, in einem neoadjuvanten Arm erhielten sie 3-mal im Abstand von 3 Wochen den PD1-Antikörper Pembrolizumab in Standarddosierung, nach der Resektion bekamen sie nochmals 15 Dosen zur adjuvanten Therapie. Die adjuvante Gruppe hat nach der Resektion 18mal, also über 1 Jahr alle 3 Wochen Pembrolizumab erhalten.
Tatsächlich haben die Patienten mit der neoadjuvanten Therapie deutlich profitiert. Die Hazard-Ratio beim Ereignis-freien Überleben (EFS) beträgt 0,59. Insgesamt zeigen sich 21% Komplettremissionen in der Gruppe mit neoadjuvanter Therapie, so dass wir davon ausgehen, dass hier ganz klar ein großer Vorteil ist. Also auch hier wird diese Therapie ein Standard of Care sein. Eine Zulassung zur Neoadjuvans gibt es für Pembrolizumab in diesen Fällen leider noch nicht.
Cemiplimab neoadjuvant beim kutanen Plattenepithelkarzinom
Eine weitere neoadjuvante Studie war ein Highlight, die neoadjuvante Cemiplimab-Studie beim kutanen Plattenepithelkarzinom, das grundsätzlich resektabel ist [3].
Cemiplimab als PD1-Antikörper ist bereits zugelassen für nicht resektable oder nicht der Strahlentherapie zugängliche Plattenepithelkarzinome der Haut.
In einer Phase-2-Studie erhielten es die Patienten neoadjuvant 4x im Abstand von 3 Wochen in Standarddosierung. Wir haben eine Gesamtansprechrate (ORR) von 68% gesehen. Im Resektat wurde eine pathologische Komplettremission (pCR) von 51% und eine major pathological Response (mPR) von 63% erreicht.
Das ist sicherlich ebenfalls ein Vorgehen, das wir in Zukunft zum Standard of Care machen müssen. Hier gibt es noch keine Zulassung. Aber in Zukunft ist es sicherlich eine Frage in unseren interdisziplinären Tumorboards.
Adjuvante Therapie beim Merkelzell-Karzinom
Eine weitere Studie mit adjuvanter Therapie mit dem PD1-Antikörper Nivolumab war die Phase-2-Studie ADMEC-0 bei Patienten mit komplett reseziertem Merkelzell-Karzinom im Stadium I-IV [4]. Eine adjuvante Strahlentherapie war erlaubt.
In dieser großen deutschen Studie zeigte sich ein signifikanter Vorteil für Nivolumab versus Beobachtung, das Krankheits-freie Überleben (DFS) betrug nach 24 Monaten 86,9 versus 73%. Die Hazard-Ratio war mit 0,53 und einem p-Wert von 0,0687 gerade nicht signifikant. Aber als Trend lässt das Ergebnis hoffen. Ich glaube, dass wir in Updates der Studie sehen werden, die Prof. Dr. Jürgen Becker aus Essen vorgestellt hat, dass sie eine Signifikanz erreicht.
Soviel zu den klaren Highlight-Studien dieses ESMO-Kongresses.
ctDNA in der CheckMate-915-Studie
Es gab weitere interessante Updates, u.a. zur CheckMate-915-Studie [5]. Das ist die große adjuvante Phase-3-Studie, in der Nivolumab/Ipilimumab versus Nivolumab untersucht wurde, die leider ihre primären Studienziele nicht erreicht hat. Dies liegt u.a. an der niedrigen Ipilimumab-Dosis.
Prof. Dr. Georgina Long aus Sydney hat nun Daten zur ctDNA-Analyse gezeigt. Patienten mit hoher ctDNA vor Therapie – das waren etwa 16% - hatten einen Nachteil im rezidivfreien Überleben mit einer HR von 1,87. Die prätherapeutische ctDNA konnte allerdings keinen Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen zeigen.
PIVOT IO 001 mit Bempegaldesleukin
Wie sieht es beim nicht resektablen Melanom aus? Auch hier gab es interessante Studien wie die große Phase-3-Studie PIVOT IO 001, die ja leider im Frühjahr 2022 beendet wurde [6]. Sie hat ihre Studienziele nicht erreicht.
In der Studie wurde der selektive Interleukin-2-Agonist Bempegaldesleukin in Kombination mit Nivolumab versus Nivolumab-Monotherapie bei Patienten mit nicht vorbehandeltem fortgeschrittenem Melanom untersucht. Sie wurde von PD Dr. Adi Diab, MD Anderson Cancer Center, Houston, vorgestellt.
Als Begründung für den negativen Ausgang der Studie wurde die höhere Toxizität von Bempegaldesleukin genannt, die Patienten haben bei der Kombinationsbehandlung mehr Steroide erhalten. Es traten mehr Behandlungs-bedingte Nebenwirkungen auf, möglicherweise wurde auch die Dosis häufiger reduziert. Der eigentliche Mode-of-Action ist aber möglicherweise nicht ganz verstanden.
Neue Wirkstoffe in der klinischen Prüfung
Zum Schluss noch einige neue interessante Wirkstoffe.
LXH254 (Naporafenib) ist ein BRAF/CRAF-Inhibitor. Hier wurden Daten in Kombination mit Trametinib bei Patienten mit BRAF- und NRAS-mutierten Tumoren vorgestellt [7].
Auch Daten zum Toll-like-Receptor 9(TLR9)-Agonist Tilsotolimod (IMO-2125), intradermal appliziert wurden präsentiert [8].
Pepinemab ist ein Semaphorin-4D-Antikörper, der in Kombination mit Nivolumab bzw. Nivolumab/Ipilimumab in der neoadjuvanten Therapie bei resezierbaren Melanomen im Stadium III untersucht worden ist [9].
Es gibt also viele spannende neue Entwicklungen.
Wir haben hier gelernt, dass wir uns mit Adjuvans und Neoadjuvans beschäftigen müssen, das muss in weiteren prospektiven Studien überprüft werden und insbesondere dann auch in die Leitlinien gelangen.
Das Zweite ist, dass wir molekulare Diagnostik brauchen, ctDNA ist ein Beispiel, auch Genexpressionsprofile sind wichtig. Da sehe ich ein großes Potenzial in unserem Fach.
Damit möchte ich schließen und Ihnen herzlich danken für die Aufmerksamkeit und ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen.
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Diesen Artikel so zitieren: Siegeszug der neoadjuvanten Therapie: Die Highlights zu Hautkrebs und ein Blick in die Zukunft – präsentiert von Prof. C. Gebhardt - Medscape - 20. Sep 2022.
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