Diese Langzeitdaten machen Hoffnung: Highlights zu Eierstock- und Brustkrebs, plus ein Überraschungserfolg zu einem speziellen Tumor

PD Dr. Georgia Schilling

Interessenkonflikte

15. September 2022

Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

mein Name ist Georgia Schilling. Ich bin leitende Oberärztin des Asklepios-Tumorzentrums in Hamburg und ich freue mich in bewährter Manier endlich wieder life im Studio von Medscape zu sitzen, um Ihnen vom ESMO-Kongress 2022 in Paris zu berichten und Ihnen meine persönlichen Highlights vorzustellen.

Langzeit-Remission beim Ovarialkarzinom

Zunächst 2 Studien zum fortgeschrittenen Ovarialkarzinom unter einer Erhaltungstherapie mit Olaparib. Vielleicht erinnern Sie sich an Barcelona 2019, wo schon einmal 3 Studien zu PARP-Inhibitoren in der Erhaltungstherapie vorgestellt worden sind. Jetzt wurden 2 Studien nach Langzeit-Follow-Up upgedatet. Das wird auch klinische Relevanz für uns haben.

SOLO-1-Studie

Die erste ist die SOLO-1-Studie mit Olaparib-Erhaltungstherapie über 2 Jahre bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, die auf eine platinhaltige Chemotherapie angesprochen haben [1]. Diese Patientinnen haben 2 Jahre lang Olaparib oder Placebo bis zur Progression bekommen. Schon im 5-Jahres-Follow-Up, das 2021 in Lancet Oncology veröffentlicht worden ist, hat man einen großen Benefit im medianen progressionsfreien Überleben gesehen.

Allerdings treten die meisten Todesfälle beim Ovarialkarzinom nach 5 oder bis zu 10 Jahren nach der Erstdiagnose auf. Deshalb ist es wichtig, jetzt über diese Daten nach einem Follow-Up von 7 Jahren zu sprechen.

Zum Zeitpunkt des Daten-Cut-Off im März 2022 waren im Olaparib-Arm noch über 45% der Patientinnen am Leben und ohne eine weitere Therapielinie. Im Placebo-Arm war es mit 20,6% nicht mal die Hälfte.

Die Rate an sekundären Leukämien und MDS ist sehr gering, wie auch das Auftreten von Zweittumoren. Das ist in beiden Armen sehr ausgeglichen. Insgesamt waren noch 67% der Patientinnen am Leben, die Olaparib erhalten haben.

Das ist das längste Follow-Up einer PARP-Inhibitor-Studie in der Erhaltungstherapie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom und auch für uns ein klares Signal, dass wir dieses Prinzip anwenden müssen. Es bietet die Chance auf Langzeitremission und vielleicht auch das Potenzial auf Heilung.

PAOLA-1-Studie

Die 2. Studie, die PAOLA-1-Studie, wurde auch mit einem sehr langen Follow-Up aktualisiert [2]. In dieser Studie wurde Olaparib plus Bevacizumab versus Placebo plus Bevacizumab im gleichen Therapiesetting nach Ansprechen auf eine platinhaltige Chemotherapie untersucht.

Auch hier gab es in der primären Analyse schon einen signifikanten Nutzen im medianen progressionsfreien Überleben bei den Patientinnen mit einer homologen rekombinanten Defizienz, also Patientinnen, die HRD-positiv waren, mit BRCA-Mutation oder mit genomischer Instabilität.

Nach diesem langen Follow-Up von fast 62 Monaten im Median ergab sich ein medianes OS von 56,5 Monaten im experimentellen Arm versus 51,6 Monate im Placebo-Arm. Das ist auf den ersten Blick enttäuschend. Schaut man aber die Subgruppen, sieht man, dass die Patientinnen, die HRD-positiv sind – die müssen nicht zwangsläufig BRCA-mutiert sein – besonders profitiert haben mit einem 5-Jahres-Überleben von 65,5% vs 48,4%. Das ist schon was.

Auch hier gibt es eine gute Sicherheitslage, es traten kaum Zweittumoren oder sekundäre AML auf.

Also: Eine bedeutungsvolle Verbesserung des Gesamtüberlebens bei HRD+-Patientinnen auch ohne BRCA-Mutation!

Gleich 2 Studien haben jetzt die Wertigkeit von Olaparib in der Erhaltungstherapie nach platinhaltiger Chemotherapie zeigen können. Das hat eine sehr hohe klinische Relevanz. Die vorab veröffentlichten PFS-Daten haben sich ins Gesamtüberleben übersetzen lassen, das ist sehr gut. Auch die Sicherheitsdaten sind sehr gut.

Was sagt uns das Ganze? Wir müssen BRCA und HRD testen, aber wir brauchen auch dringend Therapiestrategien für die HRD-negativen Patientinnen, die von dieser Strategie nicht profitieren.

DATA-Studie: Langzeitdaten zur Hormontherapie bei Brustkrebs

Auch beim Mammakarzinom gab es 2 Studien im Langzeitverlauf, das eine ist die DATA-Studie zur erweiterten Aromatase-Inhibitor-Therapie nach Tamoxifen-Gabe über 2 bis 3 Jahre [3]. Die Patientinnen haben nach Tamoxifen 1:1 randomisiert 3 oder 6 Jahre Anastrozol bekommen. Primärer Endpunkt war das adaptierte Krankheits-freie Überleben (DFS) ab 3 Jahre nach Randomisierung, sekundärer Endpunkt das adaptierte Gesamtüberleben (OS).

Wir sehen nach einem Follow-Up von 10,1 Jahren keinen Unterschied im Gesamtüberleben zwischen der Gruppe mit 3 Jahren und der Gruppe mit 6 Jahren Anastrozol.

 Auch das war auf den ersten Blick enttäuschend, aber wir müssen die Subgruppen anschauen. Da gab es statistisch signifikante Unterschiede nach 6 Jahren Aromatase-Inhibitor-Einnahme je nachdem ob beide Hormonrezeptoren positiv waren oder nur einer. Bei den nodal positiven Patientinnen gab es ebenfalls im 10-Jahres-DFS Unterschiede mit 69% in der 6-Jahres-Gruppe versus 61% in der 3-Jahres-Gruppe.

Das sagt uns, dass nicht alle postmenopausalen Patientinnen von der verlängerten Therapie mit Aromatase-Inhibitoren profitieren. Wir sollten sie aber in Erwägung ziehen bei positivem Nodalstatus und wenn beide Hormonrezeptoren exprimiert werden.

Diese Studie hilft uns, die Patientinnen zu identifizieren, die von der verlängerten Aromatase-Hemmung profitieren.

GIM-2-Studie zum frühen Mammakarzinom

Die 2. Studie ist von der GIM, der Gruppo Italiano Mammella, mit dosisdichter adjuvanter Chemotherapie beim nodal positiven frühen Mammakarzinom [4]. Die 4-armige Studie untersuchte im 2x2 Factorial Design die dosisdichte Gabe von 5-FU plus EC-P versus EC-P und die Standardgabe von 5-FU plus EC-P versus EC-P. Die primäre Analyse wurde 2015 im Lancet veröffentlicht. Sie hatte schon gezeigt, dass das DFS und das OS signifikant besser waren mit dem dosisdichten Regime, ohne dass ein Nutzen durch die zusätzliche Gabe von 5-FU sichtbar war.

Jetzt wurden die finalen Ergebnisse nach 15 Jahren Follow-Up präsentiert. Wir sehen eine statistisch hochsignifikante Verbesserung des DFS durch das dosisdichte Regime sowohl bei den Hormonrezeptor-negativen, wie auch bei den –positiven Patientinnen. Der absolute Nutzen betrug 9% im DFS und 7% im OS. Es gab kaum Fälle mit sekundären AMLs oder MDS.

Fazit: Diese Daten haben jetzt im Langzeit-Follow-Up bestätigt, das dosisdichte EC ist das optimale – ich sag jetzt mal (neoadjuvante) Therapieregime – beim nodal positiven frühen Mammakarzinom unabhängig vom Hormonstatus.

DeFi-Studie: neue Therapieoption bei den Desmoidtumoren

Jetzt zu einem persönlichen Highlight, bei dem es um eine ganz seltene Tumorart ging, nämlich progrediente Desmoidtumoren, das ist der Late-Breaking-Abstract 2, der am 10. September 2022 im ersten Präsidentensymposium von Prof. Dr. Bernd Kasper, Mannheim, vorgetragen wurde [5].

Ich habe es nicht nur gewählt, weil es eine deutsche Studie ist, sondern weil wir keine Standardtherapie haben beim progredienten Desmoidtumor und weil die Daten sehr überzeugend waren.

Es ging um den neuen oralen Gamma-Sekretase-Inhibitor Nirogacestat versus Placebo beim progredienten Desmoidtumor in einer doppelblinden, randomisierten Phase-3-Studie. Nirogacestat hatte schon in Vorstudien Antitumoraktivität gezeigt.

142 Patienten wurden randomisiert, primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben. Das wurde signifikant verbessert. Auch das Gesamtansprechen war besser und die Zeit bis zum Ansprechen war nur halb so lang wie im Placebo-Arm mit 5,6 versus 11,1 Monaten. Den Patienten wurde also schnell geholfen.

In dieser Studie wurden auch Patient Reported Outcomes (PROs) erhoben, dort konnte eine signifikante Verbesserung von Schmerzen und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität gezeigt werden, und das bei einem schnellen Ansprechen.

Die Substanz ist relativ sicher. Hauptnebenwirkungen sind Diarrhö, Übelkeit, Fatigue und Hyperphosphatämie. Sie konnten gut gemanagt werden. Eine ovarielle Dysfunktion trat bei Frauen im gebärfähigen Alter in 75% der Fälle auf, war aber zum Teil reversibel.

Damit haben wir eine neue Therapieoption bei den Desmoidtumoren. Es stellen sich natürlich einige Fragen. Etwa, ob es einen Head-to-Head-Vergleich mit Sorafenib geben wird, was auch eingesetzt wird. Oder wie lange und in welcher Therapielinie man die Therapie geben soll. Gibt es vielleicht Biomarker, die das Ansprechen besser vorhersehen lassen? Und wie sieht es mit Langzeit-Toxizitäten aus?

Diese Fragen werden uns die Mannheimer Arbeitsgruppe sicher in den nächsten Jahren beantworten.

Damit danke ich Ihnen fürs Zuhören und sage Tschüss aus Paris.

 

Kommentar

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