Herzlich Willkommen aus Barcelona vom ESC-Kongress 2022,
mein Name ist Andreas Zeiher, ich bin Kardiologe am Universitätsklinikum Frankfurt und ich freue mich, Ihnen heute über eine Studie, die hier vorgestellt und gleichzeitig im NEJM publiziert worden ist, zu berichten, die DANCAVAS-Studie oder Danish Cardiovascular Screening Trial [1,2].
Was steckt hinter DANCAVAS?
DANCAVAS hat den Nutzen von Präventionsmaßnahmen und Präventionsuntersuchungen für kardiovaskuläre Erkrankungen untersucht, etwas was unsere Kollegen aus der Krebsmedizin, der Gastroenterologie und auch der Virologie schon lange vormachen. Es gibt in Deutschland ein Krebsscreening und wir haben auch Screening-Untersuchungen auf Hepatitis, die von den Kostenträgern übernommen werden. Obwohl Herz-Kreislauf-Erkrankungen Todesursache Nr. 1 sind, haben wir aber bisher keine Screening-Untersuchungen, um Personen zu entdecken, die in absehbarer Zeit bzw. in Zukunft eine Herzerkrankung erleiden und möglicherweise daran versterben.
Dieser Frage ist nun die DANCAVAS-Studie nachgegangen. Es wurden rund 46.000 Menschen in Dänemark im Alter von 65 bis 75 Jahren ausgewählt, von denen 2:1 randomisiert ein Teil zu einer Screening-Untersuchung eingeladen wurde, der andere Teil wurde nicht gescreent. Ausgeschlossen waren Personen, die zuvor schon kardiovaskulär erkrankt waren.
Der Screening-Gruppe wurde eine EKG-geführte Koronar-CT ohne Kontrastmittel angeboten, um die Kalkbelastung des Herzens zu erfassen und die Aortenweite zur Erkennung eines Aortenaneurysmas zu untersuchen. Außerdem wurden mit einer Blutprobe Blutzucker- und Cholesterin-Werte gemessen. Von 16.000 eingeladenen Personen haben rund 10.000 diese Untersuchung über sich ergehen lassen.
Nach einer Verlaufsbeobachtung von relativ kurzer Dauer von 4,9 Jahren kam es zu einer knapp die Signifikanz verfehlenden Reduktion der Mortalität in der Screening-Gruppe, der p-Wert ist 0,06. Die Sterblichkeit ging von 13,1% in der Kontrollgruppe auf 12,6% in der Interventionsgruppe zurück.
Eindrucksvoll war jedoch, dass in der Gruppe der Personen im Alter zwischen 65 und 70 Jahren (Anm. d Red: statt bis 75) die Sterblichkeit durch das Screening signifikant reduziert wurde (HR 0,89, p = 0,004). Das ist auf eine signifikant niedrigere Inzidenz von Schlaganfällen mit tödlichem Ausgang als auch im Trend eine Reduktion von Herzinfarkten und der Ausbildung einer Herzinsuffizienz zurück zu führen.
Warum ist diese Studie so faszinierend?
Wir wissen alle, dass die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) sich in den letzten 2 bis 3 Jahren dazu bekannt hat, tatsächlich in diese Richtung auch in Deutschland aktiv zu werden. Wir müssen darauf hin arbeiten, dass auch wir ein Screening anbieten können für die Erkrankung, die die häufigsten Todesfälle verursacht. Wir wissen, dass zwischen 70 und 80% dieser Todesfälle vermeidbar sind, wenn man die Patienten rechtzeitig diagnostiziert.
Daher verdient diese dänische Studie allergrößten Respekt, weil sie dieses Thema zum ersten Mal aufgreift. Der Hinweis, dass das Screening bei jüngeren Menschen möglicherweise einen stärkeren Effekt hat, ist natürlich sinnvoll, weil man sie länger beobachten kann und weil sie recht plötzlich von derartigen Erkrankungen befallen werden.
Deshalb denke ich, dass wir in Zukunft einige Initiativen sehen werden – auch in Deutschland – die ein Screening auf Herzerkrankungen welcher Art auch immer, ob mit CT oder mit einer Blutuntersuchung, befürworten, um in Zukunft besser vorbereitet zu sein bei der Erfassung und Erkennung von Menschen, die ein hohes Risiko haben, in absehbarer Zeit tatsächlich eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden und im schlimmsten Fall auch daran zu sterben.
Das war mein persönliches Highlight beim ESC-2022-Kongress, natürlich auch getrieben von meiner Tätigkeit für die DGK. Aber ich denke, dass das auch für die Bevölkerung in Zukunft ein ganz wichtiger Aspekt sein wird.
Herzlichen Dank.
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Diesen Artikel so zitieren: „Faszinierende DANCAVAS-Studie“ zum Screening auf kardiovaskuläre Erkrankungen: „Wir müssen in Deutschland darauf hinarbeiten!“ - Medscape - 30. Aug 2022.
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