MEINUNG

7 praxisrelevante Highlights vom Europäischen Kardiologen-Kongress – klar und knapp erklärt von Prof. Andreas Zeiher

Prof. Dr. Andreas Zeiher

Interessenkonflikte

1. September 2022

Die persönlichen Treffen europäischer Kardiologen war auch ein Highlight, so Prof. Dr. Andreas Zeiher. Aber auch 7 weitere Studien stellt er in seinem Video als wichtige Erkenntnisse für die Praxis.

Transkript des Videos von Prof. Dr. Andreas Zeiher, Frankfurt

Herzlich Willkommen,

mein Name ist Andreas Zeiher, ich bin Kardiologe am Universitätsklinikum Frankfurt und ich begrüße Sie heute ganz herzlich aus Barcelona vom diesjährigen Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC).

Die Highlights des ESC 2022

Das größte Highlight ist sicher, dass wir uns nach 3 Jahren wieder persönlich treffen. Über 17.000 Kolleginnen und Kollegen sind anwesend und das ist die mit Abstand beste Nachricht.

Aus wissenschaftlicher und klinischer Sicht gibt es natürlich auch dieses Jahr zahlreiche Highlights. Neben 4 neuen Guidelines, über die ich jetzt nicht berichte, ist absolut eindrucksvoll, dass vom ESC-Kongress dieses Jahr insgesamt 15 der Hotline-Präsentationen entweder im New England Journal of Medicine oder im Lancet zeitgleich publiziert worden sind, was die besondere Bedeutung sowohl der hier vorgestellten Studien aber auch der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie und ihres Jahreskongresses hervorhebt.

DELIVER-Studie mit Dapagliflozin

Unübertroffen sind natürlich die neuen Daten zum SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin bei Patienten mit erhaltener Pumpfunktion und Herzinsuffizienz, die bestätigen, was wir vergangenes Jahr mit Empagliflozin in der EMPEROR-Preserved-Studie gehört haben. Mit der DELIVER-Studie haben wir nun 2 große Studien, die zeigen, dass die Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren die Symptomatik verbessert, Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz reduziert, allerdings die Sterblichkeit nicht signifikant verringert [1,2].

Das gibt natürlich für die Zukunft der Therapie der Herzinsuffizienz sehr viel Nahrung, dass die Leitlinien, die erst vergangenes Jahr erstellt wurden, wieder aktualisiert werden und dass wir alle davon ausgehen, dass die SGLT2-Inhibitoren eine 1A-Indikation bekommen auch für die Behandlung der Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion.

Wie weit in Zukunft die Auswurffraktion noch eine Rolle bei der Klassifizierung der Herzinsuffizienz spielt werden die nächsten Jahre zeigen.

DANCAVAS-Studie zum Vorsorge-Screening

Eindrucksvolle Ergebnisse erbrachte auch die DANCAVAS-Studie [3,4]. Die Studie aus Dänemark hat an über 40.000 Personen im Alter über 65 Jahren untersucht, ob eine Vorsorgeuntersuchung für Herzerkrankungen, wie wir es für Krebs oder Hepatitis kennen, tatsächlich nützlich ist.

Der primäre Endpunkt, nämlich eine Reduktion der Sterblichkeit durch die Screening-Untersuchung, wurde ganz knapp verfehlt in der Gesamtpopulation. Bei der Subgruppe der Patienten zwischen 65 und 70 Jahren war er jedoch positiv. Damit haben wir erste Hinweise, dass wir unseren Kolleginnen und Kollegen der Krebsmedizin folgen und eine Präventionsuntersuchung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen implementieren sollten.

ADVOR-Studie bei dekompensierter Herzinsuffizienz

In der ADVOR-Studie wurde das uralte Medikament Acetazolamid bei Patienten mit akuter dekompensierter Herzinsuffizienz eingesetzt [5,6]. Sie kennen Acetazolamid vielleicht noch als Diamox, es ist ein Diuretikum (Carboanhydratase-Hemmer), das im proximalen Tubulus die Natriumausscheidung fördert und damit entsprechend die Ausscheidung verstärkt.

Die schöne belgische Studie mit 519 Patienten zeigte, dass Acetazolamid zusätzlich zu klassischen Diuretika bei Patienten mit akuter Herzinsuffizienz eine signifikante weitere Entwässerung bewirkt.

SECURE-Studie mit Polypille

Valentin Fuster, Madrid, stellte eine weitere positive Studie vor, die SECURE-Studie mit einer Polypille [7,8]. Die Polypille enthielt Acetylsalicylsäure (100 mg), Ramipril (2,5, 5 oder 10 mg) und Atorvastatin (20 oder 40 mg). Sie wurde im Vergleich zur Einzelgabe der Medikamente untersucht. Die große Studie mit 2.499 Postinfarkt-Patienten war positiv, der primäre Endpunkt wurde bei der Behandlung mit der Polypille signifikant im Vergleich zur Einzelgabe verbessert.

So haben wir nun auch hier Klarheit, dass diese Strategie nicht nur zur besseren Adhärenz der Patienten bei der Tabletteneinnahme führt, sondern auch die klinische Ereignisrate reduziert.

Neutrale Studien

Die TIME-Studie hat untersucht, ob man Antihypertonika tatsächlich besser abends einnehmen sollte oder ob man es – wie wir es gewohnt sind – bei der morgendlichen Einnahme belassen kann [9]. Die Studie ergab, dass es überhaupt keinen Unterschied macht, ob man die Antihypertonika morgens oder abends einnimmt.

Neutral war auch die REVIVED-Studie, die bei Patienten mit schwer eingeschränkter linksventrikulärer Funktion mit ausgedehnter koronarer Herzkrankheit und vielfachen Stenosierungen versucht hat, per PCI eine Verbesserung des Überlebens und vielleicht auch der Pumpfunktion zu erreichen [10,11].

Hierbei zeigte sich kein Unterschied zur optimalen medikamentösen Therapie. Dies ist sicherlich auch darauf zurück zu führen, dass die Therapie der Herzinsuffizienz in den vergangenen 10 Jahren einen riesigen Sprung gemacht hat und die Sterblichkeit an dieser Erkrankung bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion um fast 50% reduziert wurde.

Es gab 2 Studien im kardiogenen Schock bzw. nach Out-of-Hospital-Reanimation, die gezeigt haben, dass es kein sicheres Blutdruckziel gibt, auf das man die Patienten nach überlebtem Out-of-Hospital-Herzstillstand bringen sollte und es spielt für das Outcome auch keine Rolle, ob die Sauerstoffsättigung über oder unter 90% liegt [12,13,14,15].

Zu guter Letzt noch eine Studie, die überwiegend in Afrika durchgeführt wurde und die untersucht hat, wie die Antikoagulation mit DOAKs bei Patienten mit rheumatischer Herzerkrankung und Vorhofflimmern wirkt [16,17]. Es zeigte sich tatsächlich, dass die Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar dem Faktor-Xa-Hemmer Rivaroxaban überlegen waren. Die Behandlung mit Rivaroxaban hat also dort nichts zu suchen. Das hängt damit zusammen, dass die rheumatische Herzerkrankung noch andere prothrombotische Stimuli hat als das, was wir klassischerweise in den westlichen Ländern kennen, also Vorhofflimmern auf dem Boden einer Hypertonie oder eine Hypertrophie.

Das waren die wesentlichen Highlights eines tollen Kongresses mit aktiver Beteiligung, mit viel Freude der Anwesenden und das in der wunderschönen Stadt Barcelona, die neben dem Kongress auch noch das eine oder andere Highlight zu bieten hat.
 

Kommentar

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