MEINUNG

Vorteil für Patienten mit Metastasen: Während Krebstherapie „mit PROs Symptome selbst zu erfassen ist absolut sinnvoll“

PD Dr. Georgia Schilling

Interessenkonflikte

1. August 2022

Mit Patient Reported Outcomes (PRO) können Ärzte besser die Patienten im Auge behalten während deren Therapie. PD Dr. Georgia Schilling berichtet über die aktuelle Datenlage und fordert ein Umdenken.

Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Georgia Schilling, ich bin Chefärztin der internistisch-onkologischen Rehabilitation in der Asklepios-Nordsee-Klinik in Westerland auf Sylt und ich bin auch leitende Oberärztin im Asklepios-Tumorzentrum in Hamburg.

Heute möchte ich erneut auf die Erhebung von Patient Reported Outcomes (PROs) eingehen. Im Juni erschien in JAMA eine Publikation von Prof. Dr. Ethan Basch, Onkologische Abteilung der UNC School of Medicine, Chapel Hill (NC, USA), an den Sie sich vielleicht erinnern. Er hat im Jahr 2017 beim ASCO in der Plenarsitzung erstmals die Implementierung von PROs vorgestellt. Jetzt geht es um die Effekte eines elektronischen Symptom-Monitorings auf die PROs bei Patienten mit metastasierten soliden Tumoren [1].

Zum Hintergrund

Elektronische Systeme, die die Erhebung von PROs erleichtern, können Symptome früh detektieren und uns dazu bringen, zeitnah medizinische Interventionen durchzuführen, also auf diese Symptome zu reagieren.

Häufig ist es jedoch so, dass Symptome während der Therapie unerkannt bleiben, die Patienten berichten sie nicht. In den Praxen sehen wir die Patienten während den Therapien oft nicht und sie werden ausschließlich von der Pflege – durchaus sehr kompetent und gut – begleitet. Aber Symptome bleiben oft unerkannt und damit auch unbehandelt. Sie können dann zu Distress bei den Patienten führen und natürlich auch zu medizinischen Komplikationen.

Es gab eine Vorstudie in einem monozentrischen Setting, die Ethan Basch in der Plenarsitzung beim ASCO 2017 präsentiert hat. Sie hat gezeigt, dass die Erhebung von PROs machbar ist, dass sie zu einer Verbesserung der Lebensqualität, der physischen Verfassung, der Symptomkontrolle und sogar des Überlebens führt [2, 3].

Inzwischen sind 5 Jahre vergangen und die Erhebung von PROs ist noch keine klinische Routine. Dafür gibt es etliche Barrieren wie Technik, Kosten, Skepsis im Behandler-Team, Skepsis bei den Patienten oder auch wenig Computeraffinität usw. Das ist also noch kein Standard in unserer Versorgung.

Design der PRO-TECT-Studie

Fragestellung der aktuellen Studie war, ob das elektronische Symptom-Monitoring zu einer verbesserten Lebensqualität führt. Primäres Outcome war wie in der monozentrischen Studie das Gesamtüberleben (OS). Zu den sekundären Endpunkten zählten körperliche Verfassung, Symptomkontrolle und die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HR-QOL) nach 3 Monaten.

An der PRO-TECT-Studie waren 52 onkologische Praxen beteiligt. Insgesamt wurden fast 1.200 Patienten eingeschlossen mit metastasiertem Tumorleiden. Die Studie war offen und 1:1 randomisiert PRO versus Standard. In der PRO-Gruppe wurden die Symptome wöchentlich Internet- oder Telefon-basiert abgefragt. Erfasst wurden z.B. Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Durchfall, Atemnot, Schlaflosigkeit, Depression, Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, ECOG-Status, Fallneigung oder auch finanzielle Herausforderungen.

Nahm das System eine leichtere Verschlechterung wahr, erhielt der Patient einen Link mit Hinweisen zum Selbstmanagement. Bei schwerwiegenden oder sich deutlich verschlechternden Symptomen wurde das Behandler-Team automatisch alarmiert und konnte zeitnah handeln.

Ergebnisse der PRO-TECT-Studie

Die Komplettierungsrate nach 3 Monaten betrug fast 90%, was großartig ist für solche Studien. Die Erfassung der PROs führte zu einer signifikanten Verbesserung der körperlichen Verfassung, der Symptomkontrolle und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Alle 3 sekundären Endpunkte wurden damit erreicht. Die durchschnittliche Verbesserung lag bei 2,5 Punkten auf einer Skala von 0 bis 100, sie war aber statistisch signifikant.

Signifikante Unterschiede zugunsten der Interventionsgruppe konnten bei Fatigue, Übelkeit und Erbrechen, Schlaflosigkeit und Appetitlosigkeit gezeigt werden.

Es ergab sich also ein deutlicher Gewinn für die Patienten, wenn die PROs erfasst worden sind.

Klinische Relevanz

Die Ergebnisse der multizentrischen Studie haben die Ergebnisse der monozentrischen Studie bestätigt. Ein elektronisches Symptom-Monitoring ist machbar und sinnvoll. Die Rücklaufquoten waren hoch.

Es gab eine kleine, aber statistisch signifikante Verbesserung für die Patienten. Leider sind noch keine Daten zum Gesamtüberleben verfügbar, die werden in der nächsten Zeit nachgeliefert, ich werde dann wieder darüber berichten.

Fazit

Wir sollten uns wirklich überlegen, die Erfassung der PROs in unseren klinischen Alltag zu implementieren. Ich bin der Meinung, dass dies absolut sinnvoll ist.

Ich konnte vor einiger Zeit mit einem anderen Symptom-Erhebungssystem Erfahrungen sammeln, was auch an die Pflege und die Ärzte ging und was dazu geführt hat, dass wir die Patienten besser im Auge hatten.

In diesem Sinne, warten wir auf die Daten zum Gesamtüberleben, und ich sage Tschüss bis zum nächsten Mal.

Kommentar

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