Patienten mit lokal fortgeschrittenem Darmkrebs und Tumoren mit mangelhafter Mismatch-Reparatur (dMMR) sprechen bemerkenswert gut auf den PD-1-Inhibitor Dostarlimab (Jemperli®) an.
An der Studie haben bisher nur 12 Patienten teilgenommen, aber alle haben klinisch vollständig auf die Behandlung angesprochen. Sie zeigen weiterhin keine Anzeichen von Krebs (während der Nachbeobachtungszeit von 6 bis 25 Monaten) und wurden weder operiert noch bestrahlt oder chemotherapiert, was der Standardbehandlung entspräche.
Die Ergebnisse wurden gleichzeitig am 5. Juni im New England Journal of Medicine veröffentlicht und auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2022 vorgestellt [1]. Auf der Tagung stellte das Team aktualisierte Daten vor, die 14 Patienten mit kompletten Remissionen zeigten, was vom Publikum mit stehenden Ovationen gewürdigt wurde.
Behandlung ohne OP und ohne Chemotherapie
„Die Eliminierung der Tumore nach 6-monatiger Therapie mit dem PD-1-Blocker ermöglichte es uns, sowohl auf eine Chemoradiotherapie als auch auf eine Operation unserer Patienten zu verzichten und mit der reinen Beobachtung fortzufahren“, sagen die Autoren unter der Leitung von Dr. Andrea Cercek, Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC), New York City.
Etwa 5-10% der Patienten mit Rektumkarzinom weisen Mismatch-Repair-defiziente (dMMR) Tumore auf.
„Die Auswirkungen auf die Lebensqualität sind beträchtlich, vor allem bei Patienten, bei denen eine Standardbehandlung das Kinderkriegen beeinträchtigen würde [und] angesichts der Tatsache, dass die Inzidenz von Rektumkarzinomen bei jungen Erwachsenen im gebärfähigen Alter zunimmt, könnte der Einsatz der PD-1-Blockade, um die Notwendigkeit einer Chemoradiotherapie und einer Operation zu eliminieren, in dieser Altersgruppe von besonderem Nutzen sein“, kommentieren die Autoren.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie seien ein Anlass zu „großem Optimismus, aber ein solcher Ansatz kann unseren derzeitigen kurativen Behandlungsansatz noch nicht ersetzen“, kommentiert Dr. Hanna Sanoff von der University of North Carolina Chapel Hill, im begleitenden Leitartikel.
Dostarlimab als Einzelwirkstoff
Im Rahmen der Studie wurden alle Patienten 6 Monate lang alle 3 Wochen mit Dostarlimab als Einzelwirkstoff behandelt.
Dostarlimab ist bereits von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für die Behandlung von rezidivierendem oder fortgeschrittenem Endometriumkarzinom mit dMMR zugelassen. Für Darmkrebs ist es eine Off-Label-Anwendung.
Alle Patienten wiesen Mismatch-Reparatur-defiziente Adenokarzinome des Rektums im Stadium 2 oder 3 auf. Die Autoren weisen darauf hin, dass diese Tumore schlecht auf Standard-Chemotherapie-Schemata, einschließlich neoadjuvanter Chemotherapie, ansprechen. Das Durchschnittsalter der teilnehmenden Patienten lag bei 54 Jahren, 62% waren Frauen.
Im Studiendesign war vorgesehen, dass Patienten, die nach Abschluss der Behandlung mit Dostarlimab ein klinisch vollständiges Ansprechen aufwiesen, zur Beobachtung übergehen sollten, ohne sich einer Chemoradiotherapie oder Operation zu unterziehen, während diejenigen, die kein vollständiges Ansprechen zeigten, diese Standardtherapien erhalten sollten.
Es stellte sich heraus, dass alle 12 Patienten ein vollständiges Ansprechen erreichten und in die alleinige Beobachtung aufgenommen werden konnten. Die mediane Nachbeobachtungszeit vom Zeitpunkt des Studienbeginns bis zum Ende der Datenerhebung betrug bei den 12 Patienten 12 Monate.
„Das therapeutische Ansprechen erfolgte rasch“, stellten die Autoren fest, „und die Symptome verschwanden bei 81% der Patienten innerhalb von 8 Wochen nach Beginn der Behandlung mit Dostarlimab".
Bis heute haben 4 Patienten nach Abschluss des Anti-PD-1-Verlaufs ein Jahr lang ein anhaltendes vollständiges klinisches Ansprechen gezeigt.
Zusätzlich zu den 12 Patienten, die in der Studie dokumentiert wurden, haben 4 weitere Patienten mindestens 1 Dosis Dostarlimab erhalten und werden weiterhin behandelt.
Unerwünschte Ereignisse traten bei den meisten Patienten auf, aber kein Ereignis fiel in die Kategorie Grad 3 oder höher. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse des Grades 1 oder 2 waren Hautausschlag oder Dermatitis, Pruritus, Müdigkeit, Übelkeit und bei einem Patienten Anomalien der Schilddrüsenfunktion.
Die Autoren vermuten, dass neben der extrem hohen Mutationslast des Tumors, die mit dem Mangel an Mismatch-Reparatur einhergeht, ein tumorexterner Faktor wie das Darmmikrobiom für das außergewöhnlich gute Ansprechen auf die PD-1-Blockade in dieser Patientengruppe verantwortlich sein könnte.
Derzeit noch kein Ersatz für Standardtherapien
Im Leitartikel betont Sanoff, dass der Ansatz noch experimentell sei und die derzeitige kurative Behandlung nicht ersetzen solle. Sie weist darauf hin, dass in anderen Studien, in denen sowohl Chemotherapie als auch Immuntherapie eingesetzt worden seien, Krebsrezidive aufgetreten seien.
So haben beispielsweise Patienten, die mit Chemotherapie und Bestrahlung ein klinisch komplettes Ansprechen erreichen, eine bessere Prognose als Patienten, bei denen dies nicht der Fall ist. Sie gibt jedoch zu bedenken, „dass bei 20 bis 30% dieser Patienten der Krebs wieder wächst, wenn er nicht operativ behandelt wird“.
Sanoff weist auch darauf hin, dass bei der Anwendung dieses Ansatzes der PD-1-Hemmung bei metastasiertem Darmkrebs mit dMMR Rückfälle beobachtet worden seien. In der KEYNOTE-177-Studie mit Pembrolizumab (Keytruda) waren nur 55% der Patienten nach 12 Monaten noch am Leben, ohne dass der Krebs weiter fortgeschritten war, und von den Patienten, die anfänglich ein starkes Ansprechen zeigten, wiesen nur 70% auch drei Jahre später noch ein Ansprechen auf.
„Diese Rückfalldynamik kann sich zwischen Immuntherapie und Chemoradiotherapie sowie zwischen frühem und spätem Krankheitsstadium unterscheiden (oder auch nicht)“, kommentiert Sanoff.
„Tatsächlich weiß man nur sehr wenig über die Zeitspanne, die benötigt wird, um herauszufinden, ob ein vollständiges klinisches Ansprechen auf Dostarlimab einer Heilung gleichkommt“, fügt sie hinzu.
Darüber hinaus warnt Sanoff, dass die Entscheidung, auf eine weitere Behandlung zu verzichten und die Patienten nur zu beobachten, eine sehr genaue Überwachung erfordert.
Methodische Details
Die aktuelle Studie wurde an einem der führenden Krebszentren der USA, dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center, durchgeführt. Die Autoren weisen darauf hin, dass das vollständige Ansprechen (nach einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 6 Monaten) durch eine Kombination aus rektaler MRT, visueller endoskopischer Inspektion und digitaler rektaler Untersuchung gemessen worden sei.
Die Vollständigkeit des Ansprechens wurde durch das Fehlen eines Resttumors bei seriellen endoskopischen Biopsien und die Auflösung der bei der FDG-PET aufgenommenen 18F-Fluordesoxyglukose nachgewiesen.
Im Leitartikel kommentiert Sanoff, dass ein „sicheres nicht-operatives Management [auch] den Zugang zu einer spezialisierten Versorgung für eine direkte intraluminale Visualisierung und Expertise in der Interpretation rektaler MRT voraussetzt... Eine solche Expertise ist nicht in allen Einrichtungen verfügbar, und ohne sie könnten Patienten die Chance auf eine kurative Resektion verpassen, wenn der Tumor wieder wächst“.
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Neue Daten, großer Optimismus: Mismatch-Repair-defizienter Darmkrebs spricht vollständig auf Dostarlimab an - Medscape - 14. Jun 2022.
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