Vom 7. bis 10. Juni 2022 hat der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) getagt. Er befasste sich mit Gefahren durch Amfepramon und mit Sicherheitssignalen bei mRNA-basierten COVID-19-Impfstoffen. Ärzte werden über Änderungen bei Neofordex®-Tabletten und über Gefahren durch Xalkori® speziell bei pädiatrischen Patienten informiert [1]. Die Details:
Widerruf der Zulassung Amfepramon-haltiger Pharmaka
Der Sicherheitsausschuss hat empfohlen, EU-Zulassungen für Amfepramon-haltige Arzneimittel gegen starkes Übergewicht zu widerrufen. Amfepramon ist ein Amphetaminderivat.
Grundlage der Entscheidung war eine Überprüfung, die ergeben hat, dass bisherige Maßnahmen zur Einschränkung der Verwendung dieser Arzneimittel nicht effektiv waren. Hierzu wurden alle verfügbaren Informationen berücksichtigt, auch Daten aus einer kürzlich durchgeführten EMA-Studie über die Verwendung dieser Arzneimittel in Deutschland und in Dänemark. Darüber hinaus wurde der PRAC von einer Expertengruppe beraten, der Endokrinologen, Kardiologen und ein Patientenvertreter angehörten.
Ausschuss-Mitglieder haben herausgefunden, dass Präparate teilweise länger als die empfohlene Höchstdauer von 3 Monaten angewendet werden. Dadurch kann sich das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen wie pulmonale arterielle Hypertonie und Abhängigkeit erhöhen.
Arzneimittel kommen trotz entsprechender Warnungen immer wieder bei Patienten mit Herzerkrankungen oder psychiatrischen Störungen in der Vorgeschichte zum Einsatz, was das Risiko kardialer oder psychischer Folgen erhöht. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die Anwendung während der Schwangerschaft Risiken für das ungeborene Kind mit sich bringen könnte. Auch werdende Mütter scheinen Amfepramon mitunter einzunehmen.
Alles in allem kam der PRAC zu dem Schluss, dass der Nutzen der Amfepramon-Arzneimittel ihre Risiken nicht aufwiegt, und empfahl, die Arzneimittel in der EU vom Markt zu nehmen.
Starke Menstruationsblutungen in Zusammenhang mit COVID-19-Impfstoffen
Außerdem setzt der PRAC seine Bewertung von Fällen starker Menstruationsblutungen in zeitlichem Zusammenhang mit COVID-19-Impfungen fort. Das betraf die mRNA-Vakzine Comirnaty® und Spikevax®.
„Menstruationsstörungen sind sehr häufig und können bei einer Vielzahl von Grunderkrankungen, aber auch bei Stress und Müdigkeit auftreten“, schreibt der EMA-Sicherheitsausschuss. Er hat alle verfügbaren Daten geprüft, einschließlich der im Rahmen von klinischen Studien und in EudraVigilance gemeldeten Fälle. Hinzu kamen Daten aus der Literatur.
Als Zwischenstand bleibt, das Sicherheitssignal weiter zu bewerten und von den Zulassungsinhabern eine aktualisierte kumulative Überprüfung der Fälle von starken Regelblutungen einzufordern. Eine abschließende Bewertung ist derzeit nicht möglich.
Amenorrhoe in Zusammenhang mit COVID-19-Impfstoffen
Bei einer ähnlichen Analyse zeigte sich, dass momentan keine ausreichenden Beweise für einen kausalen Zusammenhang zwischen den COVID-19-Impfstoffen Comirnaty® bzw. Spikevax® und einer Amenorrhoe vorliegen.
Insgesamt kam der PRAC zu dem Schluss, dass die verfügbaren Daten nicht für einen kausalen Zusammenhang und eine Aktualisierung der Produktinformation für beide Impfstoffe sprechen. Weitere Auswertungen folgen.
Neofordex®: Tabletten bald ohne Bruchkerbe
Außerdem sollen Ärzte über die Entfernung der Bruchkerbe bei Neofordex® (Dexamethason)-Tabletten informiert werden. Künftig ist nur noch die Verabreichung von 40 mg möglich, sprich einer ganzen Tablette. Das liegt an Stabilitätsproblemen durch die Luftfeuchtigkeit, sollten Tabletten geteilt werden.
Neofordex® ist ein Arzneimittel, das zusammen mit Krebsmedikamenten zur Behandlung von Erwachsenen mit multiplem Myelom eingesetzt wird. Bei der Behandlung von Patienten, bei denen die Dexamethason-Dosis auf 20 mg reduziert werden muss, wird Ärzten empfohlen, andere Präparate zu verschreiben.
Visuelle Störungen unter Xalkori®
Eine weitere Risikokommunikation befasst sich mit der Gefahr okulärer Toxizität, eines schweren Sehverlusts, bei pädiatrischen Patienten unter Xalkori® (Crizotinib).
Das Krebsmedikament hat eine Zulassung bei Erwachsenen mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC), wenn die Krankheit fortgeschritten ist. Es wird experimentell auch bei Kindern im Alter von 6 bis 18 Jahren als Monotherapie zur Behandlung des rezidivierenden oder refraktären systemischen anaplastischen großzelligen Lymphoms (ALCL), das ALK-positiv ist, oder bei Patienten mit inoperablem, rezidivierendem oder refraktärem ALK-positivem entzündlichen myofibroblastischen Tumor (IMT) eingesetzt. Bei 61% der pädiatrischen Patienten, die in klinischen Studien mit Crizotinib® behandelt wurden, kam es zu Sehstörungen.
„Sehstörungen und okuläre Toxizitäten sind bei Kindern schwer zu erkennen“, schreibt der Ausschuss. Junge Patienten berichten möglicherweise nicht über Veränderungen ihres Sehvermögens oder bemerken diese nicht, wenn sie nicht gezielt nach Symptomen gefragt werden. Sie sollten auf okuläre Toxizität, einschließlich des Risikos eines schweren Sehverlusts, überwacht werden. Wichtig sind augenärztliche Basisuntersuchungen und Nachuntersuchungen im Anschluss an die Therapie.
Ärzten rät der Ausschuss, Patienten über die Symptome zu informieren und sie daran zu erinnern, ihre Praxis zu kontaktieren, falls eines dieser Symptome auftritt. Außerdem sollten Ärzte bei Augenbeschwerden des Grades 2 überlegen, die Dosis zu verringern. Und bei Augenbeschwerden des Grades 3 und 4 sollte das Arzneimittel abgesetzt werden.
Credits:
Photographer: © Vu Khoa Nguyen Khanh
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: EMA-Sicherheitsausschuss: Bewertung von COVID-19-Vakzinen und Zyklusstörungen; Zulassungswiderruf von Abnehmmittel - Medscape - 13. Jun 2022.
Kommentar