HER2-low Mammakarzinom: DESTINY-Breast04 macht Trastuzumab Deruxtecan zum neuen Therapiestandard

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

10. Juni 2022

Frauen mit HER2-niedrigem metastasiertem Mammakarzinom sind nun eine gezielt behandelbare Patientengruppe: Mit Trastuzumab Deruxtecan steht für sie ein neuer Therapiestandard zur Verfügung. Dies schlussfolgerte Dr. Shanu Modi, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, aus den Ergebnissen der Phase-3-Studie DESTINY-Breast-04, die sie beim ASCO-Kongress präsentiert und parallel im New England Journal of Medicine publiziert hat [1,2].

Die Therapie mit Trastuzumab Deruxtecan verlängerte bei den stark vorbehandelten Frauen im Vergleich zu einer Chemotherapie nach Wahl des Behandlers das progressionsfreie Überleben (PFS) im Median um 4,8 Monate und das Gesamtüberleben (OS) um 6,6 Monate.

„Die Ergebnisse dieser Studie werden die Praxis eindeutig verändern“, sagte ASCO-Expertin PD Dr. Jane Lowe Meisel, Winship Cancer Insitute der Emory Universität, Atlanta, USA, bei der Pressekonferenz. „Diese Studie erweitert die Vorteile dieses Wirkstoffs auf eine ganz neue Gruppe von Patienten, die traditionell ziemlich schwierig zu behandeln ist“, ergänzte sie.

 
Die Ergebnisse dieser Studie werden die Praxis eindeutig verändern PD Dr. Jane Lowe Meisel
 

Prof. Dr. Patricia LoRusso, Yale School of Medicine, New Haven, USA, Diskutantin der Studie in der Plenarsitzung, kommentierte: „Sollte sich der Behandlungsstandard für Patientinnen mit HER2-niedrigem Brustkrebs aufgrund der Daten ändern, die DESTINY-Breast04 ergeben hat? Meine Antwort lautet: Auf jeden Fall!“ Allerdings seien empfindlichere Tools erforderlich, um die am besten geeignete Patientengruppe besser definieren zu können.

Nur begrenzte Behandlungsoptionen für HER2-niedrige Tumoren

Bei etwa 60% der Patientinnen mit Mammakarzinom wird der Tumor aufgrund der immunhistochemischen (IHC) und/oder In-situ-Hybridisierungsbefunde (ISH) IHC-Score von 1+ oder 2+/ISDH- als HER2-niedrig klassifiziert.

Derzeit verfügbare gegen HER2 gerichtete Therapien wirken bei diesen Tumoren nicht, deshalb werden sie in den pathologischen Berichten der HER2-negativen Gruppe zugeordnet. Für HER2-negative Brustkrebs-Patientinnen stehen nur begrenzte Behandlungsoptionen zur Verfügung.

Ergebnisse einer Phase-1-Studie haben bei 54 stark vorbehandelten Frauen mit HER2-niedrigem metastasiertem Brustkrebs gezeigt, dass die Behandlung mit Trastuzumab Deruxtecan ein PFS von 11,1 Monaten und eine Ansprechrate von 37,0% erreicht. Die Wirkung des ADC könnte auf die hohe Payload und den Bystander-Effekt zurück zu führen sein (siehe Kasten).

Studie mit 557 Frauen

In der offenen, multizentrischen internationalen Phase-3-Studie wurden 557 Frauen mit chemotherapeutisch vorbehandeltem nicht resezierbarem und/oder metastasiertem Mammakarzinom mit niedriger HER2-Expression eingeschlossen. Eine geringe HER2-Expression wurde definiert als ein Score von 1+ bei der IHC-Analyse oder als ein IHC-Score von 2+ und negative Ergebnisse bei der In-situ-Hybridisierung (ISH-). 494 Frauen waren Hormonrezeptor-positiv (88,7%), 63 Hormonrezeptor-negativ (11,3%).

Die Patientinnen erhielten 2:1 randomisiert Trastuzumab Deruxtecan (n = 373) oder eine Chemotherapie nach Wahl des Behandlers, und zwar Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin, Paclitaxel oder nab-Paclitaxel (n = 184).

Primärer Endpunkt war das PFS bei HR-positiven Frauen, zu den wichtigen sekundären Endpunkten gehörten OS bei HR-positiven Frauen sowie PFS und OS bei allen Frauen.

Trastuzumab Deruxtecan schlägt Chemo

Der primäre Endpunkt wurde erreicht. Trastuzumab Deruxtecan verlängerte das PFS bei HR+-Frauen von 5,4 Monaten unter Chemotherapie auf 10,1 Monate (Hazard Ratio: 0,51, p < 0,001) und das OS von 17,5 Monaten auf 23,9 Monate (HR: 0,64, p = 0,003). Das Antikörper-Arzneistoff-Konjugat wirkte unabhängig vom Hormonrezeptor-Status.

In der Gesamtgruppe verlängerte es das PFS von im Median 5,1 auf 9,9 Monate (HR: 0,50, p < 0,001) und das OS von 16,8 auf 23,4 Monate (HR: 0,64, p = 0,001).

Die objektiven Ansprechraten bei den HR-positiven und HR-negativen Frauen betrugen 53 % bzw. 50 % mit Trastuzumab Deruxtecan gegenüber 16% bzw. 17% mit Chemotherapie.

Patientinnen der Trastuzumab-Deruxtecan-Gruppe wurden im Median 8,2 Monate, die der Vergleichsgruppe 3,5 Monate behandelt. Schwere Nebenwirkungen vom Schweregrad ≥ 3 traten bei 28% unter dem ADC und bei 25% unter Chemotherapie auf.

Eine interstitielle Lungenerkrankung/Pneumonitis trat bei 12,1% der Trastuzumab-Deruxtecan-Patientinnen (n = 45) auf. Sie war zwar in der Mehrzahl dem Schweregrad 1 oder 2 zuzuordnen, dennoch verstarben 3 Patientinnen an dieser Nebenwirkung. „Es ist allgemein anerkannt, dass die Lungentoxizität ein wichtiges Sicherheitsproblem bei Trastuzumab Deruxtecan ist“, merkte Modi an. „Alle Patienten, die sich einer  solchen Therapie unterziehen, müssen engmaschig überwacht werden, damit frühzeitig geeignete Maßnahmen ergriffen werden können.“

Als weitere besondere Nebenwirkungen berichtete Modi über 16 Fälle von verminderter Auswurffraktion und 2 Fälle von Herzinsuffizienz unter der ADC-Therapie.

Wirkungsweise von Trastuzumab Deruxtecan

Trastuzumab Deruxtecan ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC), das aus dem HER2-Antikörper Trastuzumab besteht, der über einen Linker auf Tetrapeptid-Basis mit dem Topoisomerase-Hemmer Deruxtecan verbunden ist. An jedes Antikörpermolekül sind etwa 8 Deruxtecan-Moleküle gebunden. Die Payload (Nutzlast) des ADC ist also hoch. Deruxtecan, ein Exatecan-Derivat, ist etwa 10-fach wirksamer als SN-38, der aktive Metabolit von Irinotecan.

Nach der Bindung von Trastuzumab an HER2 auf der Oberfläche der Tumorzellen kommt es zu einer Internalisierung des Trastuzumab-Deruxtecan-Komplexes und zur Abspaltung des Linkers in der Zelle durch lysosomale Enzyme, die in Krebszellen hochreguliert werden.

Nach der Freisetzung in der Zelle verursacht das membrangängige Deruxtecan DNA-Schäden und führt durch Apoptose zum Tod der Tumorzelle. Aufgrund der hohen Payload und der guten Membranpermeabilität von Deruxtecan kann es auch benachbarte Zellen abtöten (Bystander-Effekt).

 

Kommentar

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