Streit um Investoren-MVZ geht weiter: Bundesverband der Betreiber von MVZ wehrt sich

Hans-Joachim A. Schade

Interessenkonflikte

8. Juni 2022

Hans-Joachim Schade analysiert die Folgen der aktuellen Debatte um Medizinische Versorgungszentren in Investorenhand. Denn es rührt sich Widerstand gegen das vielbeachtete Gutachten des IGES-Instituts für die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Schade ist Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator von der Rechtsanwaltskanzlei Broglie, Schade & Partner GbR.

Hans-Joachim A. Schade

Das Gutachten des IGES-Institutes im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) zu höheren Honorarabrechnungen von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Eigentum von Finanzinvestoren schlägt weiter Wellen. Dort wird der Generalverdacht formuliert, dass nicht-inhabergeführte MVZ ausschließlich mit dem Ziel eines Renditeobjektes geführt werden.

Konkret: Diese MVZ verfolgten über ihre angestellten Ärztinnen und Ärzte Sekundärinteressen, die insgesamt eine ordnungsgemäße Patientenversorgung gefährden könnten. Hiergegen wendet sich nun der Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren e.V. (BBMV) in einer Stellungnahme mit deutlichen Worten.

Vertragsärzte mit höherem Honorar als am Investoren-MVZ

In seiner Stellungnahme legt der BBMV dar, dass selbst die IGES-Experten in der Kurzfassung des Gutachtens u.a. zu dem folgenden verblüffenden Schluss kommen: „Die Ergebnisse hinsichtlich der Art der MVZ-Träger variieren je nach betrachteter Fachrichtung. Der Träger, der am ehesten mit konstant höheren Honorarvolumen assoziiert wird, sind die Vertragsärzte.“

Darüber hinaus moniert die BBMV-Stellungnahme die statistische Validität der Behauptung, es läge eine Gefährdung des Versorgungsystems durch Finanzinvestoren vor. Dies beträfe insbesondere die Fachgruppen Augenheilkunde, Fachinternisten, Gynäkologie, Orthopädie/Chirurgie.

In Bayern gehören 41 der insgesamt 577 MVZ Investoren. Das sind 7,6% der MVZ im Südosten Deutschlands. In den 41 MVZ arbeiten insgesamt 244 angestellte Ärztinnen und Ärzte. Bei etwa 26.000 ambulant tätigen Medizinerinnen und Medizinern im Freistaat Bayern kommt so ein Wert von 0,67 der Vollzeitäquivalente zustande.

Mit der These, dass statistisch die Organisationsform MVZ mehr abrechne als Einzelpraxen, wird eingeführt, dass diese Behauptung nicht für 4 von 7 Fachgruppen gelte, bei denen Vertragsärzte Eigentümer seien. Dafür führt das Gutachten die Fachrichtungen Allgemeinmedizin, Neurologie /Psychiatrie, Orthopädie und (Unfall-)Chirurgie sowie Urologie an. Außerdem blieben in der Untersuchung die Investoren-MVZ in den Schwerpunktbereichen Radiologie und Labor als Überweisungspraxen außerhalb der Betrachtung.

Öffentliche Meinung und politische Folgen

Trotz der dargestellten Unschärfen wird wohl psychologisch in der öffentlichen Meinung der Eindruck bestehen bleiben, dass angestellte Ärztinnen und Ärzte bei Investoren-MVZ besonders anfällig seien für unzulässige Abrechnung mit höherem Honorar. Die Diskussion, dass die Mehrheit der MVZ-Praxen, die mehr als Einzelpraxen abrechnen, inhabergeführte MVZ von Vertragsärzten sind, bleibt in der Diskussion außen vor.

Dennoch wird der Streit dazu führen, dass sich Finanzinvestoren in den nächsten 2 Jahren eher in diesem Bereich von MVZ engagieren, bevor möglichweise der Gesetzgeber mit Verboten eingreift.

Ärztliche Leitung im Fokus der Überprüfung

Zu dem von der KVB veranlassten Diskussion kommt noch die von der KVB gestützte Rechtsprechung. Danach trägt die Ärztliche Leitung von MVZ die Verantwortung für die korrekte Abrechnung – und dies gilt für alle Abrechnungen sämtlicher Mitarbeitenden.

Es ist davon auszugehen, dass MVZ-Inhaber – gleich welcher Couleur – also mit Plausibilitätsprüfungen rechnen müssen. Auch Stichprobenprüfungen sind denkbar, also Prüfungen ohne statistische Auffälligkeit.

KVB-Vorgehen könnte zum Bumerang werden

Diese Entwicklung wird dazu führen, dass die Rollen und die Aufgabenbereiche der angestellten Ärztinnen und Ärzte nochmal mindestens überdacht werden. Eins ist dabei klar: Controlling wird sicher ein Thema, dass der Ärzteschaft in MVZ immer präsenter sein muss, allein schon aus Eigeninteresse der Ärztlichen Leitungen.

Durch die angreifbaren Thesen im Gutachten bleibt der Streit um Finanzinvestoren jedenfalls im Bewusstsein aller. Die Folgen könnten andere tragen müssen. Denn am Ende könnte die unglückliche Schlussfolgerung in den Köpfen der politisch Verantwortlichen sein, dass diejenigen, die mehr abrechnen – und das beträfe dann insbesondere die Mehrheit der inhabergeführten MVZ – unter den Verdacht des finanziellen Missbrauchs fallen. In diesem Fall hätte die KVB genau das Gegenteil von dem erreicht, was berufspolitisch ihr Ansatz war.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
 

Kommentar

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