Metastasierter Brustkrebs: Welche Patientinnen von molekularbiologischen Tests profitieren – und welche Strategien es gibt

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

7. Juni 2022

Welche Rolle molekulare Tests derzeit beim metastasierten Brustkrebs (MBC) spielen und wie die Zukunft der Präzisionsonkologie aussehen kann, stellte Dr. Nikhil Wagle vom Dana-Farber Cancer Institute der Harvard Medical School in Boston auf dem Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vor [1].

Was für genetisches Profiling spricht

Für das genomische Profiling von Tumoren nannte der Referent mehrere Argumente. „Der wichtigste Grund ist, therapeutische Informationen zu erhalten”, erklärte Wagle. Dazu zählten Merkmale von Tumoren/Biomarkern, die das Ansprechen auf Therapien vorhersagen und Merkmale von Tumoren/Biomarkern, die eine Resistenz gegen Therapien vorhersagen.

 
Der wichtigste Grund ist, therapeutische Informationen zu erhalten Dr. Nikhil Wagle  
 

„Manchmal bekommen wir über das Tumor-Profiling auch prognostische oder diagnostische Informationen. Bei metastasierendem Brustkrebs und anderen metastasierenden soliden Tumoren nutzen wir die Profile in erster Linie als Charakterisierung des Tumors, um Schwachstellen zu finden – und diese Schwachstellen dann mit spezifischen Therapien gezielt zu bekämpfen”, erklärte Wagle.

Er verwies auf 2 neue Leitlinien, die in den vergangenen beiden Jahren für die Verwendung von Multigen-Panel-Sequenzierung bei metastasierendem Krebs herausgegeben wurden:

Hauptnutzen liegt in der Erprobung von Therapien 

Derzeit liegt der Hauptnutzen der genomischen Profilerstellung mittels Multigen-Tests in der Erprobung von Therapien und der Aufnahme in klinische Studien, einschließlich der Anwendung von Off-Label-Therapien. In den letzten Jahren hat die FDA eine zunehmende Zahl von zielgerichteten Therapien mit Indikationen für bestimmte Genomveränderungen zugelassen, darunter drei Wirkstoffe gegen bei Brustkrebs: PARP-Inhibitoren, die bei Brustkrebs die Reparatur von DNA-Schäden in Krebszellen verhindern, HER2-Inhibitoren für Brustkrebs mit HER2+-Amplifikation und Pl3K-Inhibitoren für ER+-Brustkrebs mit PIK3CA-Mutation. PARP-Inhibitoren werden primär als Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie eingesetzt. In jüngster Zeit hat die FDA zwei tumorunabhängige klassische Medikamente zugelassen – den Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab für solide Tumore mit MSI-H/ MMd / hoher TMB und TRK-Inhibitoren für solide Tumore mit NTRK-Fusionen. 

Wagle verwies auf eine „Handvoll” zugelassender Therapien, die auf der genomischen Profilierung von metastasierendem Brustkrebs beruhen:

  • Alpelisib (Piqray) für PIK3CA-Hotspot-Mutationen

  • Olaparib (Lynparza) oder Talazoparib (Talzenna für BRCA 1/2

  • Pembrolizumab (Keytruda) für MSI-H/MMd/hohe TMB 

  • Larotrectinib (Vitrakvi) oder Entrectinib bei NTRK-Fusion 

In naher Zukunft sei mit weiteren Behandlungsmöglichkeiten zu rechnen, so der Redner. Neben den genannten Therapien laufen klinische Studien mit den Onkogenen ESR1, ERBB2 (HER2), AKT1, FGFR1/2, PTEN, NF1, mit DNA-Reparaturgenen und Tumor-Signaturen (APOBEC). Und in mehreren Studien – TAPUR, NCI-MATCHTAPISTRY – wird der Off-Label-Use von Medikamenten untersucht, die von der FDA für andere Krebsarten zugelassen sind.

Aktuelle Momentaufnahme: Zeitpunkt der Probeentnahme ist wichtig 

In Hinblick auf genetische Tumortests bei MBC müssten 3 Aspekte berücksichtigt werden, betonte Wagle: der Zeitpunkt der Probenentnahme, die Überlegung Tumorbiopsie oder zellfreie DNA (ctDNA) und schließlich die Interpretation der Ergebnisse. 

„Der Zeitpunkt der Probenentnahme ist wichtig: Handelt es sich bei der Probe um kein aktuelles Biopsat, spiegelt das nicht die gesamte Liste der Genomveränderungen des Patienten wider.” Eine möglichst aktuelle Probe liefere „die beste Momentaufnahme des Tumors”.

Eine Liquid Biopsy bezeichnete Wagle dazu als „vielversprechenden Ansatz für die genomische Profilerstellung von Tumoren – vor allem wegen der logistischen Einfachheit und der Widerspiegelung des aktuellen Tumorzustands” und stellte  die Vorteile und Grenzen der Genomanalyse von ctDNA vor:

 

Vorteile

Herausforderungen/Grenzen

-Logistisch einfach zu beschaffen, minimalinvasiv

-Ist ein aktueller Schnappschuss des Tumors

-Repräsentiert wahrscheinlich den gesamten Tumor

- Einfache serielle Prüfung für die Dynamik

- Leichtere Standardisierung an verschiedenen Standorten

-Ermöglicht große Stichprobengrößen für Studien

 

-Fehlen von Histologie, Rezeptorstatus, Expressionsprofilen

-Limitierte Fähigkeit, Veränderungen der Kopienzahl zu messen

- Unterschiedliche Übereinstimmung zwischen ctDNA und Tumor

- Falsch-negative Ergebnisse aufgrund von nicht nachweisbarer oder nicht repräsentativer ctDNA bei vielen Patienten; falsch-positive Ergebnisse, insbesondere aufgrund von CHIP

- Unterschiede zwischen den Patienten beim Anteil der ctDNA an der gesamten zellfreien DNA

-Schwierigkeit, die Klonalität der Veränderungen zu bestimmen

- Klinische Validität/Nutzbarkeit wird noch untersucht

 

 

Die Ergebnisse der klinischen Sequenzierung werden durch technische Fragen beeinflusst (Qualität, somatisch vs. Erbgut), durch das veränderte Gen, durch den Tumortyp und den Kontext (klinisch, pathologisch, molekular, genomisch). 

„Die Interpretation der Ergebnisse der genomischen Profilerstellung ist nach wie vor komplex, wobei wichtige technische Überlegungen und Interpretationsprobleme zu berücksichtigen sind”, so Wagle.

Zukunft der Präzisionskrebsmedizin

Wagle umriss, wie die Zukunft der Präzisionskrebsmedizin aussehen könnte:

  • Verfeinerte Stratifizierung aller Patienten anhand verschiedener molekularer Merkmale (DNA, RNA, Protein, Mikroenviroment, Patient/Keimbahn)

  • Einsatz von auf den Einzelnen zugeschnittenen Wirkstoffkombinationen

  • Längsschnitt-Probenahme von Tumorgewebe/Zellen

  • Echtzeit-Überwachung von Reaktion/Resistenz und Tumoranpassung mit Echtzeit-Optimierung der Therapien

Um die Forschungsfortschritte in der Präzisionsmedizin zu beschleunigen und zu verbessern, bedarf es Wagles Einschätzung nach einer umfassenden genomischen und molekularen Charakterisierung von Tausenden von Tumor- und Keimbahnproben von Patienten inclusive detaillierten medizinischen Informationen der Patienten. Dazu gehört ein prospektiver Aufbau von Kohorten, einschließlich moderner Behandlungsschemata und das Einbeziehen unterrepräsentierter Patienten. „Dabei sind Zusammenarbeit und open Data Sharing entscheidend”, betonte Wagle.

 

 

Masterprogramm NCT und CATCH-Studie in Heidelberg

Einen möglichen Nutzen von einer Tumor-Genomuntersuchung nehmen Forscher heute vor allem für Krebspatienten an, denen keine wirksame Behandlung
(mehr) angeboten werden kann. 

In Deutschland wird das genomische Tumorprofiling im MASTER-Programm am Nationalen Tumor Centrum in Heidelberg eingesetzt. Das NCT/DKFZ/DKTK MASTER (Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication)-Programm ist eine zentrale Plattform für die multidimensionale Charakterisierung von Patienten mit fortgeschrittenen seltenen Krebserkrankungen sowie von Patienten, bei denen in einem ungewöhnlich frühen Alter eine unheilbare bösartige Erkrankung diagnostiziert wurde.

In der CATCH-Studie (Comprehensive Assessment of Clinical Features and Biomarkers To Identify Patients with Advanced or Metastatic Breast Cancer for Marker Driven Trials in Humans) am NCT Heidelberg wird bei Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs die Haupt-Metastase biopsiert und das genetische Profil des Biopsats getestet. Zusätzlich zu individuellen Eigenschaften (z.B. histologischen Markern), prognostischen und prädiktiven Faktoren ist die individuelle Tumorbiologie und die Evaluation der Biomarker-Evaluation integraler Bestandteil zur Optimierung der Therapie.

 

Kommentar

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