Den Anhängern der Homöopathie weht ein zunehmend stärker werdender Wind entgegen: So werden die Ärztekammern in Deutschland keine Weiterbildung in Homöopathie mehr anbieten. Dieses Angebot haben die Teilnehmer beim aktuellen Ärztetag in Bremen mit großer Mehrheit gestrichen. Basis für die Abstimmung war ein Antrag der Bremer Delegierten. Laut dem Präsidenten der Bremer Ärztekammer, Dr. Johannes Grundmann, geht es nicht darum, Patienten homöopathische Mittel zu verbieten. Es sei aber Aufgabe der Ärztekammern, überprüfbare Lernziele festzulegen.
Die Bremer Ärztekammer hatte als erste Kammer in Deutschland bereits im September 2020 keine Weiterbildung mehr für Homöopathie angeboten. Und erst kürzlich hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Bremens als erste KV entschieden, homöopathische Behandlungen ab Ende des Jahres nicht mehr zu bezahlen. Betroffen davon sind Selektivverträge zwischen einigen kleineren Krankenkassen und der KV. Der Chef der KV Bremen, Dr. Bernhard Rochell, begründet diesen Schritt dem ZDF gegenüber mit dem fehlenden wissenschaftlichen Nutzen-Beweis.
Von wegen „umstritten“
So sieht dies auch der Weilheimer HNO-Arzt Dr. Christian W. Lübbers, einer der engagiertesten Kritiker der Globuli-Medizin. Viele Veröffentlichungen bezeichneten die Homöopathie als „umstritten“, so Lübbers vergangenes Jahr in HNO . Angesichts umfangreicher Forschungsergebnisse zur Homöopathie bestehe jedoch längst weitestgehend wissenschaftlicher Konsens darüber, dass es keinen belastbaren Beleg für eine spezifische medizinische Wirksamkeit gebe.
Die Gesamtevidenz spricht laut Lübbers klar gegen Effekte, die über die von Placebo- und anderen Kontexteffekten hinausgingen. Gleichwohl sei die Homöopathie „nach wie vor Gegenstand medizinisch-therapeutischer Praxis“, so Lübbers und sein Koautor Udo Endruscheit, Sprecher des Informationsnetzwerkes Homöopathie.
Ein „spekulatives, widerlegtes Konzept“
Kritik und Klagen dieser Art gibt es seit Jahren. So soll zum Beispiel Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) bereits vor mehr als 10 Jahren gefordert haben, den Gesetzlichen Krankenkassen zu „verbieten“, die Homöopathie zu bezahlen.
In dieselbe Kerbe haute damals auch der heutige Chef des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit“ Prof. Dr. Jürgen Windeler. Für ihn sei die Homöopathie ein „spekulatives, widerlegtes Konzept“. Ein medizinischer Nutzen sei nicht erwiesen. Windeler: „Die Sache ist erledigt.“
Kontra erhielten Lauterbach & Co. übrigens von manchen Grünen. Die damalige Grünen-Chefin Claudia Roth führte zum Beispiel ein gigantisches Sparpotenzial in der Schulmedizin und die vielen positiven Erfahrungen mit den Globuli ins Feld, was man allerdings weniger als wissenschaftliches Argument ansehen sollte, sondern mehr als ein Glaubensbekenntnis.
Und Renate Künast, einst Fraktionschefin der Grünen, ließ ihren Sachverstand mit der Behauptung glänzen, dass „selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos“ gebe.
Man muss die Homöopathie zwar nicht für Betrug halten. Doch an einer über Placebo-Effekte hinausgehenden Wirkung der Verdünnungen kann man als naturwissenschaftlich etwas gebildeter Mensch schon zweifeln – etwa in Anlehnung an Karl Valentin, der einfach nicht verstehen konnte, wie ein hohler Zahn Schmerzen verursachen kann. Denn: „Wenn etwas hohl ist, dann is doch nix drin. Und wie einem des ‚nix‘ so wehtun kann, des is mir schleierhaft.“
Die bekannten Erklärungsversuche, dass eine „Potenzierung“ durch Schütteln besondere Kräfte freisetze, oder auch das berühmte Wasser-Gedächtnis helfen vermutlich ebenfalls nicht wirklich weiter. Auch die vielen positiven Studiendaten, mit denen Anhänger der Homöopathie gerne argumentieren, können wahrscheinlich nicht jeden überzeugen.
Studien: Verzerrte Berichterstattung
Nur ein Grund für die mangelnde Überzeugungskraft: In wissenschaftlichen Zeitschriften werden bekanntlich bevorzugt solche Studien veröffentlicht, die positive oder signifikante Ergebnisse erbringen. Dieses Problem einer verzerrten Berichterstattung („Reporting bias“) oder verzerrter Darstellung der Datenlage („Publication bias“) gilt für Studien unter anderem in der Kardiologie, in der Onkologie und Neurologie – und eben auch für Studien zur Homöopathie, wie eine Studien-Analyse ergeben hat, deren Ergebnisse in BMJ Evidence-Based Medicine publiziert wurden.
Die publizierten Studien zur Homöopathie seien nur eine Auswahl von überwiegend positiv ausgefallenen Studien, lautet ein Hauptergebnis der Studienanalyse. Die Autoren hatten Studienregister der EU, USA und WHO bis April 2021 nach registrierten Homöopathie-Studien durchsucht, um zu überprüfen, ob und wie die Arbeiten später publiziert worden sind. Darüber hinaus hatten sie in Literaturdatenbanken von 2002 bis 2021 nach publizierten Studien gesucht und überprüft, ob diese registriert worden sind.
Ergebnisse: Von 91 in den Registern gelisteten Studien sind, wie von Medscape kürzlich berichtet, knapp 38% nicht veröffentlicht worden. Mehr als der Hälfte wurde erst nachträglich registriert. Nach Inkrafttreten der Deklaration von Helsinki im Jahr 2008 erfüllten nur 24 von 78 Arbeiten (knapp 31%) deren Forderung, wonach alle klinischen Studien registriert und veröffentlicht werden müssen. Bei 25% der registrierten und veröffentlichten Studien wurden primäre Endpunkte ausgetauscht oder modifiziert. Und: Rund die Hälfte (53%) der 193 in Literaturdatenbanken gefundenen publizierten Studien sind mehrheitlich nicht registriert.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Große Mehrheit am Ärztetag war dagegen: Ärztekammern streichen Homöopathie-Weiterbildung – Konzept „spekulativ und widerlegt“ - Medscape - 31. Mai 2022.
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