Die Behandlung an der Sektorengrenze ambulant/stationär muss verbessert werden. Doch über das Wie wird seit Jahrzehnten geforscht und diskutiert. Eine effektive Möglichkeit droht dabei in Vergessenheit zu geraten: Belegärzte.
Belegärztliche Tätigkeiten
Zum Hintergrund: Belegärzte sind Vertragsärzte, die Patienten nicht nur in der eigenen Praxis behandeln, sondern wenn nötig auch teil- oder vollstationär. Dafür kooperieren sie mit einer Klinik, ohne jedoch dort angestellt zu sein. Als externe Behandelnde nutzen sie sogenannte Belegbetten sowie die damit verbundene Infrastruktur des Krankenhauses.
Belegärzte rechnen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nach EBM bzw. gegenüber Patienten nach GOÄ ab. Das Krankenhaus erhält Fallpauschalen für Belegbetten von der Krankenkasse. Allerdings werden diese auf 80% des Wertes für die Hauptabteilung gekürzt. Der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich, beklagt, dass Belegärzte dadurch bei der Abrechnung systematisch schlechter gestellt seien. Der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte (Virchowbund) setzt sich u. a. für das neue Konzept der intersektoralen Leistungen ein, damit das Belegarztwesen wieder attraktiver wird.
Reform des Belegarztwesens nötig
In den letzten 10 Jahren sank laut KBV-Angaben die Zahl der Belegärzte von 5.600 auf rund 4.000 in ganz Deutschland. Die Zahl der belegärztlichen Behandlungen ging im selben Zeitraum um fast 50% zurück.
Gründe dafür gibt es gleich mehrere. Einerseits machen andere Versorgungsformen dem Belegarzt Konkurrenz, z. B. Honorarärzte und die Option zur Teilanstellung. Auch die Kürzung der DRGs für belegärztliche Leistungen ist ein Hemmschuh. Dazu kommt, dass Belegärztinnen und -ärzte für Bereitschaftsdienste und ausgefallene Sprechstunden nicht entschädigt werden.
Seit geraumer Zeit sind aus der Ärzteschaft Forderung zu hören, dass die Vergütung des Belegarztwesens reformiert werden muss. „Die ärztliche Leistung sollte auf der Basis von einheitlichen Fallpauschalen kalkuliert werden. Als Übergansmaßnahme sollte die Fallpauschale für belegärztliche Leistungen von 80% auf 95% der DRG der Hauptabteilung erhöht werden. Auch sollte für Belegärzte der Verbotsvorbehalt bei neuen Methoden gelten, genauso wie es in den Kliniken der Fall ist“, erklärt beispielsweise der Virchowbund.
Belegarztwesen spart Ressourcen
Denn das Belegarztwesen bringt gleich mehrere Vorteile mit sich. Die Verschränkung von ambulanter und stationärer Versorgung steigert die Behandlungsqualität und senkt gleichzeitig Kosten. Unnötige Mehrfachuntersuchungen und Informationsverluste werden verhindert, da der oder die Behandelnde derselbe bleibt.
Patienten profitieren davon, dass sie weiterhin vom Arzt bzw. von der Ärztin ihres Vertrauens behandelt werden. Erfahrungen zeigen, dass das Belegarztwesen auch zu einer niedrigeren Komplikationsrate, kürzeren präoperativen Phasen und besserer postoperativer Kontrolle führt.
Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung haben durch Belegarztstrukturen die Möglichkeit, sowohl ambulante als auch stationäre Versorgung zu erleben. Die meisten Belegärzte stammen aus den Fachgebieten Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Chirurgie und Orthopädie, Gynäkologie Geburtshilfe, Urologie und Augenheilkunde.
Patientenbetreuung rund um die Uhr
Um belegärztlich tätig zu werden, muss ein Antrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung sowie bei den Kranken- und Ersatzkassen gestellt werden. Die Anerkennung ist auch an mehreren Krankenhäusern möglich – allerdings muss die Arztpraxis im Einzugsgebiet des Krankenhauses liegen. Außerdem muss die ambulante Versorgung der Patientinnen und Patienten weiterhin gewährleistet sein.
Zugleich müssen die Belegpatienten rund um die Uhr betreut werden. Dafür muss ein Bereitschaftsdienst eingerichtet werden. Während dieses Dienstes kann zum Beispiel auch ein angestellter Klinikarzt oder eine beauftragte Bereitschaftsärztin übernehmen. Häufig finden sich Belegärzte zu größeren Kooperationen mit mehreren Belegärzten pro Abteilung zusammen. So ist es einfacher, die Patientenversorgung rund um die Uhr sicherzustellen.
Die Rechtsberatung für Mitglieder des Virchowbundes beantwortet Fragen rund um die Arbeit als Belegarzt bzw. den Belegarztvertrag. Der Verband informiert auch über die Zulassung und kooperative Praxismodelle.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Belegärzte verbessern die Behandlung an der Sektorengrenze ambulant/stationär – Reformen sind aber dringend erforderlich - Medscape - 31. Mai 2022.
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