Ärzte, die von Patienten, von deren Familien oder von Besuchern schlecht behandelt oder diskriminiert werden, leiden häufiger an Burnout-Symptomen als Kollegen ohne negative Erfahrungen, so das Ergebnis einer in JAMA veröffentlichte Studie [1].
Fehlverhalten von Patienten richtet sich häufiger gegen Ärztinnen und Ärzte aus ethnischen Minderheiten, wobei es aber in diesen Gruppen kein höheres Burnout-Risiko gab.
Befragung von 6.500 US-amerikanischen Ärzten
Die Querschnittserhebung wurde von Forschern der Mayo Clinic in Rochester durchgeführt. Sie haben vom 20. November 2020 bis zum 23. März 2021 Daten von 6.512 US-amerikanischen Ärzten erhoben. Grundlage ihrer Studie war der modifizierte Abschlussfragebogen der Association of American Medical Colleges.
Ärzte berichteten über die Häufigkeit (nie, einmal, mehrmals im Jahr, wöchentlich und mehrmals pro Woche), mit der sie im vergangenen Jahr Fehlverhalten bzw. Diskriminierungen durch Patienten, Familienangehörige und Besucher erlebt hatten.
Darüber hinaus gaben die Teilnehmer an, ob sie körperlich verletzt wurden oder ob ein Patient oder dessen Familie die Behandlung aufgrund des Aussehens des Arztes abgelehnt hatte.
Unter den Befragten waren 37,6% Frauen, 70,5% nicht-hispanische Weiße, 13,3% nicht-hispanische Asiaten, Hawaiianer oder Pazifikinsulaner (AAPI) und 7,2% Hispanoamerikaner. Mehrere Fachrichtungen waren vertreten und die meisten (56,9%) der Ärzte arbeiteten in einer Privatpraxis.
Fast jeder 3. Arzt beleidigt
Ärzte in Fachgebieten mit weniger direktem Patientenkontakt, etwa Pathologen oder Radiologen, hatten ein geringeres Risiko für Misshandlung und Burnout als Ärzte in Fachgebieten mit mehr direktem Patientenkontakt, wie z. B. Notfallmediziner.
Fast ein Drittel (29,4%) der Ärzte gab an, rassistisch oder ethnisch beleidigende Bemerkungen gehört zu haben. Ähnlich viele (28,7%) erlebten beleidigende sexistische Bemerkungen. Mehr als ein Fünftel (20,5%) berichtete über sexuelle Annäherungsversuche und 21,6% gaben zu Protokoll, dass ein Patient oder ein Familienmitglied die Behandlung aufgrund äußerer Merkmale des Arztes abgelehnt hatte.
Obwohl jeder Arzt Fehlverhalten bzw. Diskriminierung erfahren kann, sind Ärzte, die einer ethnischen Minderheit angehören, aber auch Ärztinnen, besonders gefährdet. In der Tat wurden nur 22% der weißen Ärzte rassistisch motiviert angegriffen, verglichen mit 55,8% der nicht-hispanischen schwarzen Ärzte und 55,4% der AAPI-Ärzte.
Von allen Befragten wurden 15% körperlich angegriffen. Etwa ein Drittel (31,8%) der nicht-hispanischen männlichen Ärzte zweier oder mehrerer Rassen berichteten, körperlich angegriffen worden zu sein – fast doppelt so viele wie bei jeder anderen Gruppe.
Ärztinnen waren deutlich häufiger sexuellen Annäherungsversuchen bzw. beleidigenden sexistischen Äußerungen ausgesetzt (29,6%/51%) als Ärzte (15,1%/15%).
Folgen von negativen Erlebnissen mit Patienten
Mit zunehmender Belastung durch negative Erlebnisse stiegen auch die Symptome von emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung und Burnout. Mit zunehmender Belastung durch negative Erlebnisse stiegen auch die Symptome von emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung und Burnout.
„Burnout ist das Ergebnis von chronischem, hohem Stress, der durch das Arbeitsumfeld verursacht wird“, sagte Dr. Liselotte N. Dyrbye . Sie hat die Studie während ihrer Zeit an der Mayo Clinic durchgeführt, arbeitet jetzt aber an der University of Colorado School of Medicine. „Lösungen liegen in der Verbesserung der Praxisumgebung und der Behandlung von Faktoren auf Systemebene, die hohen Stress verursachen“, erklärt sie gegenüber Medscape.
Während Burnout aufgrund sozialer Kontakte mit Patienten bislang nicht gründlich erforscht worden ist, haben frühere Studien ergeben, dass Ärzte als People of Colour und Medizinstudenten der LGBT-Community mehr Diskriminierung am Arbeitsplatz erfahren. Dies kann sich negativ auf den beruflichen Werdegang, auf das Wohlbefinden und auf das Arbeitsumfeld auswirken. Experten sehen darin auch einen weiteren Risikofaktor für den Ärztemangel und die Ungleichheiten im Gesundheitswesen.
Was muss sich ändern?
„Die Daten machen deutlich, dass wir zur Verbesserung des Arbeitslebens von Ärzten, die einer Minderheit angehören, ein gerechtes und integratives Arbeitsumfeld brauchen“, sagt Dyrbye. „Wir brauchen organisatorische Strategien, welche die Häufigkeit von unangemessenem Verhalten von Patienten, Familien und Besuchern reduzieren, und Wege, um effektiv damit umzugehen, wenn sie auftreten, damit wir eine Kultur fördern, in der alle Ärzte sich entfalten können.“
Einige Organisationen haben Richtlinien für das Verhalten von Patienten und Besuchern erstellt. Im Jahr 2017 sind solche Regeln an der Mayo Clinic in Kraft getreten, um das Personal dabei zu unterstützen, problematisches Patientenverhalten zu erkennen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und gegebenenfalls die Behandlung abzubrechen.
Dyrbye rät Ärzten, mehr Wert auf Selbstfürsorge zu legen. Zu den Möglichkeiten, das Burnout-Risiko zu verringern, gehörten u.a. Karriereentscheidungen, die den Sinn, den Wert und den Zweck der Arbeit verbessern, Coachings, weniger Arbeitsstunden, Urlaub und der gezielte Aufbau von sozialer Unterstützung, etwa durch die Familie, durch Freunde und Kollegen, sagt Dyrbye.
Der Beitrag wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Wenn Patienten und ihre Angehörigen die Ärzte zu sehr nerven: Häufige Beleidigungen oder Diskriminierung erhöhen das Risiko für Burnout - Medscape - 30. Mai 2022.
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