Hormontherapie der Schilddrüse: Abweichungen vom Normalwert mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko assoziiert

Nancy A. Melville

Interessenkonflikte

27. Mai 2022

Eine neue Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, sowohl eine exogene Hyperthyreose als auch eine exogene Hypothyreose zu vermeiden, um das kardiovaskuläre Risiko und die Mortalität von Patienten zu verringern, die mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden.

 
Ärzte sollten alle Anstrengungen unternehmen, um bei Patienten, die mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden, eine Euthyreose aufrechtzuerhalten. Dr. Maria Papaleontiou
 

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Ärzte alle Anstrengungen unternehmen sollten, um bei Patienten, die mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden, eine Euthyreose aufrechtzuerhalten – unabhängig vom zugrundeliegenden kardiovaskulären Risiko, insbesondere bei gefährdeten Gruppen wie älteren Erwachsenen“, sagte die Hauptautorin Dr. Maria Papaleontiou im Gespräch mit Medscape.

Dr. David S. Cooper von der Johns Hopkins University School of Medicine, Baltimore, Maryland, kommentierte die Studie ebenfalls. Er stimme zu, dass die Ergebnisse von Bedeutung seien. „Das bedeutet, dass die Schilddrüsenfunktion der Patienten laufend überwacht und Levothyroxin bei Bedarf angepasst werden muss“, erklärte er gegenüber Medscape.

Die richtige Balance finden – eine schwierige Aufgabe

Zum Hintergrund: Schwankende Spiegel an Schilddrüsenhormonen sind bei hormonellen Therapien von Schilddrüsenerkrankungen nicht selten. Eine Vielzahl an Faktoren kann dazu führen, dass die Dosierung regelmäßig angepasst werden muss, um im Bereich der Euthyreose zu bleiben.

Obwohl Richtlinien der American Thyroid Association (ATA) empfehlen, die Serumspiegel des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH) während der Behandlung im Normalbereich zu halten, ist dies nicht ganz einfach.

„Trotz dieser [ATA]-Richtlinien haben frühere Studien bei Erwachsenen mit Hypothyreose gezeigt, dass bis zu 30% untertherapiert und bis zu 48% übertherapiert werden“, so Papaleontiou. Er ist Assistenzprofessor an der Abteilung für Stoffwechsel, Endokrinologie, Universität von Michigan in Ann Arbor.

In einer früheren Studie hatten Papaleontiou und ihre Kollegen bereits gezeigt, dass die Intensität der Therapie mit Schilddrüsenhormonen ein modifizierbarer Risikofaktor für das Auftreten von Vorhofflimmern und Schlaganfall ist. Über Assoziationen mit der kardiovaskulären Mortalität war jedoch recht wenig bekannt.

Neue Studie mit rund 700.000 Patienten

Im Rahmen einer neuen Studie, die in JAMA Network Open veröffentlicht worden ist, untersuchten Dr. Josh M. Evron von der University of North Carolina, Chapel Hill, und seine Kollegen diese Fragen [1].

Ihre Kohorte umfasst Daten von 705.307 Erwachsene aus der Veterans Health Administration. Alle Patienten sind zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. Dezember 2017 mit Schilddrüsenhormonen behandelt worden. Die mittlere Nachbeobachtungszeit lag bei 4 Jahren. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 67 Jahre, und 88,7% waren männlich. Bei 701.929 Erwachsenen in der Gruppe gab es Daten zum TSH-Wert und bei 373.981 Patienten zu FT4.

Während der Studie starben 10,8% der Patienten (75.963) aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen. Im Vergleich zu Patienten mit normalen Schilddrüsenspiegeln hatten Patienten mit exogener Schilddrüsenüberfunktion, die Schilddrüsenhormone eingenommen hatten, ein erhöhtes Risiko, aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben.

Das galt vor allem, falls die TSH-Spiegel unter 0,1 mIU/l (bereinigte Hazard Ratio [AHR], 1,39) und die FT4-Spiegel über 1,9 ng/dl (AHR 1,29) lagen – und zwar unabhängig von Faktoren wie Alter, Geschlecht oder kardiovaskulären Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen, früheren kardiovaskulären Erkrankungen oder Arrhythmien.

 
Eine rechtzeitige Behandlung von Über- und Unterbehandlung der Hypothyreose wird dazu beitragen, den Schaden für die Patienten zu verringern. Dr. Maria Papaleontiou
 

Darüber hinaus wurde nach multivariater Anpassung ein erhöhtes Risiko für die kardiovaskuläre Mortalität bei exogener Hypothyreose beobachtet, insbesondere bei TSH-Werten über 20 mIU/l (AHR, 2,67) und FT4-Werten unter 0,7 ng/dl (AHR, 1,56).

Bemerkenswert ist, dass das Risiko für die kardiovaskuläre Mortalität dosisabhängig war, wobei das Risiko mit niedrigeren und höheren TSH-Werten im Vergleich zu normalen Werten progressiv anstieg.

„Aus klinischer Sicht scheinen ältere Erwachsene, insbesondere die ältesten (85 Jahre), am meisten gefährdet zu sein, da sie sowohl bei exogener Hyperthyreose als auch bei Hypothyreose ein erhöhtes kardiovaskuläres Sterberisiko aufweisen“, so die Autoren.

Zu den wichtigsten Einschränkungen gehört, dass Frauen in der überwiegend männlichen Kohorte der Veterans Health Administration unterrepräsentiert waren. Im Bevölkerungsschnitt haben mehr Frauen als Männer Schilddrüsenerkrankungen.

Da das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern höher sei als bei Frauen und da sich mehr als 70.000 Frauen in der Kohorte befunden hätten, seien die Ergebnisse dieser Studie dennoch von hoher klinischer Relevanz, schreiben die Autoren.

Unter- und Übertherapien vermeiden

Erschwerend kommt hinzu, dass Levothyroxin zur Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion) in den Vereinigten Staaten zu den 3 am häufigsten verschriebenen Medikamenten gehört. [Die Zahl an Verschreibungen bewegt sich in Deutschland in einer ähnlichen Größenordnung; Anm. d. Übers.]

 
Je älter der Patient ist, desto höher ist das Risiko für ein ungünstiges kardiovaskuläres Ergebnis, wenn der TSH-Wert aufgrund einer iatrogenen Thyreotoxikose subnormal ist. Dr. David S. Cooper
 

„Eine rechtzeitige Behandlung von Über- und Unterbehandlung der Hypothyreose wird dazu beitragen, den Schaden für die Patienten zu verringern, insbesondere bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie älteren Erwachsenen, die ein höheres Risiko für unerwünschte Wirkungen haben“, sagte Papaleontiou.

Cooper erklärte, dass die Ergebnisse die Notwendigkeit unterstrichen, sich der Behandlungsanpassungen und -ziele bewusst zu sein, die je nach Alter der Patienten variieren könnten.

„Bei älteren Personen über 65 bis 70 Jahren kann der TSH-Zielwert höher sein (z.B. 2 bis 4 mIU/l) als bei jüngeren Personen, und bei Patienten über 70 oder 80 Jahren kann der TSH-Serumspiegel noch weiter in den Bereich von 4 bis 6 mIU/l ansteigen“, erklärte Cooper. „Je älter der Patient ist, desto höher ist das Risiko für ein ungünstiges kardiovaskuläres Ergebnis, wenn der TSH-Wert aufgrund einer iatrogenen Thyreotoxikose subnormal ist.“

 
Im Gegensatz dazu kann bei jüngeren Menschen ein erhöhter TSH-Wert … mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden sein. Dr. David S. Cooper
 

Und weiter: „Im Gegensatz dazu kann bei jüngeren Menschen ein erhöhter TSH-Wert, der auf eine leichte [subklinische] Hypothyreose hinweist, mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden sein, insbesondere bei TSH-Serumspiegeln von mehr als 7 mIU/L.“

Der Beitrag wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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