Neue Reaktionen auf die Affenpocken: Lauterbach und RKI zur Impfstoff-Situation, Quarantäne, Virostatika und Kontaktverfolgung

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

25. Mai 2022

Bundesweit ist die Zahl an bestätigten Infektionen mit dem Affenpockenvirus auf 11 angestiegen; weltweit werden 219 bestätigte Fälle genannt (24. Mai 2022). So bereitet sich Deutschland jetzt vor.

  • Deutschlands Strategie: Quarantäne und Impfungen

  • Risikogruppen müssen extrem aufpassen

  • ECDC veröffentlicht Risikobewertung

  • Erste Bewertung antiviraler Medikamente

Deutschlands Strategie: Quarantäne und Impfungen

Bei der Pressekonferenz haben Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach und RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar H. Wieler Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit angekündigt. Dies sei nicht der Beginn einer neuen Pandemie, so Lauterbach. Ausbrüche habe es schon öfter gegeben. „Wir haben gute Chancen diesen Erreger zu stoppen, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa“, sagte Lauterbach.

Und Wieler ergänzte, die Krankheit werde nicht leicht von Mensch zu Mensch übertragen. Dennoch rechne er mit weiteren Fällen; eine enge Kontaktverfolgung sei notwendig.

Infizierte oder Kontaktpersonen sollen sich für mindestens 21 Tage isolieren. Als weitere Maßnahme seien 40.000 Dosen des Impfstoffes Imvanex® bestellt worden. Der Impfstoff enthält modifiziertes Vacciniavirus Ankara (MVA) und ist besser verträglich als ältere Pockenimpfstoffe. Er kann laut RKI ab 18 Jahren eingesetzt werden.

Gegenüber den Medien erklärte Prof. Dr. Thomas Mertens, er halte eine präventive Impfung von Risikogruppen als sinnvoll. „Darüber wird derzeit nachgedacht.“ Eine Impfung der gesamten Bevölkerung in Deutschland sei aber „sehr wenig wahrscheinlich“, sagte er.

Risikogruppen müssen extrem aufpassen

Das Besondere an den aktuell erfassten Fällen ist, dass Infizierte zuvor nicht – wie sonst in der Vergangenheit – in afrikanische Länder gereist waren, in denen das Virus endemisch ist (West- und Zentralafrika), und dass viele Übertragungen offenbar im Rahmen von sexuellen Aktivitäten, aktuell insbesondere bei Männern, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern hatten, erfolgt sein könnten.

Das Risiko, sich mit Affenpocken zu infizieren, sei jedoch laut RKI nicht auf sexuell aktive Menschen oder Männer, die Sex mit Männern haben, beschränkt. Jeder, der engen körperlichen Kontakt mit einer ansteckenden Person habe, könne sich infizieren. Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt durch engen Kontakt mit infektiösem Material aus Hautläsionen einer infizierten Person oder durch Atemtröpfchen bei längerem Kontakt.

Kontaktnachverfolgung, Vermeiden von engen Kontakten zu Infizierten und Hygienemaßnahmen böten laut RKI den besten Schutz. „Risikogruppen müssten allerdings extrem aufpassen“, betonte Wieler auf der Pressekonferenz.

ECDC veröffentlicht Risikobewertung

Dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zufolge wurden bisher 67 bestätigte Fälle in 9 EU/EWR-Mitgliedstaaten (Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden) gemeldet und mindestens weitere 42 Verdachtsfälle untersucht.

In einer am 23. Mai veröffentlichten Risikobewertung empfiehlt das ECDC EU-/EWR-Ländern sich auf die unverzügliche Identifizierung, Verwaltung, Kontaktverfolgung und Meldung neuer Affenpocken-Fälle konzentrieren. Sie sollten ihre Kontaktverfolgungsmechanismen und ihre diagnostischen Kapazitäten für Orthopoxviren aktualisieren und die Verfügbarkeit von Pockenimpfstoffen, antiviralen Medikamenten und persönlicher Schutzausrüstung (PSA) für Angehörige der Gesundheitsberufe überprüfen.

Erste Bewertung antiviraler Medikamente

In The Lancet Infectious Diseases berichten Forscher erstmals detailliert anhand historischer Berichte über den Verlauf und über die Behandlung mit Virostatika.

Sie haben Fälle zwischen dem 15. August 2018 und dem 10. September 2021 überprüft und 7 Patienten identifiziert. Darunter waren 4 Männer und 3 Frauen. Ein Patient war Mitarbeiter des Gesundheitswesens in Großbritannien. Er hat sich bei einem Patienten mit Infektion im Ausland, der nach UK zurückgereist war, angesteckt. Ein weiterer Patient, der das Virus ebenfalls im Ausland bekam, übertrug es an einen Erwachsenen und ein Kind in seinem Haushalt.

Zu den bemerkenswerten Krankheitsmerkmalen gehörten den Autoren zufolge eine Virämie, ein verlängerter DNA-Nachweis des Affenpockenvirus in Abstrichen der oberen Atemwege, Niedergeschlagenheit und ein tiefer Gewebeabszess. Hier handelt es sich wohlgemerkt um einzelne Fallberichte.

5 Patienten verbrachten aufgrund verlängerter PCR-Positivität mehr als 3 Wochen (Bereich 22-39 Tage) in Isolation. 3 Patienten wurden mit Brincidofovir (200 mg 1-mal wöchentlich oral) behandelt; alle entwickelten erhöhte Leberenzymwerte, was zum Abbruch der Therapie führte.

1 Patient wurde mit Tecovirimat (200 mg 2-mal täglich für 2 Wochen oral) behandelt, hatte keine Nebenwirkungen und hatte eine kürzere Dauer der Virusausscheidung und Erkrankung (10 Tage Krankenhausaufenthalt) im Vergleich zu 6 weiteren Patienten. 1 Patient erlitt 6 Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus einen leichten Rückfall.

Zumindest in der Zusammenfassung von Fallberichten zeigten beide Virustatika keine relevante klinische Wirksamkeit. Zu prüfen sei jedoch, wie die Autoren schreiben, ob ein früherer Therapiestart oder ein anderes Dosierschema vielleicht erfolgreicher sei.

Der Beitrag enthält Material von Univadis.de.

 

Kommentar

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