Selbst wenn der Blinddarm schon perforiert ist, müssen Kinder nicht unbedingt in der gleichen Nacht noch notfallmäßig operiert werden. Dies zeigen Daten, die am Universitätsklinikum Heidelberg erhoben wurden [1].
Wenn man einige Stunden nach dem Blinddarmdurchbruch abwartet, scheint die Zahl postoperativer Komplikationen und erneuter Interventionen nicht höher zu sein als bei sofortigem Handeln. Dies haben retrospektive Daten aus der Kinderchirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg gezeigt.
Das Team um PD Dr. Giovanni Frongia hat für seine Studie die Daten von 254 Kindern (mittleres Alter 8,7 Jahre) ausgewertet, die zwischen 2007 und 2019 im Heidelberger Klinikum wegen einer perforierten Appendizitis (PA) operiert worden waren. Ziel der Studie war zu untersuchen, ob die Zeit bis zur Appendektomie ein wesentlicher Risikofaktor für postoperative Komplikationen ist.
Die postoperativen Komplikationen wurden in Anlehnung an die Clavien-Dindo-Grade I‒III klassifiziert.
86% der operierten Kinder wurden dem Grad I zugeordnet, d.h. sie benötigten keine endoskopischen, chirurgischen oder radiologischen Interventionen und nur die übliche postoperative Medikation, z.B. einfache Analgetika oder Antiemetika.
3% benötigten zusätzlich weitere Medikamente, Bluttransfusionen oder eine parenterale Ernährung und wurden damit dem Grad II zugeordnet.
Bei 11% der Kinder waren postoperativ chirurgische, endoskopische oder interventionelle Maßnahmen erforderlich (Grad III).
Keine Unterschiede beim Grad der postoperativen Komplikationen
Es zeigte sich kein Zusammenhang zwischen dem Grad der postoperativen Komplikationen und der Zeit bis zur Appendektomie, die in allen 3 Gruppen im Mittel etwa gleich war (Grad I 8,8 Stunden, Grad II 7,8 Stunden, Grad III 9,5 Stunden).
Unabhängig von der Zeitspanne bis zur Operation erwies sich ein initial stark erhöhter CRP-Wert (≥ 128,6 mg/l) als wichtiger Risikofaktor für Komplikationen Grad II und III.
Faktoren wie Beschwerdedauer, Fieber, Diarrhö, Alter und Body-Mass-Index (BMI) waren nicht mit der Komplikationsrate oder der Dauer des stationären Aufenthalts verknüpft.
Die Kinderchirurgen kommen daher zu dem Schluss, dass man bei stabilen Kindern mit perforierter Appendizitis zwar dringend, aber nicht unbedingt notfallmäßig in der Nacht operieren muss. Einschränkend geben sie u.a. zu bedenken, dass es sich um retrospektiv erhobene Daten an einem einzigen Zentrum handelt.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
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Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Blinddarmdurchbruch kein Notfall – wie kann das sein? Daten aus Heidelberg erlauben Chirurgen ein paar Stunden Zeit - Medscape - 24. Mai 2022.
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