Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 23 Mai 2022
Das Infektionsgeschehen entwickelt sich weiter rückläufig. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet, liegt die 7-Tage-Inzidenz derzeit bei 312,1 Fällen pro 100.000 Einwohner (20. Mai: 361,8).
Pädiatrie: Mehr Influenza in Deutschland, steigende COVID-19-Raten in den USA
Neue Varianten ante portas: Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei
Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Naht das Ende?
Long-COVID: Welche Rolle spielen virale Reservoirs im Körper?
Real-World-Daten: Paxlovid zu Nirmatrelvir/Ritonavir
Pädiatrie: Mehr Influenza in Deutschland, steigende COVID-19-Raten in den USA
„Die virologische Surveillance zeigt, dass neben dem noch anhaltenden COVID-19-Geschehen aktuell Influenza-Infektionen, insbesondere bei Kindern in der Altersgruppe 5 bis 14 Jahre, weiterhin die ARE-Aktivität mitbestimmen und in den Altersgruppen der Kinder aktuell häufiger diagnostiziert werden als SARS-CoV-2-Infektionen“, schreibt das RKI im aktuellen Wochenbericht.
„Bei Auftreten von Symptomen einer neu auftretenden Atemwegserkrankung wie z.B. Schnupfen, Halsschmerzen oder Husten wird – unabhängig vom Impfstatus und auch bei negativem COVID-19-Testergebnis – dringend empfohlen, Kontakte zu meiden und bei Bedarf die hausärztliche Praxis zu kontaktieren.“
Anders ist die Sachlage in den USA, wie Medscape berichtet . Laut der American Academy of Pediatrics und der Children’s Hospital Association scheint die Inzidenz bei Kindern an Fahrt zu gewinnen. Die Zahl der Neuerkrankungen lag in der Woche vom 6. bis 12. Mai bei über 93.000, verglichen mit 62.000 in der Vorwoche.
Der jüngste Aufwärtstrend ist auch in Daten der Centers of Disease Control and Prevention (CDC) zu erkennen. Demnach ist die wöchentliche Rate an Neuinfektionen bei Kindern im Alter von 0 bis 14 Jahren von 35 pro 100.000 am 26. März auf 102 pro 100.000 am 7. Mai angestiegen. Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren sind am häufigsten betroffen.
Neue Varianten ante portas: Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei
Die Zahlen zeigen aber auch: Nur weil viele Menschen dazu bereit sind, die COVID-19-Pandemie hinter uns zu lassen, heißt das noch lange nicht, dass sie wirklich vorbei ist (Medscape hat berichtet).
Nicht nur die USA sind in höchster Alarmbereitschaft. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hat kürzlich die Omikron-Untervarianten BA.4 und BA.5 als „besorgniserregend“ eingestuft. In Portugal beispielsweise, einem Land, das einen starken Anstieg der COVID-19-Fallzahlen verzeichnet, war BA.5 am 8. Mai für rund 37% der positiven Fälle verantwortlich. Mit großer Wahrscheinlichkeit entwickelt sich BA.5 zur dominierenden Variante in Portugal, aber auch in etlichen anderen Ländern.
Es bleibe abzuwarten, ob BA.4 bzw. BA.5 die Variante BA.2.12.1 schlagen könnten, sagt Dr. Eric Topol, Kardiologe bei Scripps in La Jolla und Editor-in-Chief bei Medscape. Unabhängig davon könnten diese Varianten eine weitere Herausforderung für unser Immunsystem darstellen, da sie angesichts der minimalen Kreuzimmunität möglicherweise nicht vollständig erkannt würden, sagt er.
Die USA befänden sich jetzt in einer neuen Welle, die von den Omikron-Varianten BA.2 und BA.2.12.2 angetrieben werde, so Topol. Die offiziell gemeldeten 95.000 neuen Fälle pro Tag spiegelten nicht „den tatsächlichen Tribut der aktuellen Welle wider, da die meisten Menschen mit Symptomen zu Hause testen oder überhaupt nicht testen“.
Außerdem gebe es so gut wie keine Tests bei Menschen, die keine Symptome hätten, sagt Topol. Die tatsächliche Zahl der Fälle liege wahrscheinlich bei mindestens 500.000 pro Tag, sagt er, „weitaus größer als bei allen früheren US-Wellen mit Ausnahme von Omikron“.
US-Experten spekulieren über mehrere potenzielle Gefahren in den nächsten Monaten.
Die evolutionäre Entwicklung von SARS-CoV-2 beschleunigt sich weiter; neue Mutationen treten auf.
Neue Varianten sind besser in der Lage, der Immunität zu entgehen.
Ihre Übertragbarkeit und Infektiosität sind höher.
Impfstoffe und Auffrischungsimpfungen bieten bei neuen Varianten weniger Schutz vor einer Übertragung als bei bisherigen Varianten.
Menschen mit Immunität, die nicht geimpft wurden, sind stärker denn je gefährdet.
Was ist jenseits der Impfstoffforschung zu tun? „Die Diskussion über Masken und über Instrumente der öffentlichen Gesundheit muss neu ausgerichtet werden“, erklärt CDC-Direktor Dr. Tom Frieden. „Masken sind ein kostengünstiges, lebensrettendes Instrument, das dazu beitragen kann, die Ausbreitung anderer Infektionskrankheiten, nicht nur von COVID, einzudämmen.“ Viele Lehren aus der Pandemie könnten jetzt weiterentwickelt werden, um die Ausbreitung von Krankheiten kontinuierlich zu kontrollieren und um die Welt gesünder zu machen.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Naht das Ende?
Impfungen schützen gegen Infektionen, nur lehnen auch viele Angestellten im Gesundheitswesen Vakzine gegen COVID-19 ab. Mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht die einrichtungsbezogene Impfpflicht bestätigt (Medscape hat im Blog darüber berichtet). Dennoch kommt keine Ruhe in die Thematik.
Zwar sei die Teil-Impfpflicht unter den Bedingungen einer gefährlichen Virusvariante geboten, sagt Unions-Fraktionsvize Sepp Müller (CDU). „Angesichts der milderen Verläufe durch Omikron und der nach wie vor vielen offenen Fragen bei der praktischen Umsetzung muss aber geprüft werden, ob die einrichtungsbezogene Impfpflicht noch angemessen und verhältnismäßig ist.“
Müller geht es vor allem um Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Er will Details über eine parlamentarische Anfrage klären. „Fallen die Antworten weiter unbefriedigend aus, werden wir uns als Union für eine Aussetzung der Impfpflicht ernsthaft mit der Ampel unterhalten“, erklärt der Christdemokrat.
Long-COVID: Welche Rolle spielen virale Reservoirs im Körper?
Wissenschaftlern gibt Long-COVID immer noch zahlreiche Rätsel auf. In einem redaktionellen Übersichtsbeitrag in Nature geht Heidi Ledford der Frage nach, welche Rolle Bruchstücke von SARS-CoV-2 im Körper spielen könnten.
2 Jahre nach Beginn der Pandemie häufen sich die Belege, dass Teile von SARS-CoV-2 nach einer Erstinfektion monatelang im Darm verbleiben. „Die Ergebnisse tragen zu einem wachsenden Pool von Beweisen bei, die die Hypothese stützen, dass hartnäckige Virusstücke – Coronavirus-„Geister“ … – zu dem mysteriösen Zustand namens Long- COVID beitragen könnten“, so die Autorin.
Andere Forscher hatten bei Biopsien an weiteren Stellen des Körpers, einschließlich Herz, Augen und Gehirn, virale RNA gefunden. Studien unterstützen die Möglichkeit, dass Virusreservoirs zu Long-COVID beitragen, aber die Forscher werden mehr Arbeit leisten müssen, um einen Zusammenhang schlüssig aufzuzeigen, so die Autorin. Verbindungen im Sinne einer Kausalität gibt es noch nicht.
Real-World-Daten zu Paxlovid und Lagevrio
Zur Wirksamkeit oraler Virostatika bei leichten bis mittelschweren COVID-19-Patienten unter Real-World-Bedingungen lagen bislang kaum Daten vor. Eine als Preprint verfügbare retrospektive Kohortenstudie zielt darauf ab, Molnupiravir (Lagevrio®) und Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) während einer von BA.2 dominierten Pandemiewelle zu bewerten.
Forscher analysierten Daten einer retrospektiven Kohorte hospitalisierter Patienten mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion in Hongkong. Erkrankte waren zwischen dem 26. Februar 2022 und dem 26. April 2022 behandelt worden.
Von 40.776 hospitalisierten COVID-19-Patienten, die zunächst keine Sauerstofftherapie benötigten, wurden 2.359 bzw. 1.000 Patienten mit Molnupiravir bzw. Nirmatrelvir/Ritonavir behandelt. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
Die Inzidenzraten für die Gesamtmortalität und für eine invasive mechanische Beatmung betrugen 22,24 bzw. 1,06 Ereignisse pro 10.000 Personentage unter Molnupiravir und 11,04 bzw. 1,75 Ereignisse pro 10.000 Personentage unter Nirmatrelvir/Ritonavir.
Die Einnahme oraler Virustatika war mit einem signifikant niedrigeren Risiko für eine Progression von COVID-19 verbunden (Molnupiravir: HR=0,53, 95%-KI 0,46-0,62, p<0,001; Nirmatrelvir/Ritonavir: HR=0,33, 95%-KI 0,24-0,46, p<0,001), verglichen mit Patienten ohne diese Pharmakotherapie.
Die Forscher beobachteten auch eine signifikante Verringerung der Gesamtmortalität unter Virustatika (Molnupiravir: HR=0,55, 95%KI=0,47-0,63, p<0,001; Nirmatrelvir/Ritonavir: HR=0,32, 95%KI=0,23-0,45, p<0,001).
Anwender von Molnupiravir hatten ein geringeres Risiko für eine invasive mechanische Beatmung (HR=0,31, 95%KI=0,16-0,61, p<0,001).
Die Zeit bis zum Erreichen einer niedrigeren Viruslast war unter Virostatika signifikant kürzer als bei den Vergleichsgruppen (Molnupiravir: HR=1,21, 95%-KI 1,07-1,37, p=0,002; Nirmatrelvir/Ritonavir: HR=1,25, 95%-KI 1,04-1,50, p=0,015).
Bei Überlebenden war die Dauer des Krankenhausaufenthalts unter Nirmatrelvir/Ritonavir kürzer (-0,70 Tage, 95%-KI -1,37 bis -0,04, p=0,039) als bei den Vergleichsgruppen.
Ein direkter Vergleich von Molnupiravir und Nirmatrelvir/Ritonavir ergab ein höheres Sterberisiko (HR=1,53 95%-KI 1,01-2,31, p=0,047) und eine längere Verweildauer im Krankenhaus (0,83 Tage, 95%-KI 0,07-1,58, p=0,032) für Molnupiravir.
Topol fasst die Ergebnisse auf Twitter zusammen: „1. Studie zur Wirksamkeit von Paxlovid und Molnupiravir in der Praxis: Signifikante Verringerung des Fortschreitens der Krankheit und der Gesamtmortalität im Vergleich zu … Kontrollen, mehr für Paxlovid, während der BA.2-Welle in Hongkong. Schnelle Senkung der Viruslast.“
Prof. Dr. Karl Lauterbach hat sich die Daten ebenfalls angesehen. „Gute Nachricht: Paxlovid, davon haben wir sehr viel für den Herbst gekauft, senkt die Sterblichkeit von COVID im Praxiseinsatz deutlich“, schreibt der Bundesgesundheitsminister auf Twitter . Die optimale Verwendung müsse aber noch besser vorbereitet werden.
Credits:
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Diesen Artikel so zitieren: Kind krank – öfter Sommergrippe als Corona; Long-COVID durch virale Fragmente; Real-World-Daten zu Virostatika; Welle in den USA - Medscape - 23. Mai 2022.
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