Check-up gefällig? Mehr als nur Laborwerte – wie Vorsorgeuntersuchungen für Erwachsene optimiert werden können

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

18. Mai 2022

Routine-Check-ups sind sinnvoll – wenn sie denn genutzt werden. Dr. Jill Jin, Associate Editor des JAMA bricht auf der Patientenseite des Journals eine Lanze für Vorsorgeuntersuchungen [1]. Sie verweist auf eine 2021 veröffentlichte Studie, die Hinweise darauf liefert, dass das Wahrnehmen von Check-ups mit besserer Krebsvorsorge (z.B. für Dickdarm- und Gebärmutterhalskrebs) und mit der Aufdeckung von chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck und Depressionen verbunden ist.

 
Untersuchungen zur Gesundheitsvorsorge – wie auch der Check-up ab 35 – sind grundsätzlich sinnvoll. Prof. Dr. Georg Ertl
 

„Untersuchungen zur Gesundheitsvorsorge – wie auch der Check-up ab 35 – sind grundsätzlich sinnvoll; es geht darum, gesunde Menschen für ihre Gesundheit und für eine gesunde Lebensführung zu sensibilisieren“, sagt Prof. Dr. Georg Ertl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Check-ups bieten auch die Möglichkeit, „vielleicht eine Veränderung des Lebensstils herbei zu führen, ohne dass unbedingt gleich ein Medikament verordnet werden muss“, so Ertl.

Zu einem Routine Check-up in den USA gehören laut Jin:

  • das Messen von Größe, Gewicht und Blutdruck,

  • die Bestimmung von Cholesterin, Nüchtern-Glukose und Hepatitis-C-Antikörpern,

  • Screenings auf Depressionen, Lungen-, Gebärmutterhals-, Darm- und Brustkrebs,

  • auf sexuell übertragbare Erkrankungen (STD) und

  • das Prüfen des Impfschutzes gegen Influenza, Tetanus, Pneumonie und Masern.

Als zusätzliche Untersuchungen für ältere Menschen kommen infrage:

  • Sturzrisiko,

  • Hörvermögen,

  • Gedächtnisfunktion,

  • Beratungsgespräche zu Patientenverfügungen.

„Vorsorgeuntersuchungen können auch zu einer gesünderen Ernährung und regelmäßigeren Bewegung sowie zu einer besseren Selbsteinschätzung der Patienten führen“, schreibt Jin. Ein jährlicher Check-up ist aus ihrer Sicht nicht notwendig.

 
Vorsorgeuntersuchungen können auch zu einer gesünderen Ernährung und regelmäßigeren Bewegung … führen. Dr. Jill Jin
 

Ihrer Einschätzung nach sind Routine-Check-ups für Menschen ab 65 Jahren, die chronisch krank sind oder dauerhaft Medikamente einnehmen müssen, wichtig. Junge Menschen sollten mit ihrem Arzt einen Zeitplan für Kontrolluntersuchungen besprechen.

Screening auf Leberentzündungen ist Teil des Check-ups für Erwachsene

Beim Check-up für Erwachsene in Deutschland haben gesetzlich Krankenversicherte zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr einmalig Anspruch auf den Gesundheits-Check. Ab 35 kann die Untersuchung dann alle 3 Jahre in Anspruch genommen werden.

  • Der Anamnese und der Prüfung des Impfstatus folgt laut KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) eine vollständige körperliche Untersuchung und die Messung des Blutdrucks.

  • Nach den Richtlinien des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) wird im Check-up auch das Lipidprofil und die Nüchternplasmaglukose erhoben, der Urin mittels Harnstreifentest untersucht.

  • Seit Oktober 2021 ist ein einmaliges Screening auf die Leberentzündungen Hepatitis B und C Teil des Check-ups.

Eine spezielle Anleitung bzw. eine Leitlinie zum Check-up ab 35 existiert seitens der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) nicht, wie deren Sprecher Dr. Philipp Leson bestätigt. Allerdings gibt Prof. Dr. Martin Scherer, Direktor des Instituts und Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Präsident der DEGAM, in seinen Podcasts regelmäßig Tipps zum Nutzen und zur Evidenz verschiedener Check-ups.

In ihrer Stellungnahme für den G-BA hatte die DEGAM einen höheren Stellenwert der Anamnese gefordert, von routinemäßigen Urinuntersuchungen abgeraten, die einmalige Untersuchung bei 18- bis 35-Jährigen angeregt und die Bestimmung von Blutbild, Kreatinin und Leberwerten nur bei positiver Familien-Anamnese oder speziellen Risikofaktoren empfohlen.

Vorgeschlagen hatte die DEGAM auch, die Lipid-Diagnostik bei über 55-Jährigen um das HDL zu erweitern und bei allen ab 50 Jahren die Blut-Glukose zu messen. Auf einen Ganzkörperstatus ohne konkreten medizinischen Anlass sollte hingegen verzichtet werden.

Mehr als Laborparameter: Sprechende Medizin muss gestärkt werden

In ihrem Diskussionspapier hatte die DGIM 2018 eine Ausweitung der Laborwerte auf den Serumkreatininwert und den HbA1c-Wert angeregt. „Wünschenswert wäre das schon“, sagt Ertl. „Es ist aber auch so: Bevor bei einer Nierenerkrankung der Kreatininwert steigt, scheidet die Niere Eiweiß aus; beim Diabetes gilt das für die Glukose im Urin – insofern liefert schon die Urinprobe selbst einen Hinweis auf eine Nierenschädigung oder auf einen Diabetes.“

 
Die Sensibilisierung für einen gesunden Lebensstil – über den Check-up – kann bei jungen Leuten entscheidend sein. Prof. Dr. Georg Ertl
 

Dass zwischen dem 18. und dem 35. Lebensjahr einmalig der Anspruch auf den Gesundheits-Check-up besteht, hält Ertl für eine sehr sinnvolle Erweiterung. „Die Sensibilisierung für einen gesunden Lebensstil – über den Check-up – kann bei jungen Leuten entscheidend sein. Weist beispielsweise das LDL eines jungen Menschen einen Wert von 200 auf und man weiß aus der Anamnese, dass der Vater im frühen Alter einen Infarkt hatte, besteht Handlungsbedarf“, erklärt er.

Ertl betont, dass die Check-ups dazu aber mehr sein müssen als die reine Untersuchung und die Erhebung bestimmter Laborparameter. „Wichtig ist vor allen Dingen, dass der Patient, der einen Check-up in Anspruch nimmt, nicht nur die Laborergebnisse bekommt, diese dann womöglich abheftet und das war es dann. Es muss ein Arzt-Patienten-Gespräch folgen, mit dem Ziel von Lebensstiländerungen, bei Hochrisiko gegebenenfalls auch einer medikamentösen Prophylaxe.“

Dazu ist es aber notwendig, solche Gespräche entsprechend zu vergüten und die sprechende Medizin zu stärken, so Ertl.

 
Es muss ein Arzt-Patienten-Gespräch folgen, mit dem Ziel von Lebensstiländerungen, bei Hochrisiko gegebenenfalls auch einer medikamentösen Prophylaxe. Prof. Dr. Georg Ertl
 

Wie stark die Check-ups tatsächlich wahrgenommen werden, lasse sich leider nicht sagen, dazu liegen keine Zahlen vor. Ertl bestätigt, dass eher ältere, eher gut gebildete Patienten den Check-up in Anspruch nehmen. Diejenigen hingegen, die ihrer Gesundheit gegenüber eher gleichgültig sind, werden durch das Angebot hingegen kaum erreicht.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....