Neue Risikofaktoren für Prostata- und Brustkrebs bei Männern; Gallensteine als Vorläufer eines Pankreaskarzinoms?

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

17. Mai 2022

Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um Risikofaktoren, die mit Krebserkrankungen assoziiert sind. So soll Unfruchtbarkeit bei Männern mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs einhergehen und Schlafstörungen sollen mit einem vermehrten Auftreten von Prostatakarzinomen zusammenhängen. Gallensteine könnten wiederum ein Warnsignal für ein Pankreaskarzinom sein. Diese Studien belegen jedoch keinen kausalen Zusammenhang. Mit Elotuzumab hat eine weitere moderne Substanz hat in der First-Line-Therapie des multiplen Myeloms enttäuscht – die Gründe sind bislang unklar.

  • Brustkrebs bei Männern: Unfruchtbarkeit mit erhöhtem Risiko assoziiert

  • Prostatakarzinom: Mittagschlaf mit verringertem Risiko assoziiert

  • Blasenkarzinom: Roboter-assistierte Chirurgie verlängert Überlebenszeit signifikant aber geringfügig

  • Pankreaskarzinom: Sind Gallensteine ein Vorläufer?

  • Multiples Myelom: Elotuzumab-Kombi First-Line enttäuscht in Phase-3-Studie

  • AML: Tumor-Lyse-Syndrom und Infektionen bei Therapie mit Venetoclax plus Azacitidin oder Decitabin

Brustkrebs bei Männern: Unfruchtbarkeit mit erhöhtem Risiko assoziiert

Das Risiko von invasivem Brustkrebs ist bei Männern mit selbstberichteter Unfruchtbarkeit assoziiert, so eine Studie aus London publiziert in Breast Cancer Research .

Die Autoren befragten 1.998 Männer im Alter unter 80 Jahren, bei denen zwischen 2005 und 2017 Brustkrebs diagnostiziert worden war. Sie wurden mit 1.597 Männern verglichen, die nicht erkrankt waren.

Das Risiko invasiver Brustkrebstumoren war signifikant mit männlicher Unfruchtbarkeit assoziiert. In der Brustkrebs-Gruppe berichteten 47 Personen (2,6%) von Unfruchtbarkeit, in der Kontrollgruppe waren es 22 (1,4%).

383 Männer mit Brustkrebs gaben im Vergleich zu 174 Kontrollpersonen an, keine Kinder zu haben. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass Kinderlosigkeit keine definitive Aussage zur männlichen Unfruchtbarkeit erlaubt, da es hierfür eine Vielzahl weiterer Gründe gibt.

Die Ursachen für den selten auftretenden männlichen Brustkrebs sind weitgehend unbekannt. Die Befunde dieser Studie legen nach Aussage der Autoren nahe, dass der Zusammenhang zwischen Unfruchtbarkeit und Brustkrebs in weiteren Studien bestätigt werden sollte und Untersuchungen zu den potenziell zugrunde liegenden Faktoren wie Hormonstörungen erforderlich sind.

Prostatakarzinom: Mittagschlaf mit verringertem Risiko assoziiert

Schlafstörungen bei Männern sind mit einem erhöhten Risiko für ein Prostatakarzinom verbunden, während das Mittagsschläfchen mit einem reduzierten Risiko assoziiert ist. Dies zeigt eine chinesische Analyse der Daten von rund 214.000 Männern aus der UK Biobank, deren Ergebnisse in Prostate erschienen sind.

In der prospektiven Kohortenstudie wurden die Daten von 213.999 Personen eingeschlossen, von denen 6.747 an einem Prostatakarzinom erkrankt waren. Die Forscher analysierten den Zusammenhang mit sieben Schlafmerkmalen z.B. Schlafdauer, Chronotyp, Schlaflosigkeit, Schnarchen, Nickerchen, Schwierigkeiten beim Aufstehen am Morgen und tagsüber.

Schlaflosigkeit und leichtes Aufstehen am Morgen waren mit einem höheren Risiko für ein Prostatakarzinom verbunden (Hazard Ratio 1,11 bzw. 1,09), während regelmäßige Nickerchen mit einem geringeren Risiko assoziiert waren (HR: 0,91).

Möglicherweise könne also eine Verbesserung der Schlafgewohnheiten dazu beitragen, das Risiko für ein Prostatakarzinom zu verringern, so die Autoren.

Blasenkarzinom: Roboter-assistierte Chirurgie verlängert Überlebenszeit signifikant, aber geringfügig

Eine Roboter-assistierte radikale Zystektomie (RARC) mit intrakorporaler Harnableitung führt bei Patienten mit Blasenkrebs zu signifikant mehr Tagen am Leben und außerhalb des Krankenhauses als die offene radikale Zystektomie. Dieses Ergebnis der iROC-Studie wurde bei der Jahrestagung der American Urological Association (AUA) in New Orleans vorgestellt (PD42-02) und parallel in JAMA publiziert. Die Differenz betrug allerdings nur 2,2 Tage, die englischen Autoren beschreiben die klinische Bedeutung ihrer Befunde als unklar.

Sie hatten in der multizentrischen Phase-3-Studie 338 Patienten randomisiert mit robotergesteuerter Zystektomie behandelt oder offen operiert.

Primärer Endpunkt war die Zahl der Tage, die die Patienten 90 Tage nach dem Eingriff noch lebten und nicht mehr hospitalisiert waren. Dies waren bei den mit Hilfe des Roboters operierten Patienten im Median 82 Tage, bei denen der Vergleichsgruppe 80 Tage (Differenz 2,2 Tage, p = 0,01).

Thromboembolische Komplikationen und Wundkomplikationen waren in der Roboter-behandelten Gruppe seltener, die Lebensqualität war besser. Die Häufigkeit der Rezidive unterschied sich zwischen den beiden Gruppen nicht.

Im begleitenden Editorial in JAMA bewerten Urologen aus Ann Arbor die Studie: „Diese Studie ist ein wichtiger Meilenstein für die Roboterchirurgie, da sie zu den ersten gehört, die einen Nutzen in einer multizentrischen klinischen Studie nachweist. Ob der Nutzen der außerhalb des Krankenhauses verbrachten Tage klinisch bedeutsam und ausreichend ist, um eine weitere Verbreitung zu fördern, wird wahrscheinlich Anlass für Diskussionen sein, mit rationalen Argumenten auf beiden Seiten bei Qualitäts- und Kostenfragen. Nichtsdestotrotz ist die Roboterchirurgie gekommen, um zu bleiben. Ähnliche Studien bei anderen Erkrankungen sind sinnvoll, um die Stellung der Roboterchirurgie im chirurgischen Instrumentarium besser zu definieren und ihren Wert für Patienten zu maximieren.“

Pankreaskarzinom: Sind Gallensteine ein Vorläufer?

Gallensteinerkrankungen könnten ein Warnsignal für ein Pankreaskarzinom sein. Patienten mit Pankreaskarzinom wurden im Jahr vor der Karzinomdiagnose mit fast 6-mal höherer Wahrscheinlichkeit wegen einer Gallensteinerkrankung hospitalisiert als die Allgemeinbevölkerung. Diese Ergebnisse stellt eine amerikanische Arbeitsgruppe auf der Digestive Disease Week 2022 am 23. Mai 2022 vor.

In einer Pressemitteilung erläuterte Studienautorin Dr. Marianna Papageorge, Boston Medical Center: „Gallensteine führen nicht zu Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs ist sehr selten und viele Menschen leiden an Gallensteinen. Diese Daten sollten uns motivieren, sicherzustellen, dass Patienten eine gute Nachsorge erhalten, dass sie regelmäßiger ihren Hausarzt konsultieren und sich nach einer Cholezystektomie an ihren Chirurgen wenden. Diese kontinuierliche Betreuung wird zu einer früheren Diagnose von Pankreaskarzinom beitragen.“

Die Arbeitsgruppe verglich die Inzidenz von Gallensteinerkrankungen zwischen Patienten mit Pankreaskarzinom und einer Kohorte ohne Krebs aus der Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER)-Medicare- Datenbank.

Personen mit Pankreaskarzinom wurden im Jahr vor ihrer Krebsdiagnose mit fast 6-mal höherer Wahrscheinlichkeit wegen einer Gallensteinerkrankung hospitalisiert als die Allgemeinbevölkerung.

4,7% der Patienten mit Pankreaskarzinom hatten im Jahr vor der Diagnose eine Gallensteinerkrankung, in der Nicht-Krebs-Kohorte waren es 0,8%. Eine Cholezystektomie war bei 1,6% mit Pankreaskarzinom durchgeführt worden, in der Nicht-Krebs-Kohorte bei 0,3%.

Bei Patienten die vor dem Pankreaskarzinom an Gallensteinen erkrankt waren, wurde der Krebs mit höherer Wahrscheinlichkeit in Stadium I bis II erkannt, als bei Patienten ohne Gallensteinerkrankung (47,9% vs. 40,5%).

Multiples Myelom: Elotuzumab-Kombi First-Line enttäuscht in Phase-3-Studie

Der monoklonale Antikörper Elotuzumab hat in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom den primären Endpunkt in der Phase-3-Studie ELOQUENT-1 nicht erreicht. Das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde im Vergleich zu Lenalidomid plus Dexamethason nicht verlängert. Dieses Ergebnis berichtet eine internationale Arbeitsgruppe in Lancet Haematology .

Im begleitenden Editorial heißt es: „Dieses negative Ergebnis ist enttäuschend und reproduziert frühere Befunde aus der Phase-3-Studie ELOQUENT-2 nicht“. Dort hat die 3er-Kombi das PFS bei Patienten mit rezidiviertem multiplem Myelom, die 1 bis 3 Vortherapien erhalten hatten, verbessert. „Die Gründe für die Diskrepanz zwischen Patienten mit neu diagnostiziertem und rezidiviertem multiplem Myelom sind unklar.“

Damit erweitert die ELOQUENT-1-Studie die Liste der modernen Substanzen, die bei neu diagnostiziertem Myelom nicht wirken, auf der stehen bislang schon Ixazomib und Carfilzomib. Derzeit ist Daratumumab der einzige monoklonale Antikörper, der für die die Behandlung älterer Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom zugelassen ist.

In der ELOQUENT-1-Studie waren in 19 Ländern 748 Patienten im medianen Alter von 73 Jahren randomisiert mit Elotuzumab/Lenalidomid/Dexamethason oder Lenalidomid/Dexamethason behandelt worden. Alle Patienten waren ungeeignet für eine Stammzelltransplantation.

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 70,6 Monaten betrug das PFS mit der Elotuzumab-basierten Kombination 31,4 Monate gegenüber 29,5 Monaten mit Lenalidomid/ Dexamethason (HR: 0,93; p = 0,44). Auch die Gesamtansprechrate mit 83% bzw. 79% (p = 0,22) und medianes Gesamtüberleben mit 60,4 vs. 57,6 Monaten (p = 0,89) waren nicht signifikant unterschiedlich.

AML: Tumor-Lyse-Syndrom und Infektionen bei Therapie mit Venetoclax plus Azacitidin oder Decitabin

Bei Behandlung einer akuten myeloischen Leukämie mit Venetoclax und hypomethylierenden Substanzen (HMA) entwickeln die Patienten vor allem zu Therapiebeginn häufig ein Tumor-Lyse-Syndrom (TLS) und infektiöse Komplikationen. Dies berichtet eine amerikanische Arbeitsgruppe in Leukemia Research und empfiehlt, dass diese Patienten insbesondere in den ersten 7-10 Tagen der Therapie engmaschig überwacht werden sollten.

Venetoclax in Kombination mit Azacitidin oder Decitabin gilt als Standard für die Behandlung älterer (≥75 Jahre) oder für eine intensive Chemotherapie ungeeigneter Patienten mit neu diagnostizierter AML. Die Arbeitsgruppe untersuchte nun retrospektiv, wie häufig bei 106 Patienten ein TLS und infektiöse Komplikationen aufgetreten sind.

Ein TLS wurde bei 19 Patienten (18%) gesehen, bei 5 Patienten (5%) entwickelte sich eine akute Nierenschädigung. Im Median dauerte es 2 Tage bis zum Auftreten des TLS.

Im ersten Therapiezyklus wurde bei 29 Patienten (27%) eine febrile Neutropenie diagnostiziert, bei 26 Patienten (25%) entwickelten sich neue Infektionen, dies dauerte im Mittel 10 Tage. Eine febrile Neutropenie oder neue Infektionen waren mit einem schlechteren medianen Gesamtüberleben im Vergleich zu Patienten ohne diese Komplikationen assoziiert (4,9 Monate vs. 11,6 Monate, p = 0,03).

 

Kommentar

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